U-Ausschuss in Wien
ORF Vorarlberg
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Politik

U-Ausschuss erwartet ehrliche Antworten

Am 1. und 2. Juni stehen die Vorarlberg-Tage im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss in Wien an. Landeshauptmann Markus Wallner, Ex-Wirtschaftsbund-Direktor Jürgen Kessler, Finanzminister Magnus Brunner und Wirtschaftsbund-Finanzreferent Jürgen Rauch müssen Fragen zur Affäre um den ÖVP-Wirtschaftsbund beantworten. Das Ausmaß der Affäre wird in Wien unterschiedlich eingeschätzt.

Die Erwartungen an die Vorarlberg-Tage im Untersuchungsausschuss sind unterschiedlich: Während die einen fürchten, dass sich Wallner und Co. an vieles nicht erinnern wollen, verspricht die ÖVP Antworten. Der ORF Vorarlberg hat die einzelnen Fraktionsführenden im Untersuchungsausschuss zu ihren Erwartungen befragt.

Andreas Hanger, ÖVP

ORF Vorarlberg: Herr Hanger, wie bewerten Sie die Affäre um den Vorarlberger Wirtschaftsbund?

Hanger: Aus der Wiener Sicht ist es eine Sache, die in Vorarlberg abzuhandeln ist. Wir im Untersuchungsausschuss untersuchen ausschließlich die Vollziehung und die Handlungen des Bundes. Der Anknüpfungspunkt kann daher nur das Finanzverfahren sein, denn dieser Bereich liegt in der Zuständigkeit des Bundes. Das heißt, wir diskutieren im Untersuchungsausschuss Fragen des Steuerrechts, in erster Linie ist das eine Sachfrage.

ORF Vorarlberg: Wie sehen Sie die große Diskussion um das Thema? Ist die große Aufregung gerechtfertigt?

Hanger: Aus meiner Sicht wird das Wasser zu heiß gekocht. Ich sehe drei Dimensionen: Vereine, Parteien, Medienhäuser oder Abschlussklassen in einer Schule dürfen natürlich Zeitungen publizieren. Das darf jeder. Und man darf Zeitungen mit Inseraten finanzieren. Wichtig ist, dass das Inserat einen entsprechenden Gegenwert hat. Und da würde ich mich schon dagegen verwehren, hier irgendwelche Vorverurteilungen zu treffen. Die zweite Frage ist, ob öffentliche Einrichtungen in Parteimedien inserieren. Da hat Vorarlberg reagiert, diese Vorgangsweise unterstütze ich sehr. Also, dass zukünftige öffentliche Unternehmen nicht mehr in parteinahen Zeitungen inserieren. Das dritte Thema sind die Rahmenbedingungen. Wenn es Provisionsvereinbarungen gegeben hat, oder irgendwelche Sondervereinbarungen mit dem Wirtschaftsbund-Direktor, dann wird man das rechtlich zu beurteilen haben. Da sehe ich kein großes Problem. Politisch allerdings sehr wohl. Wenn man für ein Medium des Wirtschaftsbundes Inserate verkauft, sehe ich keinen moralischen politischen Anspruch darin, auch Provision zu bekommen.

ORF Vorarlberg: Jetzt ist die Ladungsliste bekannt geworden. Was erwarten Sie sich von den Befragungen? Vor allem von Landeshauptmann Markus Wallner als Auskunftsperson?

Hanger: Ich erwarte mir eine ruhige, sachliche Befragung zum Untersuchungsgegenstand. Und der Untersuchungsgegenstand sind die Vollziehung und die Handlungen des Bundes. Der Landeshauptmann kann also nur gefragt werden, welche Wahrnehmungen er zu diesen Steuerfragen hat. Wie hier Parteien finanziert werden, kann nicht Untersuchungsgegenstand sein. Natürlich wird die Opposition versuchen, das Thema zu skandalisieren. Wir sind es in Wien gewöhnt, dass hier Dinge unterstellt werden, die ganz einfach keinen Wahrheitsgehalt haben.

ORF Vorarlberg: Was sagen Sie eigentlich dazu, dass auch Finanzminister Magnus Brunner zu dieser Causa befragt werden soll?

Hanger: Die Geschäftsordnung sieht vor, dass jeder geladen werden kann, der eine Wahrnehmung zum Untersuchungsgegenstand hat. Rein theoretisch können wir auch Sie als Journalisten laden, wenn Sie auch Wahrnehmungen zum Untersuchungsgegenstand haben. Wir wissen, dass der Untersuchungsausschuss eine politische Bühne ist, insbesondere der Oppositionsparteien. Wir sehen diese Ladung also auch als Teil der politischen Inszenierung.

Kai Jan Krainer, SPÖ

ORF Vorarlberg: Herr Krainer, wie beurteilen Sie die Affäre um den Wirtschaftsbund in Vorarlberg?

Krainer: Sie zeigt, wie öffentliche Gelder zu Parteigeldern werden. Es ist einfach ein System, wie man Steuergeld in Parteien schleust. Und ein solches System ist abzulehnen. Parteien bekommen über die Parteienförderung genug Geld. Sie müssen nicht noch über Umwege anderes Steuergeld holen.

ORF Vorarlberg: Die Affäre dreht sich um den Wirtschaftsbund und die ÖVP in Vorarlberg. Ist das Thema im Untersuchungsausschuss in Wien richtig aufgehoben?

Krainer: Ja, und zwar deswegen, weil das, was der Wirtschaftsbund und die ÖVP in Vorarlberg gemacht haben, ist in zumindest drei anderen Bundesländern auch passiert. Nicht in derselben Dimension, aber mit sehr ähnlichen Methoden. Und es geht ja darum, Österreich korruptionsfreier zu machen. Deswegen müssen wir uns diese Praktiken anschauen.

ORF Vorarlberg: Der SPÖ wird das in Wien aber auch vorgeworfen.

Krainer: Ich weiß, das wird immer behauptet. Und ich sage dann immer: Zeigt es mir! Zeigt mir ein Inserat in einer Parteizeitung der SPÖ in Wien! Ich habe jetzt keines gesagt. Ehrlich gesagt, ich wüsste nicht einmal, dass es eine monatliche SPÖ-Zeitung gäbe, so wie die Zeitung des Wirtschaftsbundes. Ich lehne Korruption ab, egal welche Partei sie macht. Wenn das in meiner eigenen Partei passieren würde, würde mich das noch wesentlich mehr ärgern. Es ist vollkommen egal, welche Partei Parteienfinanzierung über Inserate betreibt. Das ist nie in Ordnung.

ORF Vorarlberg: Was erwarten Sie sich von den Auskunftspersonen im Untersuchungsausschuss, vor allem von Landeshauptmann Markus Wallner?

Krainer: Die Frage ist immer, was die einzelnen Auskunftspersonen für eine persönliche Wahrnehmung hatten. Der Herr Landeshauptmann hat selber in öffentlichen Interviews gesagt, dass er über die letzten Jahre beobachtet hat, wie das Inseratenvolumen angestiegen ist. Und er hat selber gesagt, dass er zu lange zugesehen hat. Das wollen wir natürlich von ihm genau wissen. Und natürlich wollen wir von ihm auch wissen, wie viel Steuergeld tatsächlich durch Inserate an die Partei geflossen sind.

ORF Vorarlberg: Vorarlberg hat nun den landeseigenen Betrieben verboten, Inserate in parteinahen Medien zu schalten. Wäre das ein Vorbild für ganz Österreich?

Krainer: Parteien bekommen über die Parteienförderung genug Geld. Eine Partei braucht nicht mehr Geld. Über welche Wege auch immer.

Christian Hafenecker, FPÖ

ORF Vorarlberg: Herr Hafenecker, wie bewerten Sie die Affäre um den Wirtschaftsbund in Vorarlberg?

Hafenecker: Es ist leider Gottes neuerlich ein Sittenbild aus dem Innersten der ÖVP zutage getreten. Man hat den Eindruck, dass vom Wirtschaftsbund geradezu Schutzgeld eingetrieben worden ist, und zwar in Form von Inseraten für die Wirtschaftsbundzeitung. Das ist natürlich ein unglaublicher Vorgang. Vor allem dann, wenn sich auch noch der Verdacht beweisen würde, dass der Herr Landeshauptmann selbst der oberste Eintreiber für dieses Schutzgeld gewesen ist. Dem müssen wir natürlich nachgehen.

ORF Vorarlberg: Die Affäre dreht sich um den Vorarlberger Wirtschaftsbund und die Vorarlberger. Was kann denn der Untersuchungsausschuss im Bund an Aufklärung leisten?

Hafenecker: Sie dürfen nicht vergessen, dass gerade diese Steuerproblematik, die im Raum steht, natürlich in der Vollziehung des Bundes liegt. Das Finanzministerium prüft ja auch den vorliegenden Fall. Und natürlich müssen wir uns ein Bild machen, wo die politische Verantwortung liegt. Und wir müssen auch sicherstellen, dass es nicht so ist, dass vielleicht noch der aus Vorarlberg stammende Finanzminister Brunner hier eingreift und vielleicht Dinge unter den Teppich kehrt.

ORF Vorarlberg: Was erwarten Sie sich von den Auskunftspersonen aus Vorarlberg, vor allem von Landeshauptmann Markus Wallner?

Hafenecker: Was wir bis jetzt vorfinden, sind ja nur irgendwelche Bekenntnisse in Medien, wo versucht wird, Dinge klein zu reden. Vor dem Untersuchungsausschuss ist die Situation eine andere. Da muss man unter Wahrheitspflicht aussagen. Und das ist schon noch einmal eine andere Drohkulisse. Da kann man nicht so dahin flunkern.

ORF Vorarlberg: Erwarten Sie sich viele Antworten vom Landeshauptmann?

Hafenecker: Die Frage ist, ob der Herr Landeshauptmann den Finanzminister außer Dienst, Gernot Blümel, mit seinen 86 Erinnerungslücken noch toppen kann. Ich befürchte, dass es wieder so etwas ähnliches geben wird und dass das Vergessen auch bei Landeshauptmann Wallner schon massiv ausgeprägt sein wird. Aber nichtsdestotrotz: Als Landeshauptmann muss man Rede und Antwort stehen, wenn man tatsächlich an Aufklärung interessiert ist. Und wenn man nichts zu verbergen hat, kann man sagen, was man weiß.

Nina Tomaselli, Grüne

ORF Vorarlberg: Frau Tomaselli, wie bewerten Sie die Affäre um den Wirtschaftsbund?

Tomaselli: Im Kern dreht sich die Causa um die Frage, ob für alle die gleichen Rechte gelten. Beispiel Steuern: Wir alle müssen Steuern zahlen. Keiner zahlt gerne Steuern, aber dennoch gelten für den Vorarlberger Wirtschaftsbund die gleichen Regeln wie für einen Schreiner im Bregenzerwald. Anderes Beispiel: Die Buchhaltung des Wirtschaftsbund. Jeder, der von uns in irgendeinem Verein engagiert ist, weiß, dass man eine korrekte Buchhaltung führen muss. Jede Ausgabe muss mit einem Beleg belegt sein. Der Wirtschaftsbund hat wohl gedacht, diese Regel gelten für ihn nicht.

ORF Vorarlberg: Die Affäre dreht sich um den Wirtschaftsbund und die ÖVP in Vorarlberg. Welche Rolle kann der Untersuchungsausschuss in Wien da spielen?

Tomaselli: Durch die Geständnisse mehrerer Unternehmen, insbesondere des mutigen Tischlers Michael Stadler, wissen wir, was für ein System über Jahre geherrscht hat. Nämlich dass man Unternehmer, die nicht freiwillig in der Wirtschaftskammer Mitglied, unter Druck gesetzt hat, Inserate zu schalten. Und zwar für ein Magazin, dessen Einnahmen dann wiederum der ÖVP und deren Funktionären zugutekommt. Was wir wollen und was sich die Bevölkerung erwartet, ist ein sauberes Vorgehen und saubere Parteikassen. Das können wir mit den neuen Parteien- und Transparenzgesetzen leisten. Aber das befreit insbesondere die ÖVP nicht davon, auch mit der Vergangenheit aufzuräumen.

ORF Vorarlberg: Was erwarten Sie sich denn noch von den weiteren Akten im Untersuchungsausschuss?

Tomaselli: Wir erwarten uns, dass neue Akten zum Wirtschaftsbund geliefert werden, insbesondere jene, die bei der Justiz angefallen sind. Weil laut Medienberichten wissen wir, dass bei mehreren Personen, bis hin zum Landeshauptmann, auf Amtswegen eine Prüfung des Anfangsverdachts begonnen wurde. Aufschlussreich sollte aber jedenfalls die Vorarlberg-Woche werden, wie sie Medien nennen.

ORF Vorarlberg: Das heißt, sie erwarten sich gerade von den Ladungen der Vorarlberger Aufklärung, vor allem von Landeshauptmann Markus Wallner?

Tomaselli: Jede Auskunftsperson in einem Untersuchungsausschuss ist aufgerufen, vollständig, wahrheitsgemäß und nach bestem Gewissen zu antworten. Wir erwarten uns auf diese politisch brisanten Fragen, die im Raum stellen stehen, Antworten.

Gerald Loacker, NEOS

ORF Vorarlberg: Herr Loacker, wie bewerten Sie die Affäre um den Wirtschaftsbund in Vorarlberg?

Loacker: Da ist etwas aufgeplatzt, was schon viele Jahrzehnte so praktiziert worden ist und daher von vielen Beteiligten als ganz normal empfunden worden ist. Man hat das Gespür verloren für das, was sich gehört und was anständig wäre. Das ist ja mehrschichtig.

ORF Vorarlberg: Was meinen Sie damit?

Loacker: Es ist einerseits die Dreistigkeit, ein Millionengeschäft ohne Umsatzsteuer abzuwickeln. Es ist die Verknüpfung von Inseraten mit politischem Wohlwollen. Es ist das Entnehmen von Bargeld aus Kassen, wo man einen Beleg schreibt mit dem Vermerk „Rotes Kreuz“ oder mit dem Vermerk „Diverses“. Das sind Dinge, die kein Unternehmer machen kann. Und es ist das verschleierte Finanzieren einer Partei. Parteien leben im Wesentlichen von öffentlichem Geld und müssen daher ihre Bücher offenlegen. Und die ÖVP versucht das Ausmaß zu verschleiern, indem sie vom Wirtschaftsbund finanziert wurde. Es gibt ganz viele problematische Punkte in dieser Affäre, die man gar nicht in einer Antwort aufzählen kann.

ORF Vorarlberg: Die Affäre dreht sich um den Vorarlberger Wirtschaftsbund und die Landespartei. Was kann da der Untersuchungsausschuss im Nationalrat zur Aufklärung beitragen?

Loacker: Das würde man im ersten Moment nicht vermuten, aber es sind viele Bundesministerien betroffen. Zum Beispiel die Frage, ob Umsatzsteuer zu zahlen ist oder nicht, ist eine Frage eines Bundesgesetzes. Auch die Frage der Parteienfinanzierung ist teilweise eine bundesrechtliche Frage. Es könnte auch die Gewerbeordnung betroffen sein, sie ist auch ein Bundesgesetz. Es sind viele Verwaltungsakte des Bundes betroffen.

ORF Vorarlberg: Was erwarten Sie sich von den Aussagen der Vorarlberger, vor allem von Landeshauptmann Markus Wallner?

Loacker: Meine Erwartung im Sinne von Hoffnung ist, dass die Herren sich anständig zeigen und wahrheitsgemäß antworten. Meine Erwartung im Sinne von Befürchtung ist, dass sie sehr viele Erinnerungslücken haben werden und ganz oft sagen, dass sie keine Wahrnehmung hätten. Nach dem Motto: Ich kann mich nicht erinnern, ich weiß es nicht, ich habe nichts gehört, nichts gesehen…

ORF Vorarlberg: Sie befürchten einen ähnlichen Auftritt wie von Gernot Blümel, der sich an sehr vieles nicht erinnern konnte?

Loacker: Wenn man die Fahne des „suberen Ländles“ vor sich herträgt, wie es Markus Wallner immer gemacht hat, dann muss er sich jetzt auch hin stellen. Und er muss sich erinnern und muss wahrheitsgemäß Auskunft geben. Er darf sich nicht auf Erinnerungslücken und auf Ausflüchte zurückziehen. Er ist ja hoffentlich nicht auf dem Niveau von Gernot Blümel und Co., sondern nimmt für sich in Anspruch, es sauberer zu machen. Das verlangt auch ein sauberes Auftreten vor dem U-Ausschuss.