Streikende in Vorarlberg am 04.11.2021
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Wirtschaft

Verhandlungen über nächste Streiks

Nach dem landesweiten Bahnstreik am Montag könnte in wenigen Tagen die nächste Arbeitsniederlegung folgen. Am Dienstag wird darüber entschieden, ob es im Handel zu Warnstreiks mitten in der Adventzeit kommt oder nicht. Politologen sehen aber noch keinen Wandel der in Österreich vergleichsweise verhaltenen Streikkultur.

Der Handels-KV ist einer der größten Kollektivverträge in Österreich und betrifft rund 430.000 Angestellte und Lehrlinge im Einzel-, Groß- und Kfz-Handel. Zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite gab es in den letzten Tagen aber kein Näherkommen bei den Verhandlungen.

Die Gewerkschaft fordert ein Gehaltsplus von 8,5 Prozent mit einem Mindestbetrag in Höhe von 200 Euro. Die Arbeitgeber schlagen eine steuerfreie Prämie vor, die den Beschäftigten größtenteils noch heuer ausbezahlt werden soll, und bieten fünf Prozent Erhöhung auf die kollektivvertraglichen Mindestgehälter. Die Gewerkschaft lehnt Einmalzahlungen aber ab und will angesichts der hohen Inflation ordentliche Gehaltssprünge sehen.

Im Handel am Wochenende Streiks möglich

Kommt es am Dienstag zu keiner Einigung, gehen die Handelsangestellten am Freitag und Samstag auf die Straße. In mehr als 300 Unternehmen gebe es Streikbeschlüsse aus dortigen Betriebsversammlungen, so die Gewerkschaft. Darunter befinden sich große Handelsketten – auch aus der Lebensmittelbranche – Textilketten, Großhändler und Baumärkte. Wo es keinen Betriebsrat gibt, gibt es auch keine entsprechenden Beschlüsse, somit wären dort auch keine Streiks möglich.

Kein grundsätzlicher Wandel der Streik-Kultur

Die letzten größeren Streiks in Österreich sind gut zwei Jahrzehnte her. Zeichnet sich also ein Wandel der heimischen Streikkultur ab? „Ich glaube nicht, dass wir längerfristig in eine Situation mit jährlichen Streiks hineinkommen“, meint Politikwissenschaftler Marcello Jenny von der Universität Innsbruck.

„Forderungen in dieser Höhe sind für die Arbeitgeberseite ungewohnt und es ist genau dieses Ungewohnte, was jetzt beim ersten Aufeinandertreffen zu dieser Konfliktsituation führt.“ Beide Seiten könnten sich, nach Ansicht von Jenny, immer noch auf neue Gegebenheiten einstellen: „Ich glaube deswegen nicht, dass sich diese kleine Welle an höherer Streikbereitschaft in der Zukunft fortsetzen wird.“

Vergleichsweise niedrige Streik-Häufigkeit

Die Politologin Lore Hayek von der Universität Innsbruck führt die aktuellen Konflikte auf die wirtschaftliche Ausnahmelage zurück: „Wir haben derzeit eine angespannte Situation mit Inflation und Teuerung. Deswegen kommt es auch zu diesen Streik-Ereignissen.“

Allerdings habe Österreich im internationalen Vergleich eine sehr niedrige Streik-Häufigkeit, so Hayek: „In Österreich fallen im Schnitt zwei Arbeitstage pro 1.000 Arbeitnehmer und Jahr aus, in Frankreich sind es 123 Arbeitstage. Da kennen wir z.B. die Streiks der Gelbwesten.“ Von einem Umbruch in Österreich könne man nicht sprechen, so die Politologin.