Mehrere Schweizer Franken-Banknoten
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Gericht

CHF-Kredite: Rückabwicklung möglich

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat den Schweizerfranken-Kredit einer Vorarlbergerin für ungültig erklärt, weil eine Klausel fehlte. Ihr Anwalt spricht von einem richtungsweisenden Urteil. Die Banken sehen das anders: Es müsse immer im Einzelfall entschieden werden.

Frau M. lebte im Oberland den klassischen vorarlbergischen Traum: Heirat, Kind, Haus. Ein solides Haus, solide finanziert, jeden Monat wird die Schuldenlast ein bisschen geringer. Bis im Jahr 2005 ihr damaliger Chef einen Vermögensberater in die Firma holte, damit dieser am Abend den Mitarbeitern vermeintlich lukrative Modelle vorstellte. Frau M. sollte dazu unter anderem ihren Kredit von Euro in Schweizer Franken umschulden. Die 2005 günstigen Wechselkurse waren für Kreditnehmer attraktiv.

Ruinös teure Fremdwährungskredite

Der Frankenkurs entwickelte sich aber anders, als erwartet. Die seinerzeit als besonders günstig beworbenen Kredite entpuppten sich als ruinös teuer. Spätestens nachdem die Bindung des Franken zum Euro 2015 aufgegeben wurde und der Euro gegenüber der Schweizer Währung in Folge abstürzte. Das Resultat für Frau M. war bitter: Aus 110.000 Euro wurden 186.000 Euro offene Forderungen – endfällig im kommenden Jahr.

Ein Notenhaufen mit 10er-, 20er- und 50er-Noten Franken
APA/Schweizerische Nationalbank/STR
Als die Franken/Euro-Bindung 2015 von der Schweizer Nationalbank aufgehoben wurde, hatten viele Fremdwährungskreditnehmer auf einen Schlag massiv höhere Schulden

OLG erklärt Kredit für nichtig

So wie Frau M. geht es vielen Vorarlbergerinnen und Vorarlbergern. Sie können jetzt aber hoffen: Das Oberlandesgericht Innsbruck hat nämlich einen Frankenkredit für nichtig erklärt. Der Vertrag muss rückgängig gemacht werden. Das hat mit einer fehlenden Klausel und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu tun.

Begründung: Der Wechselkurs fehlt

Der stellte schon vor einigen Jahren fest, dass in Fremdwährungskrediten der Wechselkurs festgeschrieben sein muss. Doch wie bei Frau M. ist in vielen Krediten lediglich die Eurosumme zu lesen; auf den Franken wird nur als Währung verwiesen. Weder die offene Summe in Franken noch ein möglicher Wechselkurs ist zu lesen.

Der Bregenzer Anwalt Daniel Wolff ist überzeugt: Das Urteil des EuGH sagt eindeutig, dass diese Art der Kreditverträge ungültig ist. Allein bei Wolff liegen rund 250 Fälle von Menschen mit Frankenkrediten. „Wir vertreten von Großunternehmern alles bis zu kleinen Pensionistinnen und Pensionisten, die vor dem Aus stehen", sagt Wolff: „Sie können sich die Rückzahlung nicht mehr leisten, manche stehen knapp vor der Pfändung. Sie alle schöpfen jetzt Hoffnung.“

CH-Frankenkredit Rückabwicklung möglich

Es war lange Zeit üblich, beim Hausbau oder Wohnungskauf einen Frankenkredit aufzunehmen. Die Konditionen waren besser als beim Euro-Kredit. Allerdings ist seit 2008 ist der Franken immer stärker geworden. Die Schulden sind also gestiegen – um mittlerweile bis zu 60 Prozent. Für Franken-Kreditnehmer gibt es aber einen Lichtblick: Das Oberlandesgericht Innsbruck hat in einem Fall den Kredit-Vertrag aufgelöst.

Vertrag muss rückabgewickelt werden

Diese Hoffnung gründet sich auf das Urteil aus Innsbruck: Eine Vorarlbergerin hat im Jahr 2006 für ihr Haus 230.000 Euro bei der Bank Austria (jetzt UniCredit) aufgenommen. Durch den Wechselkurs müsste sie jetzt aber 350.000 Euro zurückzahlen. Sie zog vor Gericht, weil in ihrem Vertrag der Wechselkurs fehlte. Am Oberlandesgericht (OLG) in Innsbruck hat sie jetzt recht bekommen, der Vertrag ist ungültig und muss rückabgewickelt werden. Ihr Anwalt Daniel Wolff ist überzeugt: „Das Urteil ist eindeutig. Es gibt viele Frankenkredite, auf die es zutrifft.“

Aktenordner mit der Aufschrift Kredit, Taschenrechner, Geld, Stift
DOC RABE Media – stock.adobe.com
Viele Kreditnehmer hoffen jetzt, dass auch ihr Fremdwährungskredit ungültig ist, wenn der Wechselkurs nicht im Darlehensvertrag steht

Banken wollen über Risiken aufgeklärt haben

Die Banken sehen es anders, natürlich auch die UniCredit. Ein Unternehmens-Sprecher erklärt auf Anfrage des ORF Vorarlberg, dass Fremdwährungskredite zwar für viele Kreditnehmer mit Vorteilen verbunden seien, aber auch mit Risiken. Über diese Risiken hätte man die Kunden aufgeklärt. Man habe den Kunden auch seit mehr als zehn Jahren laufend Umschuldungen auf Euro-Kredite angeboten.

Haller: Kunden wollen Risiko auf Banken abwälzen

Auch Vorarlbergs Bankensprecher Michel Haller betont: „Damals haben viele Frankenkredite aufgenommen, um sich Zinsen zu sparen. Das hat auch funktioniert. Aber der Franken hat sich negativ entwickelt, weshalb die Schulden umgerechnet in Euro natürlich gestiegen sind. Und hier wird von Kunden immer wieder versucht, das Risiko auf die Banken abzuwälzen.“

UniCredit will in Berufung gehen

Sowohl die Banken als auch die Kunden würden Verantwortung tragen. Und die Banken seien in der Regel ihrer Aufklärungspflicht nachgekommen. So sieht es auch die UniCredit. Sie kündigt auf ORF-Anfrage an, gegen das Urteil zu berufen. Nun entscheidet also der Oberste Gerichtshof.

Blick auf die Stiege mit der Statue der Justitia im  Justizpalast, Sitz des Obersten Gerichtshofs und des Oberlandesgerichts Wien, am Donnerstag, 19. Oktober 2017.
APA/Georg Hochmuth
Der Oberste Gerichtshof (OGH) in Wien muss jetzt entscheiden, wenn die Banken wie angekündigt gegen das OLG-Urteil aus Innsbruck berufen

Anwalt Wolff hält Urteil für richtungsweisend

Und OGH hat das schon öfter getan: Es ist nicht die erste Gerichtsentscheidung über Frankenkredite in Österreich. Bisher hat der Oberste Gerichtshof eher im Sinne der Banken entschieden. Anwalt Daniel Wolff ist überzeugt: „Bisher waren die Gerichte in dieser Frage in Österreich noch etwas schüchtern. Aber die EuGH-Urteile gelten auch für Österreich. Wir sind gespannt, was der Oberste Gerichtshof dazu sagt.“ Denn das OLG habe sich erstmals ausführlich an den EuGH gehalten. Für Wolff ist klar: „Dieses Urteil ist richtungsweisend.“

Banken: Jeder Fall muss einzeln geprüft werden

Bankensprecher Michel Haller sieht es anders. „Ich glaube nicht, dass es eine neue Prozesswelle gibt.“ Das Thema sei ja nicht neu und der OGH habe eben meistens anders entschieden. „Dem Gericht geht es um Transparenz und Information. Und die Urteile zeigen, dass es die Banken meistens richtig gemacht haben.“ Klar sei: Jeder Fall müsse einzeln geprüft werden, denn jeder Vertrag sei anders.

Rückabwicklung noch nicht geregelt

So einiges ist aber noch nicht klar: So sei z.B. unklar, wie eine Rückabwicklung von statten gehen soll. Muss zum Beispiel die Vorarlbergerin, die jetzt in Innsbruck gewonnen hat, nur die 230.000 Euro Ursprungskredit zurückzahlen? Oder kommen Zinsen hinzu, weil sie ja eine Leistung erhalten hat? Am Zug ist jetzt erneut der OGH. Nicht nur Frau M. blickt daher aus dem Oberland gebannt nach Wien.