Kathrin Stainer-Hämmerle
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Stainer-Hämmerle: „Grüne wollten keine Neuwahl“

Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) bleibt im Amt. Der Misstrauensantrag ist am Mittwoch auch vom Koalitionspartner Grüne abgelehnt worden. Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle sieht den Grund darin, dass die Grünen so vor allem verhindern wollten, dass sie schuld an einer Neuwahl sein könnten.

Ein Misstrauensantrag der Opposition gegen Wallner ist im Landtag abgelehnt worden. Grünen-Klubobfrau Eva Hammerer hat in der Sitzung gesagt, dass man für Stabilität sorgen wolle. Mit einer Neuwahl würde ein Untersuchungsausschuss in weite Ferne rücken, diesen brauche es aber. Nur ein funktionierender Landtag könne die Fragen rund um den Wirtschaftsbund aufklären – Misstrauensantrag abgelehnt: Wallner bleibt im Amt.

„Landtag als Bühne und Show“

Politikwissenschafterin Stainer-Hämmerle sieht im ORF Vorarlberg-Interview den Grund für das Abstimmungsverhalten der Grünen darin, dass es der Partei vor allem darum gegangen sei, am Ende nicht als Schuldige dazustehen. Als schuldig in dem Sinn, diese Regierung beendet zu haben und damit das Land in eine vorgezogene Neuwahl gezwungen zu haben. „Alles andere wie etwa es würde die Aufklärung behindern, halte ich dann eher für nicht so zwingend“, so Stainer-Hämmerle.

Sie ist sich auch nicht sicher, ob sich aus der Landtagssitzung am Mittwoch die Stimmung aus der Koalition herauslesen lässt. Der Landtag sei an diesem Tag auch eine Bühne und eine Show für die Bevölkerung und die eigenen Wählerinnen und Wähler gewesen. Was sich dahinter anspielt und was noch an Gesprächsbasis zwischen Landeshauptmann Wallner und Grünen-Landesrat Daniel Zadra oder zwischen den Klubobleuten da ist, sei eine ganz andere Geschichte.

ORF: Frau Stainer-Hämmerle, die Grünen haben dem Misstrauensantrag gegen Landeshauptmann Wallner nicht zugestimmt. Klubobfrau Eva Hammerer argumentierte mit der Kontrolle: Das Transparenzgesetz müsse beschlossen werden und nur ein funktionierender Landtag könne einen Untersuchungsausschuss starten. Bei einer Neuwahl wäre das nicht mehr möglich. Was sagen Sie zur Argumentation?

Stainer-Hämmerle: Die Grünen argumentieren, dass die Verantwortung zuerst einmal bei der ÖVP liegt. Und damit haben sie natürlich vollkommen recht. Auslöser des Misstrauensantrags waren die Vorwürfe gegen Landeshauptmann Markus Wallner. Den Grünen ist es vor allem darum gegangen, am Ende nicht als die Schuldigen dazustehen, die die Regierung beendet und das Land in eine Neuwahl gezwungen haben. Die Argumente, man würde auch die Aufklärung behindern und man wolle zuerst ein neues Gesetz beschließen, halt ich nicht für zwingend.

ORF: Die Grünen haben dem Landeshauptmann das Vertrauen ausgesprochen und ihn gleichzeitig scharf kritisiert. Wie lange geht dieser Spagat noch gut?

Stainer-Hämmerle: Sie haben jetzt einmal nicht das Misstrauen unterstützt. Das Vertrauen wieder aufzubauen, wird sicher noch einige Zeit dauern. Das merkt man am Umgang der beiden Parteien miteinander. Für die Grünen ist es ein Dilemma im Bund und jetzt auch in Vorarlberg. Sie sind die Partei, die für Transparenz und saubere Politik steht. Sie unterstützen auf beiden Ebenen eigentlich eine Partei, die jetzt schon seit Monaten immer wieder von verschiedenen Seiten mit Vorwürfen konfrontiert wird. Gerade in Richtung Korruption und illegale oder zumindest intransparente Parteienfinanzierung. Das nagt natürlich schon am Image der Grünen.

ORF: Wir sprechen gerade über die Grünen. Kommt dieser Misstrauensantrag der ÖVP auch zugute, weil sich alle über die Rolle der Grünen unterhalten? Wie sehen Sie die Verteidigungsstrategie der ÖVP?

Stainer-Hämmerle: Die ÖVP verfolgt eine Strategie, nicht nur in Vorarlberg, sondern auch schon länger im Bund. Die Volkspartei sagt: ‚Ja, wir haben Fehler gemacht, wir werden einiges nachschärfen. Aber es ist ja nicht so, dass wir die einzigen sind. Alle anderen haben das irgendwann, zumindest irgendwo auch schon gemacht.‘ Und das färbt insgesamt auf das Image der gesamten Politik ab. Das können wir auch sehr gut in Meinungsumfragen messen. Wir sehen, dass der größte Teil der Bevölkerung Korruption als Problem sieht. Aber sehr viele davon sagen, dass es ein Problem aller Parteien sei. Und nicht nur einer Partei oder gar in dieser Partei nur einige Personen. Dieses Abwälzen der Missstände, der Verantwortung und der Fehler auf die gesamte Branche, also auf die gesamte Politik, gelingt sehr gut. Das ist aber auf lange Sicht sehr gefährlich. Weil das Vertrauen in die politischen Entscheider und nicht zuletzt in die Demokratie damit geschwächt wird.

ORF: Die Grünen waren im Landtag sehr angriffig, die ÖVP hielt sich zurück. Wie lange geht das gut?

Stainer-Hämmerle: Man muss das trennen. Der Landtag war auch eine Bühne, eine Show für die Bevölkerung und für die eigene Anhängerschaft. Da muss man schon etwas bieten. Vor allem die grüne Partei, die in diesem moralischen Dilemma steckt. Die ÖVP tut wiederum gut daran, sich zurückzuhalten. Sie muss vor allem Emotionen herausnehmen und die Situation sachlich und nüchtern betrachten. Alles andere würde als Entgleisung gewertet. Es würde aussehen, als würde die ÖVP die Nerven verlieren und dünnhäutig sein. Was sich hinter den Kulissen des Landtags abspielt, ist nicht so klar. Also, ob es eine Gesprächsbasis zwischen Markus Wallner und Daniel Zadra oder zwischen den Landtagsklubs gibt. Das ist eine ganz andere Geschichte. Wichtig wird jetzt vor allem sein, welche gemeinsamen inhaltlichen Projekte anstehen und umgesetzt werden können. Da wird es darum gehen, ob beide Parteien dahinter stehen oder wie der Tauschhandel aussieht. Die Grünen werden sicher mehr Zugeständnisse von der ÖVP einfordern, weil sie es in der Hand haben, die Regierung zu beenden oder nicht.

ORF: Wirkt sich diese Krise in Vorarlberg auch auf die Bundes-ÖVP und auf Kanzler Karl Nehammer aus?

Stainer-Hämmerle: Selbstverständlich. Wir hören in ganz Österreich fast hämische Worte in Richtung Vorarlberg. Das hätte man sich nicht gedacht. Ausgerechnet in dem Bundesland, wo es immer sehr stabil war für die ÖVP, einer Landes-ÖVP, die als sehr nüchtern und ehrlich betrachtet wurde. Aber umgekehrt sehen wir auch, dass Nehammer kaum die Möglichkeit hat, viel zu beeinflussen. Er muss von Wien aus mehr oder weniger zuschauen. Im Hintergrund kann er Einfluss nehmen. Aber die Landesorganisation wird selbst entscheiden. Somit wurden heute eigentlich alle Bälle zur ÖVP in Vorarlberg gespielt. Der Bund kann sich nicht einmischen. Und die Grünen nehmen der ÖVP diese Aufgabe nicht ab. Also sollte Markus Wallner politische Konsequenzen durch einen Rücktritt ziehen wollen, muss er dies persönlich tun. Oder seine Partei bewegt ihn dazu.

Das Interview mit Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle führte ORF Vorarlberg-Redakteur Michael Prock