RECORD DATE NOT STATED Freilandhaltung von Mastgänsen – weiße Gänse drängen sich um ein Wasserbecken herum und saufen Wa
IMAGO/Countrypixel
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Brauchtum

Martinstag: Schulden mit Gänsen beglichen

Der Martinstag am 11. November war im bäuerlichen Jahreskalender seit dem frühen Mittelalter von besonderer Bedeutung. Allerdings nicht nur im positiven Sinne: Die Bauern fürchteten den Tag als jenen, an dem sie ihre Schulden begleichen mussten. Dabei spielten Gänse eine besondere Rolle: Oftmals wurden die offenen Beträge mit Gänsen abgedeckt.

Dieser Tauschhandel wurde auf Viehmärkten durchgeführt, die am Martinstag lange Tradition haben. Für die Stadt Bludenz sei beispielsweise belegt, dass am Martinstag noch in den 1930er Jahren rund 400 Stück Großvieh aufgetrieben wurden, erzählt Historiker Christof Thöny vom Stadtmuseum Bludenz.

„Begleichung auf Martini“

Der Martinstag galt für die Bäuerinnen und Bauern als wichtigster Lostag, um ihre Schulden zu begleichen. Bevor es Banken gab, liehen sich die Bauern Geld von Privatpersonen. Dabei wurden alle Schuldverträge mit der Klausel „Begleichung auf Martini“ ausgestattet. „Für die Bauern war der Martinstag ein gefürchteter Tag, nicht nur ein Feiertag“, beschreibt Thöny. Zudem seien am Martinstag traditionellerweise Saisonarbeiterinnen und -arbeiter und Schwabenkinder nach Hause zurückgekehrt.

Martins Versteck: Verrat durch Gänse eine Legende

Am „Tag der Abgaben“ wurden Teile der Schulden auch mit Gänsen bezahlt. Daher komme auch die Tradition der Martinigans. Dass der Heilige Martin vom Geschnatter der Gänse verraten wurde, als er sich in einem Stall vor seinen bevorstehenden Aufgaben als Bischof versteckte, sei eine Legende, die sich erst spät einbürgerte.

Martinimarkt als „Marketing-Strategie“

„Martinimärkte gab es also schon früher“, bestätigt Thöny. Allerdings nicht in der Form, wie man sie heute kennt. Die Martinimärkte mit jahrmarktähnlichem Charakter gäbe es erst seit dem späteren 20. Jahrhundert. Dabei handle es sich um eine Marketingstrategie, beschreibt Petra Zudrell vom Stadtmuseum Dornbirn.

Der Dornbirner Martinimarkt bestehe in seiner heutigen Form so beispielsweise erst seit 1974. Bei Veranstaltungen verweise man allerdings oftmals auf mittelalterliche Bräuche und instrumentalisiere diese für Marketingzwecke, sagt Zudrell.

Heiliger Martin als einer der populärsten Heiligen

„Martin ist einer der populärsten Heiligen überhaupt“, beschreibt der Historiker und Theologe Thöny. Darstellungen von ihm seien in sehr vielen Kirchen zu finden: „Er war eine Identifikationsfigur für den Adel und das einfache Volk“, sagt Thöny. Das mache ihn besonders populär.

Einerseits wecke die Geschichte, dass Martin seinen Mantel mit einem Bettler geteilt habe, Sympathie. Andererseits gilt der Heilige Martin als Viehpatron und Beschützer aller landwirtschaftlichen Tätigkeiten. Vor diesem Hintergrund seien auch die Viehmärkte am Martinstag zu sehen, erklärt Thöny die Geschichte der Martinimärkte.

Begriff „Kapelle“ nach dem Heiligen Martin benannt

Das Wort „Kapelle“, die Bezeichnung für kleinere Kirchen, gehe ebenfalls auf den Heiligen Martin und seinen Mantel zurück. Der lateinische Begriff „cappa“ könne nämlich nicht nur mit „Kappe“, sondern auch mit „Kapuzenmantel“ übersetzt werden. Der Kapuzenmantel, den der Heilige Martin geteilt haben soll, gelte als eine der wichtigsten Reliquien. Dort, wo man dieses Heiligtum aufbewahrte, habe man ein Gebäude errichtet – eine Kapelle.

Laternen Umzug
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Lichterprozessionen mit langer Geschichte

Die sogenannten Laternenumzüge, die bis heute insbesondere in Kindergärten abgehalten werden, haben eine lange Tradition. So soll der Leichnam des Heiligen Martin nach seinem Tod mit einem Schiff nach Tours gebracht worden sein – von Lichtern begleitet. Die Lichterprozessionen seien ein altes Brauchtum, der bis heute weit verbreitet sei. „Solche Prozessionen gibt es überall, wo der Heilige Martin verehrt wird“, betont Thöny.

Faschingsbeginn hat nichts mit Heiligen Martin zu tun

Der Faschingsbeginn, der ebenfalls am 11. November gefeiert werde, habe keine Verbindung mit dem Martinstag, betont Thöny. Die traditionelle alemannische Fasnacht beginne erst nach Dreikönig. Den Fasching bereits im November einzuläuten, sei eine Tradition aus Deutschland, die man in Österreich eingebürgert habe.