Kapitän Nemos Bibliothek
©anja koehler | andereart.de
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Bregenzer Festspiele

Premiere von „Kapitän Nemos Bibliothek“ gefiel

Mit „Kapitän Nemos Bibliothek“ haben die Bregenzer Festspiele am Mittwochabend auf der ausverkauften Werkstattbühne eine Österreich-Premiere gefeiert – die Premiere gefiel.

Johannes Kalitzke komponierte die zeitgenössische Oper und interpretierte als Dirigent die Geschichte um menschliche Dramen in einer religiös-autoritären Gesellschaft auch musikalisch selbst. Für die ausgezeichneten technischen Leistungen ernteten die Künstler am Ende höflichen Applaus.

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Vorlage für das Auftragswerk der Bregenzer und der Schwetzinger SWR Festspiele ist der gleichnamige Roman des schwedischen Autors Per Olov Enquist. Julia Hochstenbach hat daraus ein bühnentaugliches Libretto gemacht. Es geht um zwei Buben im ländlichen Schweden (gespielt von Countertenor Iurii Iushkevich und Johanna Zimmer), die bei ihrer Geburt vertauscht wurden. Die Hebamme hat geschlampt und Gottes Plan soll nun vom gerechten Staat wieder hergestellt werden. Dass Blut hier dicker ist als familiäre Identität und Vertrautheit stört die Dorfgemeinschaft nicht, und auch die Mütter (beide kraftvoll gespielt von Noa Frenkel) fügen sich zunächst protestlos der kirchlich-staatlichen Autorität. Mit diesem vermeintlichen Akt der Ordnung beginnt jedoch ein Strudel aus Wahnsinn und Verzweiflung. Die Freundschaft der Buben ist zerstört, die Mütter zerbrechen an ihren traumatischen Erfahrungen.

Immer wieder wird die Handlung unterbrochen, und die Buben finden sich in „Kapitän Nemos Bibliothek“ wieder – ein mystischer Ort der Selbstreflexion, der wahren und falschen Geschichten, der vielfältigen Interpretationen des Geschehenen. Dort, wo der Schmerz am größten wird und die Ausweglosigkeit am deutlichsten, fassen sie schließlich den befreienden Schluss, den Ort ihrer Kindheit in Brand zu stecken.

Kapitän Nemos Bibliothek
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Für die Bühne hat Angela Baumgart eine Kuppel aus Glas errichtet, die auf der großen Werkstattbühne Intimität schafft und durch deren Fenster man die Welt sehen kann. Conny Klar bespielt diese mit animierten Bildern. Sie zeigen mal das schwedische Dorf, mal die mystische Unterwasserwelt der Nautilus und ermöglichen es, rasch den Übergang von der beklemmenden Küchenatmosphäre in die träumerische und zugleich schmerzhafte Innenwelt unter dem Meer zu finden.

Puppen verkörpern Hauptpersonen als Kinder

Als gestalterischer Clou verkörpern Puppen die Hauptpersonen als Kinder, denen die beiden inzwischen erwachsenen Protagonisten bei ihrem Leid zuschauen und auch manchmal tröstend zur Seite stehen. Gleichzeitig wird die Geschichte mittels der Puppen eine allgemeingültige, denn man fühlt sich nicht in sie hinein, sondern bleibt ihnen fern, betrachtet sie als etwas Beispielhaftes, als Menschen an sich. Trotz des professionellen und ideenreichen Puppenspiels sorgen die Führung der Puppen und die Verdoppelung der Protagonisten leider auch für andauerndes Gewirr auf der Bühne. Die durchgehend atonale und Sopran-orientierte Musik verhindert zusätzlich, dass man vollends in Töne und Schauspiel eintauchen kann.

Das zwölfköpfige Ensemble Modern sowie die Sängerinnen und Sänger setzen Kalitzkes Komposition allerdings präzise und technisch gekonnt um. Die elektronischen Beimischungen fügten sich reibungslos in den Klangteppich und die Komposition schafft es, die ständige Anspannung und seelische Zerrissenheit, die Unruhe und Nervosität der Figuren zu unterstreichen. Trotz dramaturgischen Potenzials und sehr guter künstlerischer Leistungen sowie einer gelungenen atmosphärischen Raumgestaltung spendet das Publikum zum Schluss nur höflichen Applaus. Bravo-Rufe gibt es dennoch für die Leistung des Ensemble Modern. Am Freitag, den 29. Juli, findet eine weitere Aufführung statt.