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Gesundheit

Wie die Ernährung gegen Krebs helfen kann

Sowohl bei der Krebsprävention als auch bei der Krebstherapie spielt die Ernährung eine wichtige Rolle. Wie diese aussehen sollte, darüber hat der Onkologe und Ernährungsmediziner Patrick Clemens vom LKH Feldkirch mit dem ORF Vorarlberg gesprochen.

ORF Vorarlberg: Herr Clemens, wie kann man mit Hilfe der Ernährung einer Krebserkrankung vorbeugen?

Patrick Clemens: Ein großes Thema bei der Prävention ist das Übergewicht, das fördert nämlich das Risiko für Krebserkrankungen. Wichtig ist auch eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Vitaminen. Zu empfehlen sind saisonale Lebensmittel, Hülsenfrüchte, Nüsse, frische und regionale Produkte – es ist auch im Sinne der Ökologie und Ökonomie, regionale Produkte zu verwenden. Man weiß auch, dass verarbeitetes Fleisch die Krebsinzidenz erhöht. Zudem gibt es Daten, die zeigen, dass ballaststoffreiche Kost das Risiko für Darmkrebs reduziert und dass insbesondere Alkohol in großen Mengen das Risiko für Tumore vor allem im Hals-, Nasen- und Speiseröhrenbereich erhöht.

OA Dr. Patrick Clemens, LKH Feldkirch
Vorarlberger Landeskrankenhäuser
Patrick Clemens ist Oberarzt in der Abteilung für Strahlentherapie und Radio-Onkologie am LKH Feldkirch. Der Facharzt und diplomierte Ernährungsmediziner leitet außerdem das dortige Ernährungsteam.

ORF Vorarlberg: Es sind also mehrere Punkte entscheidend, unter anderem auch die Reduktion von verarbeiteten Fleischwaren und rotem Fleisch. Kann auch eine fleischfreie also vegetarische Ernährung oder gar eine vegane Ernährung gesundheitsdienlich sein und Krebs vorbeugen?

Patrick Clemens: Also prinzipiell ist es das Wichtigste sich mit Ernährung zu beschäftigen. Und es gibt natürlich wissenschaftliche Daten dazu, dass ein hoher Konsum von rotem und verarbeitetem Fleisch schlecht ist und Krebs fördert. Aber gänzlich darauf zu verzichten muss man wahrscheinlich nicht, sondern es einfach nur in einem gewissen Maß und zu speziellen Anlässen genießen. Es gibt von der WHO die Empfehlung, dass man zum Beispiel nicht mehr als 500 Gramm rotes Fleisch pro Woche essen sollte. Verarbeitetes Fleisch sollte man laut WHO-Empfehlung gar nicht zu sich nehmen. Es geht bei der Ernährung aber um das Gesamtbild. Wenn ich einmal ein verarbeitetes Fleisch esse, macht das nichts.

ORF Vorarlberg: Soviel zur Vorbeugung. Wenn jetzt aber der Krebs schon da ist kommt vor allem das Thema Mangelernährung ins Spiel, also dass zu wenig Kalorien aufgenommen werden. Es wurde in einer Presseaussendung im Juni schon einmal darauf aufmerksam gemacht, dass 80 Prozent der Patientinnen und Patienten auf der Onkologie mangelernährt sind. Wie problematisch ist das Thema der Mangelernährung und wie kann man gegensteuern?

Patrick Clemens: Die Mangelernährung ist wirklich sehr evident. Das ist der große Unterschied zur gesunden Bevölkerung, wo das Übergewicht ein großes Problem ist. Wobei man da sehr differenzieren muss, denn eine Mangelernährung heißt nicht zu wenig Gewicht. Eine Mangelernährung besteht auch, wenn die Patienten wenig Muskelmasse haben. Es kann also sehr wohl ein Patient, der ein BMI (Body-Mass-Index) von über 30 hat, mangelernährt sein. Und ja, es stimmt, dass vier von fünf Patienten bei uns auf der Station eine Mangelernährung haben, daher ist es ganz wichtig, dass man eine Ernährungstherapie in das Therapiekonzept integriert, damit die Patienten genug Nährstoffe zu sich nehmen. So können sie die Therapie besser vertragen, bekommen weniger Infekte während der Therapie und haben schlussendlich dann bessere Prognosen.

ORF Vorarlberg: Wie viel Prozent der Todesfälle im Zusammenhang mit Krebs könnten mit der richtigen Ernährung verhindert werden?

Patrick Clemens: Zu dieser Frage gibt es keine dezidierte wissenschaftliche Antwort. Es gibt dazu aber eine Studie aus der Schweiz. Die Untersuchung hat gezeigt, dass wenn bei hospitalisierten Patienten eine Ernährungsintervention gemacht wird, nach 30 Tagen drei Prozent der Todesfälle verhindert werden können. Bei Krebspatienten dürfte der Effekt vielleicht noch ein bisschen höher sein. Die Botschaft ist klar: Wenn man auf die Ernährungstherapie schaut und die Patienten individuell ernährt, hat das einen Vorteil für die Patienten.

ORF Vorarlberg: Beim Thema Ernährung und Prävention kommt natürlich auch immer wieder mal die Frage nach Nahrungsergänzungsmitteln ins Spiel. Inwiefern können die gesundheitsdienlich sein?

Patrick Clemens: Bei Nahrungsergänzungsmitteln muss man sehr aufpassen, insbesondere bei der onkologischen Therapie. Es gibt Supplemente, gerade Antioxidantien, die man während der Therapie nicht einnehmen sollte. Da ist meine Empfehlung: Alle Supplemente mit dem behandelnden Arzt besprechen und gemeinsam mit ihm entscheiden, ob es sinnvoll ist, diese zu nehmen. Es gibt Studien, die zeigen, dass die Patienten durch gewisse Supplemente eine schlechtere Prognose haben. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt.

ORF Vorarlberg: Gibt es noch etwas, auf das Sie speziell aufmerksam machen wollen?

Patrick Clemens: Wichtig ist, dass wir unsere Patienten immer individuell behandeln. Da benötigen wir ein sehr interdisziplinäres Team, wo alle Berufsgruppen, also Diätologen, Pfleger, Ärzte, Physiotherapeuten und Logopäden mit an Bord sind. Es ist sehr wichtig, dass wir gemeinsam als Team im Krankenhaus für unsere Patienten da sind um ein besseres Ergebnis zu erreichen.

Über Krebs und Ernährung hat Patrick Clemens auch bei den 5. Feldkircher Onkologietagen gesprochen. Bei dem Fachsymposium haben sich am 25. und 26. November renommierte Expertinnen und Experten aus dem In- und Ausland im Montforthaus in Feldkirch getroffen und ausgetauscht.