Babyfüße
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Chronik

Schreibaby: Überforderung kein Einzelfall

Seit gestern sorgt ein Prozess gegen einen Vater, der seinen vier Monate alten Sohn heftig geschüttelt und ihn damit schwer verletzt hat, für Diskussionen. Der Mann wurde deswegen verurteilt. Er gab an, mit dem schreienden Baby überfordert zu sein. Dabei handelt es sich leider nicht um einen Einzelfall.

Dass Babys heftig geschüttelt werden, kommt auch in Vorarlberg immer wieder vor. Das hat nicht zuletzt dieser Prozess gezeigt. Eine genaue Statistik gibt es jedoch nicht. „Wir können etwa schätzen, dass jedes Jahr zwischen 100 und 200 Babys in Deutschland einem Schütteltrauma zum Opfer fallen“, berichtet Bernhard Jochum, Kinderfacharzt in Bludenz. Wenn man das herunterbreche, dann könne man in Österreich von zehn bis 20 Babys pro Jahr ausgehen.

Eltern können an ihre Grenzen kommen

Weinende, schreiende Babys berühren die Herzen. Eltern beziehungsweise alle Erwachsenen seien starken Gefühlen ausgesetzt, wenn Babys schreien, beschreibt Christine Rinner, Leiterin des Netzwerk Familie. „Eltern wünschen sich dann, dass es möglichst schnell aufhört. Es ist also ganz normal, wenn Eltern in dieser Situation, wenn ein Baby lang anhaltend schreit, an ihre Grenzen kommen“, erklärt Rinner.

Talk: Hilfe für Eltern von Schreibabies

Christine Rinner, Leiterin von „Netzwerk Familie“, über den Umgang mit Schreibabies und wo man Hilfe bekommt.

Wenn belastende Faktoren wie beispielsweise existenzielle Sorgen, psychische oder körperliche Erkrankungen oder Schlafentzug hinzukämen und ein soziales Netzwerk fehle, könne das große Auswirkungen haben. „Dann kann es sein, dass Eltern an ihre Grenzen kommen, überfordert sind, die Kontrolle verlieren und dann Dinge tun, die sie eigentlich nicht tun wollen“, sagt Rinner.

Schütteln kann schwerwiegende Folgen haben.

Das Schütteln von Babys ist aus medizinischer Sicht extrem gefährlich. Schon kurze, heftige Schüttler können schwerwiegende Folgen für das Kind haben. „Meist sind von diesen Vorfällen kleine Säuglinge zwischen zwei und sechs Monaten betroffen. Diese Kinder haben noch keine ausgeprägte Hals- und Nackenmuskulatur, sodass sie keine ausreichende Kopfkontrolle haben. Wenn man sie schüttelt, schlägt der Kopf peitschenartig nach vorne und hinten“, beschreibt Jochum. Dies könne zu Zerreißungen der Gefäße und zu Nervenschäden führen.

Nach Angaben des Experten sterben bis zu 30 Prozent der Babys nach einem schweren Schütteltrauma. Rund 50 Prozent tragen Folgeschäden davon – meist ein Leben lang. Und nur 20 Prozent überstehen das Schütteln ohne Probleme.

Schreibaby: Durchatmen und Unterstützung holen

Ein Familienvater ist am Dienstag zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt worden, weil er sein eigenes Baby mehrmals so stark geschüttelt hatte, dass dieses schwer verletzt wurde. Der 28-Jährige gab zu, dass er mit dem weinenden Kind überfordert war. Christine Rinner vom Netzwerk Familie hat Tipps für eine solche Situation.

Nicht alleine bleiben, sondern Unterstützung holen

Wann ein Baby ein Schreibaby sei, sei schwer zu sagen: „Die Grenzen sind fließend, je nach Belastung und Situation der Familie“, erklärt Rinner. Wenn ein Baby allerdings zwei bis drei Stunden am Tag durchgehend schreie, solle man aufmerksam sein und sich Hilfe holen.

„In einer akuten Situation würde ich Eltern raten, zuerst sich selbst zu beruhigen und das Baby an einen sicheren Ort, zum Beispiel ins Babybett, zu legen“, schlägt Rinner vor. Man solle dann beispielsweise hinausgehen – nicht zu weit weg –, durchatmen, ein Glas Wasser trinken oder körperliche Übungen absolvieren und danach wieder zum Baby schauen.

Rinner rät Eltern außerdem, nicht alleine zu bleiben und sich Unterstützung zu holen – wie beispielsweise vom Partner, den Großeltern, Verwandten, Freunden oder auch Nachbarn. Dafür müsse man sich nicht schämen. „Gerade wenn Kinder viel weinen, ist das sehr anstrengend. Man kommt an die Grenzen, es stresst extrem und da ist gut, einfach jemanden beizuziehen“, erklärt Rinner.