Simulationsexperte Nikolas Popper im Interview
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Coronavirus

Simulationsforscher: Jetzt wirken andere Strategien

Im Vergleich zu den beiden Vorjahren verläuft der Herbst in Bezug auf das Covid-Infektionsgeschehen bisher ruhig. Der Simulationsforscher Nikolas Popper rechnet in naher Zukunft zwar nicht mit Lockdowns, wohl aber mit einer starken Belastung des Gesundheitssystems. Allerdings seien jetzt auch andere Strategien als vor zwei Jahren wirksam.

Laut Covid-Dashboard des Landes sind derzeit 620 Menschen in Vorarlberg positiv getestet. Zum Vergleich: Im März waren mehr als 20.000 Menschen positiv. Die Situation ist auch in den Krankenhäusern deutlich ruhiger, derzeit werden 22 Covid-Patientinnen und -Patienten behandelt, einer von ihnen auf der Intensivstation.

Auch das Abwasser-Monitoring und die Sieben-Tage-Inzidenz zeigen deutlich weniger Infektionen: Derzeit liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei 226 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, Anfang Oktober war sie fast viermal so hoch. Inzwischen sind 36.000 Vorarlbergerinnen und Vorarlberger bereits viermal geimpft.

Die ausbleibende CoV-Herbstwelle

Im Vergleich zu den letzten zwei Jahren ist der diesjährige Herbst sehr entspannt. Die CoV-Welle dürfte in Vorarlberg schon überstanden sein.

Rechenmodelle berieten Bundesregierung

Bereits vor zweieinhalb Jahren erklärte der Simulationsforscher Nikolas Popper von der Technischen Universität Wien die Entwicklung der Pandemie anhand von Rechenmodellen und Algorithmen – quasi anhand der Abbildung einer virtuellen Bevölkerung. Mit seinen Modellen beriet er auch die Bundesregierung. Dafür wurde er von Maßnahmengegnern kritisiert und bedroht. Unter anderem wurden nämlich anhand seiner Berechnungen Entscheidungen über die Maskenpflicht oder den Wegfall der Quarantäne getroffen.

Nikolas Popper im „Vorarlberg heute“-Interview:

Simulationsforscher Popper über CoV-Lage

Der Simulationsforscher Nikolas Popper spricht unter anderem über CoV und ob eine nächste Welle bald kommen wird. Des Weiteren erzählt er, was die Wissenschaft von zwei Jahren Pandemie gelernt hat.

ORF Vorarlberg: Von Corona ist derzeit kaum die Rede. Wann kommt denn die nächste große Welle?

Nikolas Popper: Na ja, das ist immer schon so eine leichte Suggestivfrage: große Welle. Aber wir haben jetzt durch das schöne Wetter so eine flache Bewegung. Und wenn es schlechter wird, dann steigt die Welle noch einmal an, und dann wird es runtergehen, und dann kommt die nächste, wenn eine neue Variante sich ausbreitet. Aber das steht in den Sternen, wann das genau passieren wird.

ORF Vorarlberg: Sie berechnen Szenarien. Was steht uns denn da heuer bevor, in diesem Winter?

Nikolas Popper: Na ja, ich glaube, das Entscheidende ist, dass es gar nicht mehr so – und das klingt jetzt vielleicht ein bisschen seltsam – um die exakte Prognose der Welle geht, sondern das, was wir auch schon im Frühling gesagt haben: Wir haben eine starke Belastung im Gesundheitssystem auf den Normalstationen – von Menschen, die wegen Covid-19, aber auch von Menschen, die mit Covid-19 im Krankenhaus sind. Es braucht einfach mehr Aufwand, diese Menschen auch geeignet zu schützen, aber auch zu behandeln. Und das, was wir schon sehen ist: Wir haben eine starke Belastung im System, und das wird im Herbst durch Grippe, durch andere Infekte auch noch stärker werden. Das heißt, da müssen wir, glaube ich, sehr genau darauf schauen, dass eben nicht die Behandlungen auch in anderen Bereichen darunter leiden werden.

ORF Vorarlberg: Zwei Jahre Corona-Pandemie – was hat die Forschung, was hat die Wissenschaft, was haben Sie daraus gelernt?

Nikolas Popper: Wir haben einen extremen Fortschritt gemacht, damit rede ich jetzt nicht von unserer Gruppe allein, sondern von der Wissenschaft. Also wir haben enge Kooperationen, das Abwassermonitoring ist eingeführt worden. Also wir haben in der Wissenschaft schon sehr gut gelernt, wie man zum Beispiel die Ausbreitung von verschiedenen Varianten berechnen kann. Wir können uns sehr gut anschauen, wie Interventionen funktionieren. Da sagen die Zuseherinnen und Zuseher jetzt: Und was habe ich davon? Direkt leider nichts, sondern wir müssen jetzt schauen, dass man wirklich gemeinsam – Wissenschaft und Entscheider – das dann auch für die Zukunft besser auf die Straße bringen. Weil wenn man sich das retrospektiv anschaut, und das werden wir tun müssen und auch sollen, dann wissen wir, dass nicht immer alles optimal gelaufen ist.

ORF Vorarlberg: Wir haben ja jetzt schon einiges durchgemacht: Lockdown, Quarantäne, Maskenpflicht. Auf was müssen wir uns denn einstellen?

Nikolas Popper: Sie meinen jetzt in naher Zukunft? Auf keine Lockdowns und auf keine solchen Dinge. Aber man muss sehen, und das können wir in dem Modell: Wir haben eine virtuelle Bevölkerung, wir können wirklich abbilden, was in der Realität passiert. Und wir haben jetzt ganz andere Mechanismen, die funktionieren – weil wir geimpft sind, weil wir Therapien haben und weil wir schon lange mit diesem Virus zu tun hatten. Das heißt, wir kommen jetzt in einem Bereich, wo andere Strategien funktionieren, als sie vor zwei Jahren funktioniert haben. Das bedeutet aber wiederum nicht, dass die Strategien damals grundsätzlich falsch waren. Da werden oft auch jetzt von manchen Menschen Äpfel mit Birnen verglichen. Also wir haben jetzt einfach ein anderes System, und das können wir im Modell ganz gut abbilden und damit müssen wir jetzt reingehen. Covid ist jetzt ein Baustein in der Gesundheitsproblematik.