Illustration zu den Themen Hitze / Trockenheit / Dürre / Klimawandel. Im Bild: Ein Landwirt pflügt auf einem trockenem Feld
APA/HELMUT FOHRINGER
APA/HELMUT FOHRINGER
Wissenschaft

Meteorologe: Extremwetter werden zunehmen

Der Klimawandel schreitet voran und die Folgen werden auch in Vorarlberg immer deutlicher zu spüren sein. Die Menschen müssen sich darauf einstellen, dass Extremwetterereignisse zunehmen werden, sagt der Hohenemser Meteorologe und Wissenschaftsjournalist Andreas Jäger im Interview mit ORF Vorarlberg.

ORF Vorarlberg: Egal was die Vorarlbergerinnen und Vorarlberger derzeit tun, der Klimawandel schreitet vorerst unaufhaltsam voran. Auf was muss man sich hierzulande in den nächsten Jahren gefasst machen?

Andreas Jäger: Auf mehr Extremwetterereignisse jeglicher Art. Der Niederschlag wird stärker als er früher war. Das haben wir gerade diesen Sommer am 19. August mit dem Niederschlagsrekord in Vorarlberg von 212 Liter pro Quadratmeter in 24 Stunden erlebt. Das hat man vorher noch nie gemessen und das ist kein Zufall. Die Luft ist wärmer geworden und kann mehr Wasserdampf aufnehmen. Dadurch fällt der Niederschlag stärker aus. Auf das muss man sich gefasst machen. Dementsprechend natürlich auch auf die ganzen Gefahren wie Hangrutschungen oder Murenabgänge. Gleichzeitig gibt es aber auch, und das ist das Verrückte, mehr Trockenheit. Es wird sicher auch häufiger einen Sommer geben, der sehr sehr trocken ist.

Meteorologe Andreas Jäger
ORF
Andreas Jäger ist Meteorologe und Wissenschaftsjournalist. Der gebürtige Hohenemser lebt mittlerweile in Wien. Jäger hielt am Freitag im Rahmen des Vorarlberger Agrarforums einen Vortrag zum Thema Klimaveränderung.

ORF Vorarlberg: Sie haben ein Buch über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Alpen geschrieben. „Die Alpen im Fieber“ lautet der Titel. Wie wird sich denn der Wandel auf die Alpen auswirken?

Andreas Jäger: Die Auswirkungen auf die Alpen sind ganz extrem, weil die Alpen wie ein empfindliches Thermometer sind. Dort merkt man den Klimawandel am ärgsten. Bis jetzt war es ja ganz cool, weil dadurch, dass es wärmer ist, ist die Vegetationsphase in den Tälern auch länger ist und mehr wächst. Jetzt geht es aber in eine Richtung, wo das Ganze schon zu viel wird. Speziell die Wälder werden es extrem merken, besonders die Fichten halten das neue Klima nicht aus, weshalb man die Wälder umbauen muss. Das ist ein riesen Aufwand. Die eigentliche Frage ist aber, welche Auswirkungen die Veränderungen in den Alpen dann wiederum haben werden. Die Alpen sind der Wasserturm Europas, denn ohne die Alpen gibt es keinen Rhein, keine Donau und keinen Po. Wenn die Alpen ihre Fähigkeit verlieren, Schnee zu speichern, drohen diese Flüsse auszutrocknen. Wenn es im Winter weniger schneit und mehr regnet, ist das Depot weg. Die Alpen sind also von immenser Bedeutung für ganz Europa.

ORF Vorarlberg: Also gravierende Auswirkungen, wenn nicht die Notbremse gezogen wird. Aber welche Maßnahmen wären geeignet? Die Protestbewegung „Letzte Generation“ fordert zum Beispiel Tempo 100 auf der Autobahn. Das wäre anscheinend schnell umsetzbar und würde viel bringen. Welche Maßnahmen müssten Ihrer Meinung nach jetzt gesetzt werden?

Andreas Jäger: Jedenfalls Maßnahmen die man kennt, wie zum Beispiel weniger Fleisch essen, weniger Autofahren und Tempo 100 auf der Autobahn wäre wirklich so einfach. Wir haben das in Vorarlberg schon gehabt. Es bringt wirklich irrsinnig viel, weil die Reibung mit dem Quadrat der Geschwindigkeit zunimmt. Das ist ein irrsinnig großer Effekt. Ich verstehe nicht, dass man das nicht einfach machen kann. Das wäre ganz, ganz easy. Wir müssen schauen, dass wir in der Wirtschaft auf lange Sicht in einen Kreislauf kommen. Wir haben im Moment zum Beispiel nur 12 Prozent der Wirtschaft im Kreislauf. Das müssen wir wesentlich erhöhen. Und wir müssen raus aus Kohle, Öl und Gas. Also das, was jetzt sozusagen durch den Krieg in der Ukraine angestoßen wurde, müssen wir konsequent weiterverfolgen und dann schaffen wir das. Wir schaffen die Kurve.

ORF Vorarlberg: Es geht ja nicht nur darum, den Ausstoß von CO2 zu stoppen, sondern auch darum, das CO2 wieder aus der Luft zu holen. Wie kann das gelingen?

Andreas Jäger: Es ist natürlich das Gebot der Stunde, dass wir diesen ganzen CO2-Müll, den wir vor allem seit 150 Jahren in die Luft gebracht haben, wieder rausholen. Und das geht ganz einfach, wie seit 4,5 Milliarden Jahren, mit der Photosynthese. Wenn eine Pflanze wächst, nimmt sie CO2 auf und baut das „C“ in ihre Biomasse ein. Sobald eine Pflanze wächst hat sie also CO2 aus der Luft genommen. Dadurch wird CO2 in der Luft reduziert. Wenn man jetzt aus der Biomasse Pflanzenkohle herstellt hat man dort reinen Kohlenstoff. Wenn ich den in den Boden eintrage, dann bleibt das dort liegen und geht nicht in die Luft. Damit kann ich den Humus wieder aufbauen. Die Humusschicht, die über die Jahr immer dünner geworden ist, kann also wieder anwachsen. Ich kann den Kohlenstoff der Pflanzenkohle aber für verschiedene Materialien verwenden, zum Beispiel Sand oder Beton. Die C-Atome sind dann also im Beton und das wäre dann quasi grüner Beton, weil ich die Kohlenstoff-Atome die vorher in der Luft waren, jetzt im Boden habe. Plötzlich wird das Gebäude aus Beton zur CO2-Senke. Da habe ich viele Möglichkeiten. Die Landwirtschaft wird ein großer Teil der Lösung sein.

ORF Vorarlberg: Menschen, die sich aus Protest an die Straße kleben oder Kunstwerke beschmieren. Gehen diese Aktionen zu weit oder sind sie angesichts der drohenden Katastrophe gerechtfertigt?

Andreas Jäger: Da ringe ich immer mit mir selber. Das ist eine echte Grauzone. Aber grundsätzlich ist es irgendwo gerechtfertigt. Anscheinend ist es notwendig, dass die Menschen und die Politiker endlich wachgerüttelt werden. Das ist das Problem. Also anscheinend braucht es jetzt diesen zivilen Ungehorsam. Das hat aber natürlich alles Grenzen. Das ist wirklich eine Grauzone. Aber ich habe bis zu einem gewissen Grad große Sympathien dafür.