Kultur

Tractatus an deutsche Autorin Marie Luise Knott

Die deutsche Autorin, Kritikerin und Übersetzerin Marie Luise Knott wird in diesem Jahr mit dem Essay-Preis Tractatus des Philosophicum Lechs ausgezeichnet. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert.

Knott erhält den Preis exemplarisch für ihr Werk „370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive. Hannah Arendt und Ralph Ellison“, wie das Philosophicum am Dienstag mitteilte. Knotts Werk werfe neue Sichtweisen auf brandaktuelle Debatten um Rassismus und Identitätspolitik, hieß es.

Marie Luise Knott
privat
Marie Luise Knott

Brief von Hannah Arendt an Ralph Ellison

Die 69-jährige Knott setzt in ihrem Buch die Gedankenwelt der deutsch-jüdisch-amerikanischen Philosophin Hannah Arendt sowie des afroamerikanischen Schriftstellers Ralph Ellison vor dem historischen Hintergrund in Relation. Als Ausgangspunkt für ihren ideengeschichtlichen Essay nimmt Knott einen tatsächlich von Arendt an Ellison geschriebenen Brief, in dem sie sich entschuldigt.

Arendt hatte 1959 einen Aufsatz veröffentlicht, in dem sie zu den Ereignissen in Little Rock im Jahre 1957 Stellung nahm. Damals musste die Nationalgarde einschreiten, als Protestierende höchst aggressiv schwarze Jugendliche am Schulbesuch hindern wollten. Ellison quittierte Ausführungen Arendts mit scharfer Replik. „Sie haben völlig Recht“, gestand Arendt in ihrem Brief ein. Sie habe die Komplexität der Lage nicht verstanden.

Gegensätzlichen Standpunkte analysiert

Marie Luise Knott beleuchtet die Hintergründe von Hannah Arendts Brief anhand 17 erhellender „Hinweise“. Sie analysiert die gegensätzlichen Standpunkte und setzt sie bezüglich unterschiedlicher Erfahrungshorizonte in Kontext, dabei entfaltet die Autorin tiefgreifende Reflexionen. Auch auf Gemeinsamkeiten von Arendt und Ellison wird verwiesen. Titelgebend für das im Verlag Matthes & Seitz Berlin erschienene Buch ist, dass Arendt und Ellison nur einen Zahlendreher entfernt in derselben Straße in New York wohnten: Arendt in der Nähe der Columbia University und Ellison weiter nördlich in Harlem.

Buch von Marie Luise Knott
Matthes & Seitz

Knott gelinge es, „den eigenen Anspruch einer ‚Gedankenexkursion‘ stilsicher und kenntnisreich einzulösen“, befand die dreiköpfige „Tractatus“-Jury Barbara Bleisch, Michael Krüger und Thomas Vasek. „Wie sich Gesellschaften nachhaltig verändern lassen und wie wir lernen, uns als Gleiche anzuerkennen, ist die Kernfrage, bei der Marie Luise Knott ansetzt“, würdigte die Jury die hohe Relevanz und Aktualität des Werks.

14. „Tractatus“-Preisträgerin

Mit ihrem Buch setzte sich Knott gegen die sechs anderen Nominierten durch – gegen den in Wien geborenen Thomas Macho, Christian Bermes, Eduard Kaeser, Barbara Schmitz, Peter Sloterdijk und Natan Sznaider. Die 69-Jährige ist die 14. „Tractatus“-Preisträgerin, die zuletzt verliehenen Auszeichnungen gingen an Christoph Möllers (2021), Roberto Simanowski (2020) und Lisa Herzog (2019).

Überreicht wird der Preis am 23. September im Rahmen des Philosophicum Lech, das sich heuer in seiner 25. Auflage von 20. bis 25. September mit dem Thema „Der Hass. Anatomie eines elementaren Gefühls“ auseinandersetzt.

Jury v.l. Konrad Paul Liessmann als nicht stimmberechtigter Juryvorsitzender, Thomas Vašek, Barbara Bleisch, Michael Krüger und der Obmann des Vereins Philosophicum Lech Ludwig Muxel
Philosophicum Lech
Die Jury: v.l. Konrad Paul Liessmann als nicht stimmberechtigter Juryvorsitzender, Thomas Vašek, Barbara Bleisch, Michael Krüger und der Obmann des Vereins Philosophicum Lech, Ludwig Muxel.