Ankunft der Flüchtlinge am 19.03.2022 am Sonderpädagogischen Zentrum in Hohenems
Maurice Shourot
Maurice Shourot
Politik

Asylsituation anders als 2015

2.055 Geflüchtete aus der Ukraine sind derzeit in Vorarlberg – 45 mehr als in der Vorwoche. Dabei handelt es sich überwiegend um Frauen mit Kindern. Trotz der deutlichen Zunahme an Asylanträgen sei die derzeitige Situation aber nicht mit der „Flüchtlingskrise“ von 2015/2016 vergleichbar, sagen Experten.

Geflüchtete aus der Ukraine machen den Großteil aller Menschen in der Grundversorgung in Vorarlberg aus. Insgesamt erhalten momentan rund 2.900 Menschen eine Leistung aus der Grundversorgung. Dieses Bild zeigt sich in ganz Österreich: Laut Zahlen des Innenministeriums befinden sich derzeit 91.000 Menschen einem Grundversorgungs-Quartier – davon stammen 57.000 Menschen aus der Ukraine.

Laut einer Anfragebeantwortung im Nationalrat aus dem September wohnen 45.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Privatunterkünften, 12.000 in einem organisierten Quartier. Diese Zahlen zeigen laut Lukas Gahrtleitner-Gertz von der Asylkoordination Österreich eines: Sie sind zwar hoch, aber mit der Flüchtlingskrise 2015 nicht vergleichbar.

Mehr Menschen nach Österreich gekommen

Drei Zelte stehen in der Polizeischule Feldkirch. Sie sind zwar nicht bezogen, aber laut Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) nötig, weil sich manche Bundesländer teilweise über der Belastbarkeitsgrenze befinden, was die Unterbringung von Asylwerbern betrifft – das wäre also vergleichbar mit dem Jahr 2015. Laut Innenministerium haben heuer allein zwischen Jänner und September 71.885 Menschen Asyl in Österreich beantragt.

Dazu kommen 56.000 Geflüchtete aus der Ukraine, die keinen Antrag stellen müssen. Macht zusammen mehr als 130.000 Menschen, die nach Österreich geflohen sind. Zum Vergleich: 2015 gab es 88.340 Asylanträge. Auch die Zahl der Menschen in der Grundversorgung lässt auf den ersten Blick einen Vergleich mit der Flüchtlingskrise zu. Im Jahr 2017 erhielten 78.948 Menschen eine Leistung aus der Grundversorgung. Heute sind es eben 91.000.

Verteilungskrise – aber mit viel geringeren Zahlen als 2015

Lukas Gahrtleitner-Gertz entgegnet: „Wir sehen zwar wie damals eine gewisse Verteilungs- und Versorgungskrise. Aber mit Zahlen, die viel geringer sind als 2015.“ Unter den 91.000 Menschen mit einer Leistung aus der Grundversorgung befinden sich nur rund 20.000 klassische Asylwerber, also aus Ländern wie Afghanistan und Syrien – 680 davon leben in Vorarlberg.

„Seit Juni gab es 50.000 Asylanträge in Österreich. Aber in der Grundversorgung sind nur 3.500 dazu gekommen“, fährt Gahrleitner-Gertz fort. Allein in der Vorwoche wurden 4.500 Asylanträge registriert, in der Grundversorgung sind aber nur 180 Menschen gelandet.

Der Experte erklärt: „Österreich ist oft nicht das Zielland, sondern der Süden Europas. Die Menschen gehen zum Beispiel nach Frankreich, Spanien oder Italien.“ Dort scheinen sie aber nicht im Asylsystem auf. Das heißt: Sie haben im Vergleich zu Österreich wesentlich weniger offizielle Asylanträge. „Das ist ein neues Phänomen. Deshalb sind Vergleiche mit 2015 nicht unbedingt gültig“, betont Gahrtleitner-Gertz.

557 Ukrainerinnen und Ukrainer haben einen Job

In Vorarlberg verteilen sich die Schutzsuchenden auf 78 Gemeinden. Vom Arbeitsmarktservice (AMS) Vorarlberg sind bereits für 557 ukrainische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger Beschäftigungsbewilligungen für heimische Betriebe ausgestellt worden, wie Sicherheitslandesrat Christian Gantner (ÖVP) erläutert. Sie scheinen in der Statistik nicht mehr auf, weil sie keine Grundversorgung mehr benötigen. Zusätzlich sind 339 weitere Ukraine-Geflüchtete derzeit beim AMS Vorarlberg vorgemerkt.

Unterstützung für private Quartiere gefordert

Vorarlberg ist insgesamt eine Ausnahme: Hier leben 40 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer privat und 60 Prozent in organisierten Quartieren, zu Beginn des Kriegs war das Verhältnis noch umgekehrt. Österreichweit ist die Zahl in Privatquartieren zuletzt zwar etwas zurückgegangen, aber es leben immer noch fast 80 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer privat. Im Juni waren es 92.

Der Innenminister hatte zuletzt berichtet, dass Familien, die oftmals schon seit einem halben Jahr ukrainische Flüchtlinge beherbergen, wegen der hohen Energiekosten zunehmend um deren Wechsel in die Länderbetreuung bitten. Die Asylkoordination warnt zusammen mit anderen Hilfsorganisationen wie der Diakonie und der Caritas davor, dass der Trend weiter in diese Richtung geht. Die Organisationen fordern mehr Unterstützung für private Quartiergeber – zum Beispiel einen steuerlichen Absetzbetrag.

Weiterhin Bedarf an privaten Wohnraumangeboten

Bedarf an privaten Wohnraumangeboten für ukrainische Flüchtlinge bestehe weiterhin. Privatpersonen, die ukrainischen Geflohenen eine Unterkunft zur Verfügung stellen wollen, können dies durch ein praktisches Online Formular registrieren. Die Kontaktaufnahme erfolgt anschließend durch die zuständige Stelle, eine zusätzliche telefonische Kontaktaufnahme ist nicht notwendig.

Wer auf der Suche nach einer Unterkunft für ukrainische Verwandte oder Freunde ist, kann sich an fluechtlingshilfe@caritas.at wenden. Wer allgemeine Hilfeleistungen zur Verfügung stellen möchte oder solche benötigt – z.B. Sachspenden, Dolmetschertätigkeiten, helfende Hände, Rechtsberatung etc. –, wendet sich per E-Mail bitte an: hilfe.ukraine@vorarlberg.at