Medikamente
Soho A studio – stock.adobe.com
Soho A studio – stock.adobe.com
Gesundheit

Medikamenten-Allergie: Tausende Tests pro Jahr

Rund 5.500 Patientinnen und Patienten aus den Spitälern und Arztpraxen des Landes werden jährlich mit dem Verdacht auf eine Arzneimittelallergie zur Abklärung ins Landeskrankenhaus Feldkirch überwiesen. Die Testung, ob tatsächlich eine Allergie vorliegt, ist sehr aufwändig und dauert mehrere Tage.

Arzneimittel können – exakt dosiert und konzentriert – Menschen beim Gesundwerden unterstützen, Schmerzen lindern und Leben retten. Mitunter kann der Körper aber diese Absicht missinterpretieren und dahinter einen schädlichen Eindringling vermuten, der bekämpft werden muss.

Aufwändige Testung

Eine Arzneimittel-Unverträglichkeit kann sich in unterschiedlichen Formen bemerkbar machen – eine davon ist die Allergie. Diese geht mit einer Reihe von typischen Symptomen vor allem auf der Haut einher. Den endgültigen Nachweis für die Allergie gegen einen bestimmten Wirkstoff liefert aber nur eine aufwändige, mehrere Tage dauernde Testung im Spital.

Mehr als 1.000 solcher Testungen auf Medikamentenallergien werden auf der Fachabteilung „Dermatologie und Venerologie“ am Landeskrankenhaus Feldkirch pro Jahr durchgeführt. Rund 5.500 Patienten aus den Spitälern und Arztpraxen des Landes werden jährlich mit dem Verdacht auf eine Arzneimittelallergie zur Abklärung nach Feldkirch überwiesen. Die Abteilung feiert heuer das 20-jährige Jubiläum der klinischen Dermatologie und Venerologie in Vorarlberg.

Jeder kann zu jeder Zeit eine Allergie entwickeln

Das menschliche Immunsystem reagiert im Falle einer Allergie immer gleich: Der Körper entwickelt wegen eines bestimmten Erkennungsstoffes Maßnahmen zu dessen Bekämpfung. An und für sich eine ganz normale Abwehrreaktion, mit der das Immunsystem auch feindliche Erreger bekämpft und die im Körper prinzipiell gegen rund 200 Milliarden Stoffe angelegt ist.

„Bei einer Allergie ist die Reaktion allerdings fehlgeleitet, die kämpfenden Strukturen sehen einen harmlosen Stoff fälschlicherweise als gefährlich an und gehen dagegen vor. Warum es zu dieser Fehlleitung kommt, ist bis heute ungeklärt. Prinzipiell kann jeder Mensch – vom Kleinkind bis zum Greis – zu jeder Zeit eine Allergie auf einen Wirkstoff entwickeln“, erklärt Primar Robert Strohal, Leiter der Abteilung „Dermatologie und Venerologie“ am LKH Feldkirch.

Robert Strohal
Vorarlberger Landeskrankenhäuser
Primar Robert Strohal

Kaum merkbar bis lebensbedrohlich

Die typischen Reaktionen bei einer Arzneimittelallergie sind von Mensch zu Mensch verschieden stark ausgeprägt und unvorhersehbar. Sie decken die gesamte Bandbreite von „kaum merkbar“ bis „akut lebensbedrohlich“ ab. Medikamente, die bei dem einen erst nach einer Woche eine Allergie verursachen, können beim anderen sofort nach der Einnahme einen anaphylaktischen Schock zur Folge haben: „Dieser tritt ganz plötzlich auf, und es ist in so einem Fall immer höchste Eile geboten. Diese Reaktion ist zwar selten, kann aber ohne ärztliche Hilfe tödlich verlaufen“, warnt Strohal.

Daneben zeigt sich die Medikamentenallergie zumeist in diversen Formen von Hautausschlägen und -veränderungen. Auch Ausschläge auf der Haut können ein bedrohliches Ausmaß annehmen: Gefährlich wird es laut Primar Strohal vor allem dann, wenn der Ausschlag große Teile der Haut betrifft. In Feldkirch werden jährlich rund 250 Patienten wegen großflächigen Hautbefalls behandelt. Darunter sind auch Fälle, bei denen sich die Haut abschälte. Bei durchschnittlich fünf Betroffenen jährlich gehen große Teile der Haut verloren.

Hinweise auf eine Medikamentenallergie

Als Richtlinie für Patienten gilt: Wenn mehr als das Zehnfache einer Handfläche der Haut von einem Ausschlag betroffen ist, sollte man sich rasch in stationäre Behandlung begeben. Weitere Hinweise auf eine Medikamentenallergie sind ein schneller Puls, Schwindel, Bewusstlosigkeit, ein Anschwellen der Handflächen und Fußsohlen, der Lippen und des Gesichts sowie – und da wird es wiederum lebensgefährlich – ein Anschwellen der Zunge, was zu akuter Atemnot führen kann. In diesem Fall muss sofort die Rettung alarmiert werden.

Häufig kommen Medikamentenallergien gegenüber bestimmten Antibiotika (z.B. Penicilline), Schmerz-und Rheumamittel (Acetylsalicylsäure, Ibuprofen), Röntgenkontrastmittel und heparinartigen Arzneimittel vor, erklärt der Leiter der Spitalsapotheke am LKH Feldkirch. Ärzte und Apotheker sind gesetzlich dazu verpflichtet, im Rahmen der Arzneimitteltherapie auftretende allergische Reaktionen behördlich zu melden. Die Behörde kann bei einer Häufung derartiger Meldungen dann veranlassen, dass die Fachinformation des jeweilige Arzneimittels angepasst wird.

Günther Graninger
Vorarlberger Landeskrankenhäuser
Apotheker Günther Graninger

Testung dauert mehrere Tage

Je nach Schweregrad wird eine Medikamentenallergie in erster Linie mit Antihistaminika und antiallergischen Infusionen sowie individuell dosiertem Kortison behandelt. Zudem werden exakt abgestimmte Salbentherapien verschrieben. Um eine Arzneimittelallergie definitiv abzuklären, werden in enger Zusammenarbeit mit dem Fachteam der Spitalsapotheke äußerst aufwändige und zeitintensive Testungen durchgeführt.

Die Patienten durchlaufen eine Reihe von Blutwertebestimmungen, Haut- und Spritztests samt genauester Überwachungsprotokolle. Mitunter ist im Anschluss eine sogenannte „Provokation“ durch den verdächtigen, extrem verdünnten Medikamentenwirkstoff mit langsam steigender Dosierung nötig. Die gesamte Prozedur erstreckt sich über mehrere Tage.

Zeit- und personalintensive Vorbereitung

Bereits die Vorbereitung ist sehr zeit- und personalintensiv: „Da die Wirkstoffe direkt unter die Haut geritzt bzw. in die Haut gespritzt werden, müssen Zusammensetzung und Dosierung unter Bedingungen geschehen, die eine bakterielle Verunreinigung verhindern“, erklärt Graninger. Eine einzelne Produktion dauert rund anderthalb Stunden und erfordert den Einsatz von zwei Mitarbeitern.

Insgesamt bereitet das Team am LKH Feldkirch Testungen für sechs verschiedene Substanzen allein im Schmerzmittelbereich selbst zu, darunter für so bekannte Wirkstoffe wie Acetylsalicylsäure, Diclofenac, Ibuprofen und Paracetamol. Daneben hat die Pharmaindustrie auch fertige Test-Sets entwickelt, die ebenfalls über die Spitalsapotheke an die Abteilung ausgegeben werden.