Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Schild an der Wand
ORF Vorarlberg
ORF Vorarlberg
Chronik

Inseraten-Affäre: Weiter keine Anhaltspunkte gegen Wallner

Seit mehr als sechs Monaten ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP). Er soll um Inserate geworben und dafür eine Gegenleistung in Aussicht gestellt haben. Dem ORF Vorarlberg und der ZIB 2 liegen jetzt die Ermittlungsakten vor. Sie zeigen: Die Staatsanwälte haben bisher nichts gefunden. Der wichtigste Zeuge streitet alles ab.

Die Beschuldigungen wiegen schwer. Am 21. April berichten die „Vorarlberger Nachrichten“ aus einer eidesstattlichen Erklärung. Darin heißt es: Markus Wallner habe bei einem Betriebsbesuch deponiert, „dass er wünscht, dass man sich für die ‚Vorarlberger Wirtschaft‘ engagiert und auch entsprechend Inserate bezahlt.“ Im Gegenzug habe Wallner angeboten, dass das Land bei einer Betriebsbewilligung versuchen werde, massiv zu unterstützen. Die VN zitieren weiter aus der Erklärung: „Man hat so indirekt versucht, uns sanft zu verdeutlichen, dass es ein Entgegenkommen von öffentlicher Seite gibt, wenn es nötig wird.“ Der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ist dieser Bericht Anlass, Ermittlungen zu starten. Dem ORF Vorarlberg und ZIB 2 liegen jetzt die Ermittlungsakten vor. Darin ist zu lesen, wie die WKStA den Mann sucht, der die eidesstattliche Erklärung verfasst hat; wie sie ihn findet, verhört – und wie er alles abstreitet.

Markus Wallner
ORF
Wallner bei der ORF-Pressestunde

Verdacht der versuchten Vorteilsnahme

Die Staatsanwälte verdächtigen Wallner aufgrund der medialen Berichterstattung der versuchten Vorteilsnahme. Der Verdacht begründet sich „insbesondere aufgrund der auszugsweise veröffentlichten eidesstattlichen Erklärung eines derzeit unbekannten Vorarlberger Wirtschaftstreibenden“, heißt es in der Ermittlungsanordnung vom 6. Mai 2022. Damit beginnt die Suche nach dem Kronzeugen: dem Urheber der Erklärung.

Am selben Tag versucht es die WKStA laut Ermittlungsakten telefonisch bei den „Vorarlberger Nachrichten“. Die Zeitung möge bitte beim Verfasser nachfragen, ob dieser sich bei den Staatsanwälten meldet. Eine Woche später fragt die WKStA nach und bittet alternativ um die eidesstattliche Erklärung, gerne auch anonymisiert. Die Erklärung befindet sich nicht im Akt. Sie dürfte also nicht bei den Staatsanwälten gelandet sein.

Gewerkschafts-Chef Norbert Loacker wird befragt

Am 30. Mai wird in Innsbruck der erste Zeuge vernommen. Es folgen viele weitere. Meistens geht es um andere Ermittlungsstränge in der Affäre. Allerdings fragen die Staatsanwälte auch jeden Zeugen nach Wallner. Am 29. Juni wird der ehemalige Vorarlberger Gewerkschafts-Chef Norbert Loacker befragt. Er erhob zu Beginn der Affäre den Vorwurf, Wallner habe bei mehreren Unternehmern um Inserate geworben. Vor der WKStA betont er, dass ihm das von mehreren Wirtschaftstreibenden im Land vertraulich mitgeteilt worden sei, weshalb er auch keine Namen nenne. In einem Zwischenbericht am 28. Juli stellen die Staatsanwälte fest: „Bis dato konnten wegen der fehlenden Kooperationsbereitschaft des Norbert Loacker keine Unternehmer/Unternehmen ermittelt werden.“ Die anderen Zeugen können allesamt nichts zu den Vorwürfen gegen Wallner sagen. Ein Unternehmer zum Beispiel, der die Inseratenpraxis des Wirtschaftsbundes auch medial scharf kritisierte, hält seine Kritik vor der WKStA aufrecht. Befragt zu Wallner antwortet er: „In meiner Anwesenheit bei den Veranstaltungen mit LH Markus Wallner habe ich nie vernommen, dass er je für Inserate der Wirtschaftsbundzeitung Werbung gemacht hat.“

Im September scheint die WKStA dann auf die Spur gekommen zu sein. Loacker muss wieder aussagen. Es geht um einen Betriebsbesuch bei der Firma Grass – Loacker war dort langjähriger Betriebsrat. Und es geht um einen geplanten Grass-Bau in Hohenems. Loacker nennt zwar niemanden namentlich, aber nach dieser Vernehmung sind die Staatsanwälte überzeugt: Sie haben den Urheber der eidesstattlichen Erklärung gefunden. Am 11. Oktober wird er in der Polizeiinspektion Dornbirn einvernommen. Einen Monat später, am 20. November, ist Landeshauptmann Wallner in der ORF-Pressestunde zu Gast. Er gibt bekannt, er habe sich die Ermittlungsakten angesehen. Und die Akteneinsicht beweise: „Die Vorwürfe brechen in sich zusammen.“ Die Suche nach dem Urheber hat etwas gedauert. Warum sie das tun, sagt er aber nicht.

Das Vernehmungsprotokoll zeigt den Grund. Der vermeintliche Kronzeuge sagt unter Wahrheitspflicht bei der WKSta aus: „In meiner Zeit, als ich Geschäftsführer bei (…) war, da habe ich nie in dieser Wirtschaftsbundzeitung eine Anzeige gekauft. Ich kann mich nicht erinnern, dass LH Markus Wallner um Inserate in der Wirtschaftsbundzeitung gebeten habe.“ Dem Unternehmen hätten Inserate in der „Vorarlberger Wirtschaft“ nichts gebracht. Er könne sich nicht erinnern, ob er jemals persönlich um Inserate gebeten worden sei. Und von Vorteilen, die in Aussicht gestellt worden sein könnten, wisse er nichts. Dann fragen die Staatsanwälte: „Wissen Sie, von wem die eidesstattliche Erklärung vom 21. April 2022 stammt?“ Die Antwort: „Diese Aussage stammt nicht von mir. Wenn von einem Zeugen behauptet wird, dass ich der Verantwortliche für diese eidesstattliche Erklärung bin, dann ist das eine Lüge.“

Wallner will sich nicht konkret äußern

Landeshauptmann Markus Wallner möchte sich auf Anfrage von ORF Vorarlberg und der ZiB2 nicht konkret zum Inhalt der Aussage äußern. Die Interpretation sei Sache der Staatsanwaltschaft. Wallner teilt aber schriftlich mit: „Nach über sechs Monaten Ermittlungsarbeit und bei Betrachtung des gesamten Aktes konnte aber bisher kein einziger Aspekt der anonymen Anschuldigungen bestätigt werden.“ Dennoch verzichtet er darauf, die Einstellung der Ermittlungen zu beantragen. Es sei nicht nötig. „Wir gehen davon aus, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ihre Arbeit sorgfältig macht.“

Fest steht jedenfalls: Der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft fehlt noch immer der Urheber der eidesstattlichen Erklärung, die vor fast acht Monaten für ein politisches Beben in Vorarlberg gesorgt hat.