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Mathis Fotografie
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Im Interview

Kaufmann: „Politisch die herausforderndste Zeit"

Die Dornbirner Bürgermeisterin Andrea Kaufmann (ÖVP) spricht im ORF Vorarlberg-Interview über die Teuerung, über hohe Grundstückspreise und über das Bürgermeisteramt, in dem in den vergangenen Jahren vor allem Krisenmanagement gefragt gewesen sei.

ORF Vorarlberg: In Feldkirch können nicht alle Wünsche in der Kinderbetreuung erfüllt werden. Wie sieht es denn in Dornbirn aus?

Kaufmann: Wir würden natürlich gerne alle Wünsche erfüllen. Aber wir haben alle ein massives Personalproblem im elementarpädagogischen Bereich. Das ist sowohl in Dornbirn aber auch in anderen großen Städten wie Bregenz und Feldkirch massiv. Aktuell fehlen uns für den Herbst 14 Vollzeitkräfte, also Betreuerinnen und Assistentinnen.

ORF Vorarlberg: Wie wird sich die Situation entwickeln?

Kaufmann: Ich bin noch sehr positiv gestimmt, dass wir es auf Herbst schaffen. Wir haben einen Brief an die Eltern ausgeschickt mit der Bitte, noch einmal ihre Anmeldungen zu prüfen und zu schauen, ob alles unbedingt notwendig ist oder ob man irgendwo Abstriche machen kann. Wir hoffen, dadurch ein bisschen Luft zu gewinnen. Außerdem versuchen wir, Teilzeitkräfte aufzustocken und wir sind mit pensionierten Pädagoginnen in Kontakt. Wir versuchen wirklich, Leute zu bekommen, wo es nur geht. Es werden einfach zu wenig ausgebildet. Die Situation in den nächsten Jahren wird sehr schwierig.

ORF Vorarlberg: Wie können mehr Mitarbeiterinnen für diesen Beruf gewonnen werden?

Kaufmann: Der Schlüssel wird sein, dass wir mit interdisziplinären Teams arbeiten. Ich bin der Meinung, dass wir möglichst früh mit Sozialarbeit beginnen sollen. Jetzt haben wir erstmals an Volksschulen und allen Mittelschulen Sozialarbeiterstunden. Damit können wir viel abfangen und das pädagogische Personal unterstützen. Dasselbe sollte man eigentlich schon im Kindergarten machen. Das wird kommen müssen.

ORF Vorarlberg: Muss auch an der Gehaltsschraube gedreht werden?

Kaufmann: Daran haben wir in den letzten Jahren schon mehrfach gedreht. Das Gehalt ist nicht das allergrößte Problem im Kindergarten, gehört aber zur Gesamtsituation. Die Pädagoginnen sind stärker belastet als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Es gibt mehr verhaltensauffällige Kinder, sprachliche Unterstützung ist stärker nachgefragt. Menschen aus 120 Nationen leben in Dornbirn. Der Beruf ist insgesamt sehr fordernd und manchmal fehlt auch ein bisschen die Wertschätzung.

ORF Vorarlberg: Wertschätzung von der Politik oder von der Gesellschaft?

Kaufmann: Ich hoffe nicht, dass sie von der Politik fehlt. Zumindest einmal nicht von meiner Seite. Aber es wird sehr viel gefordert, manchmal auch von den Eltern. Das Image des Berufs muss einfach aufgewertet werden. Natürlich machen wir Kampagnen dazu, es gibt auch Initiativen von den Kindergärten selbst. Aber es muss mehr in die Köpfe der Menschen rein, dass der Kindergarten eine ganz wichtige Bildungseinrichtung ist. Die Kinder werden auf die Schule vorbereitet.

ORF Vorarlberg: Ist es für die Stadt in anderen Bereichen auch so schwierig, Mitarbeiter zu finden?

Kaufmann: Wir suchen schon Mitarbeiter, aber wir bekommen sie auch. In Dornbirn gibt es bei Ausschreibungen doch noch viele Bewerbungen. Schwierig ist es im pädagogischen Bereich und in der Pflege. Da haben wir auch ein massives Problem.

ORF Vorarlberg: Haben Sie schon eine neue Leitung für die städtischen Pflegeheime gefunden?

Kaufmann: Ja. Ich bin sehr froh, im Oktober wird es einen neuen Pflegeheimleiter geben.

ORF Vorarlberg: Dornbirn steht mitten im Rheintal. Auf der einen Seite ein Berg, auf den anderen Seiten andere Städte und Gemeinden. Dazwischen ist noch ein bisschen Platz. Wie weit kann Dornbirn noch wachsen?

Kaufmann: Das Rheintal wächst zusammen, die Grenzen verschwimmen. Bei uns sind ja auch die Hangzonen zum Teil besiedelt. In Dornbirn haben wir aber Gott sei Dank noch die Möglichkeit, nach innen zu verdichten. Das wird auch das Credo für die Zukunft sein, wir sollten nämlich die Grünzonen so gut es geht erhalten.

ORF Vorarlberg: Dornbirn hat schon früh angefangen, selbst Grundstücke zu erwerben. Ist diese sogenannte aktive Bodenpolitik in Zeiten hoher Grundstückspreise überhaupt noch möglich?

Kaufmann: Ja. In Dornbirn machen wir das schon seit über 20 Jahren. Jetzt können wir bei Betriebsansiedlungen die Früchte dieser Arbeit ernten. Wir machen dieses Flächenmanagement aber nicht nur für Betriebe, sondern auch für Wohnraum, vor allem für gemeinnützigen Wohnraum. Das funktioniert nach wie vor, aber es wird schwieriger, Grundstücke zu erwerben. Allerdings weniger wegen den Preisen, sondern mehr wegen der Verfügbarkeit. Wir sind aber noch sehr aktiv.

ORF Vorarlberg: Kann Dornbirn also mit den Angeboten der privaten Wohnbauträger auf dem Grundstücksmarkt konkurrieren?

Kaufmann: Natürlich nicht. Das wollen wir auch nicht. Wir können als öffentliche Hand nicht der Preistreiber sein. Der private Bereich kann ganz andere Summen zahlen alt wir. Aber wir versuchen zum Beispiel Grundstücke zu tauschen. Das hat für viele Verkäufer den größeren Wert als der höchste Preis. Wir versuchen also schon mitzumischen, aber nicht um jeden Preis.

ORF Vorarlberg: Wie groß kann Dornbirn noch wachsen?

Kaufmann: Wir haben uns vor ein paar Jahren angesehen, wie stark wir verdichten könnten, ohne einen Quadratmeter nach außen gehen zu müssen. Das liegt so bei 70.000 Einwohnern. Wir haben also schon noch ein bisschen Luft, natürlich nur unter der theoretischen Vorstellung, dass die Grundstücke verfügbar sind. Bei der Verdichtung sprechen wir über Mehrfamilienhäuser.

ORF Vorarlberg: Ein Winter mit vielen Ungewissheiten. Stichwort: Gasversorgung. Wir wissen nicht, ob überhaupt Gas fließt, Energie sparen ist also angesagt. Welchen Beitrag kann eine Stadt wie Dornbirn dazu leisten?

Kaufmann: Wir Städte und Gemeinden müssen uns mit verschiedenen Szenarien beschäftigen. Wir müssen schauen, wo wir am Gas hängen und wie es mit der kritischen Infrastruktur aussieht. Außerdem müssen wir uns mit der Frage beschäftigen, was geschieht, wenn weniger Gas fließt oder die Preise weiter exorbitant steigen. Zur jetzigen Zeit ist ja alles möglich. In Dornbirn hängen Gott sei Dank ein Großteil der öffentlichen Gebäude am Fernwärmenetz. Aber wir haben natürlich auch noch viel Gas. Wir haben ein kleines Team gebildet, das sich alle zwei Tage trifft. Wir haben eine Plattform, um Informationen und Ideen zu sammeln, wie Energie gespart werden kann. Natürlich arbeiten wir eng mit dem Land Vorarlberg zusammen. Das Land wird gemeinsam mit dem Gemeindeverband Informationen an alle Gemeinden schicken, inklusive Tipps zum Energie sparen. Und auch die private Bevölkerung wird dazu angehalten sein, Energie zu sparen. Auch drastische Maßnahmen werden besprochen, etwa die Raumtemperatur zu senken. Ich kann nicht abschätzen, was alles nötig sein wird. Wir müssen aber auf alle Szenarien vorbereitet sein und hoffen, dass es nicht so schlimm kommt, wie es sein könnte.

ORF Vorarlberg: Welche öffentlichen Gebäude in Dornbirn hängen noch am Gas?

Kaufmann: Wir haben zwar alles auf Biogas umgestellt. Aber das nützt in dem Fall auch nichts. Wir haben doch einige Gebäude, Kindergärten und so weiter. Die kritische Infrastruktur Krankenhaus, Feuerwehr und so weiter ist an der Fernwärme. Wir haben dort auch eine Notfall Gas/Öl-Kombination und die Öl-Vorräte alle aufgefüllt. Die kritische Infrastruktur ist Okay, aber wir haben noch Kindergärten und Schulen, die am Biogas hängen.

ORF Vorarlberg: Heuer sind über 80.000 Menschen aus der Ukraine nach Österreich geflüchtet. Schon einmal – nämlich 2015/2016 – haben Vorarlbergs Gemeinden Tausende Flüchtlinge untergebracht. Was bedeutet das für eine Stadt wie Dornbirn? Merkt man, dass neue Menschen aus der Ukraine jetzt hier wohnen?

Kaufmann: Am Anfang bei der ersten großen Welle waren wir froh, dass wir gut darauf eingestellt waren. Wir mussten nicht mehr von vorne anfangen, sondern haben alle Strukturen wieder aufleben lassen. Das ging sehr schnell. Es ist ein bisschen eine andere Situation als damals. Die ukrainischen Familien sind alle sehr gut vernetzt. Sie wissen auch, wo sie sich hinwenden können sollen. Und es läuft auch in den Kindergärten und in den Schulen eigentlich sehr gut. Aber in den letzten Wochen sind eigentlich nicht mehr viel zusätzliche Flüchtlinge aus der Ukraine gekommen. Derzeit sind es rund 230.

ORF Vorarlberg: Haben die Gemeinden also von den Erfahrungen von 2015 profitiert?

Kaufmann: Ja, das ging in allen Gemeinden sehr gut. Wir haben auch noch die Flüchtlingskoordinationsstelle in allen Regionen und in den größeren Städten. Wir mussten Gott sei Dank nicht bei null anfangen.

ORF Vorarlberg: Flüchtlingskrise, dann Corona, jetzt Teuerung und Energiekrise. Wie geht es Ihnen als Bürgermeisterin? Sind sie mehr Krisenmanagerin als Gestalterin?

Kaufmann: Also in solchen Zeiten lernt man schon, wie Krisenmanagement funktioniert. Zuerst die Flüchtlingskrise, die überraschend kam. Kaum halbwegs im Griff, kommt die Corona-Pandemie. Das war ganz neu. Wir haben in der Stadt ein Einsatzleitung, in der verschiedene Krisenszenarien durchgespielt werden. Eine Pandemie lief irgendwo unter ferner liefen. Es war nicht realistisch, dass in Vorarlberg, in Österreich, in Europa eine Pandemie eine Rolle spielen kann. Der echte Einsatz war schon sehr fordernd. Vor allem am Anfang, als niemand wusste, was auf uns zukommt. Diese zwei Jahre waren schon schwierig, aber auch lehrreich. Und jetzt, als wir gedacht haben, dass wir endlich ein bisschen Luft haben, kommt der Ukraine-Krieg und die Energiekrise. Eigentlich haben wir drei Krisen nebeneinander. Wir wissen nicht, wie sich der Angriffskrieg entwickelt. Wir wissen nicht, wie sich die Pandemie entwickelt, sie ist nicht planbar. Und wir wissen nicht, wie sich die Energiekrise auswirkt. Ich bin seit über 20 Jahren in der Politik. Das ist sicher die herausforderndste Zeit, die ich je erlebt habe,

ORF Vorarlberg: Und dann gibt es noch die Teuerung. Spüren Sie in der Sozialabteilung der Stadt schon, dass sich immer mehr Menschen immer weniger leisten können, auch grundlegende Dinge?

Kaufmann: Das ist noch nicht direkt spürbar, aber das kommt noch. Wir sind erst am Anfang. Meine größte Sorge ist, dass der soziale Frieden im Land gefährdet sein könnte. Da müssen wir gegensteuern und darauf achten, dass wir Dinge abfangen, bevor uns etwas explodiert. Die Mittagessen in den Kindergärten haben sich zum Beispiel schon 20 Prozent verteuert, das kann man gar nicht weitergeben. Das fangen wir ab. Aber spätestens im Herbst werden wir darüber nachdenken müssen, die Gebühren an die hohe Inflation anzupassen. Da müssen wir die Balance finden, einerseits finanziell handlungsfähig zu bleiben, andererseits aber Rücksicht auf die soziale Lage vieler Familien zu nehmen.