Peter Filzmaier
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Politik

Filzmaier: Bitschi war nicht so aggressiv wie Kickl

Im ersten Vorarlberg heute-Sommergespräch dieses Jahres hat sich FPÖ-Chef Christof Bitschi den Fragen von Gerd Endrich gestellt. Politikwissenschafter Peter Filzmaier hat sich das Gespräch angehört und die Antworten von Bitschi analysiert.

ORF Vorarlberg: Herr Filzmaier, wir haben viele große Themen gehört in diesem Sommergespräch. Christof Bitschi sprach über die Teuerung, über Fachkräftemangel, über Wohnkosten. Wie bewerten Sie seine Vorschläge?

Filzmaier: Oppositionspolitiker, und so war es auch bei Christof Bitschi, sind gut beraten, wenn sie problemorientiert und weniger lösungsorientiert sind. Wenn er sagt, dass die Teuerung ein massives Problem ist, erntet er breite Zustimmung. Präsentiert er konkrete Lösungsvarianten, ergibt sich erstens das Risiko, dass diese Lösungsvorschläge vielleicht nicht ganz so gut sind. Und vor allem verliert er Zustimmung. Denn vielleicht ist für eine Gruppe Lösung A besser, für eine andere aber Lösung B.

ORF Vorarlberg: Christof Bitschi spricht sich gegen die CO2-Steuer aus und fordert Steuersenkungen. Diesen Punkt hat er mehrmals versucht, ins Spiel zu bringen.

Filzmaier: Er hat allgemeine Aussagen getätigt, mit denen er auf der ganz sicheren Seite ist. Es ist ja populär, weniger Steuern zu fordern, oder weniger Arbeitsbelastung, höhere Löhne, keine Wohlstandsverluste, mehr Netto vom Brutto. Da wird niemand in der Politik und in der Bevölkerung einen Gegenstandpunkt vertreten. Wie man diese Dinge erreicht, haben wir im Sommergespräch aber nicht wirklich erfahren.

ORF Vorarlberg: Auch das Verhältnis zu Herbert Kickl und der Bundes-FPÖ ist angesprochen worden. Wie haben Sie das Verhältnis von Bitschi zur Bundespartei wahrgenommen?

Filzmaier: Er hat versucht, Äquidistanz zur Bundespartei und zum Bundesparteichef zu pflegen. Er zeigte zwar keinerlei offene Kritik und ist auf Parteilinie, sowohl auf der Linie von Herbert Kickl als auch bei der Präsidentschaftskandidatur. Man hat aber doch deutlich gemerkt, dass vieles bundespolitische eher Gegner als Freund ist. Und dass er ein anderer Parteitypus in Vorarlberg ist, wo man vielleicht den in Niederösterreich lebenden Kickl, der in Wien arbeitet und Kärntner Wurzeln hat, recht wenig verträgt.

ORF Vorarlberg: Ist dieser Unterschied auch in der Wortwahl zu merken? Gerade wenn man die ORF-Sommergespräche von Christof Bitschi und Herbert Kickl vergleicht.

Filzmaier: Sowohl Kickl als auch Bitschi haben in den Sommergesprächen einen ruhigen Ton angeschlagen und nicht herumgeschrien. Aber Bitschi hat – im Gegensatz zu Kickl – vollkommen verzichtet auf Rundumschläge und Aggressivität gegen alles und jeden, der nicht bei drei auf den Bäumen ist. Er hat übrigens auch auf Kränkungen, Unterstellungen und Beleidigungen gegenüber dem ORF-Moderator verzichtet. Das war bei Kickl anders.

ORF Vorarlberg: Bitschi hat sowohl die Landesregierung als auch die Bundesregierung mehrfach kritisiert. Allerdings in unterschiedlicher Intensität. Wie bewerten Sie diese Kritik?

Filzmaier: Der Standpunkt bestimmt die Perspektive. Teilweise hat er beide im selben Atemzug kritisiert. Allerdings war die Kritik an der Landesregierung weniger scharf als am Bund. Man will offenbar langfristig strategisch gesehen nicht alle Türen zuschlagen. Denn irgendwann einmal kann sich ja die Frage stellen: Wer mit wem? Nämlich spätestens nach der nächsten Landtagswahl 2024 und den Koalitionsverhandlungen.

ORF Vorarlberg: Das Unternehmen des FPÖ-Chefs war gleich zu Beginn des Gesprächs Thema. Wird die FPÖ zur Unternehmerpartei?

Filzmaier: Christof Bitschi ist Unternehmer. Als solcher musste er auch auftreten. Er war aber gleichsam bemüht, für Arbeiter und Angestellte mit niedrigen Einkommen zu sprechen. Denn das ist die zentrale Wählergruppe der FPÖ. Diesen Spagat hat er versucht zu schaffen, indem er als Unternehmer versucht hat, Angestellte und Arbeiter geradezu zu vereinnahmen.

ORF Vorarlberg: Ein Themenkomplex hat Christof Bitschi überraschenderweise gar nicht erwähnt, nämlich Zuwanderung und Asyl. Ist das momentan einfach kein Thema?

Filzmaier: Es gibt sogenannte Themenkarrieren. Bestimmte Themen sind zu bestimmten Zeiten auf Platz eins der öffentlichen Tagesordnung und damit der medialen Diskussion. Das war beim Thema Zuwanderung ab 2015 der Fall. Momentan geht es aber eben vor allem um Wirtschafts- und Sozialpolitik aufgrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Auch da versucht die FPÖ zu punkten. Aber ihr Wunsch wäre wahrscheinlich schon, mehr über Zuwanderung zu sprechen.