U-Ausschuss in Wien
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Politik

U-Ausschuss: Wahrheitspflicht für alle

Die Wirtschaftsbund-Affäre geht in Wien in die nächste Runde. Am 1. und 2. Juni steht das Thema auf der Tagesordnung des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses im Nationalrat. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) ist z. B. als Auskunftsperson geladen. Als solche muss er wahrheitsgemäß auf Fragen antworten, sonst macht er sich strafbar.

Erst Mittwochabend ist es offiziell, aber vom Entwurf zur Ladung wird dieser Name wohl nicht mehr verschwinden: Landeshauptmann Markus Wallner muss vor dem ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss in Wien aussagen. Er ist für den 1. Juni als Auskunftsperson geladen. Und für Auskunftspersonen gilt eine starke Auskunfts- und Wahrheitspflicht – also auch für die anderen aus Vorarlberg geladenen Personen.

Wahrheitspflicht „besonders exponiert“

Es gibt im Untersuchungsausschuss nämlich keine besonderen Rechte für Angeklagte – weil es keine Angeklagten gibt. Verfassungsexperte Peter Bußjäger betont deshalb: „Beim U-Ausschuss ist die Wahrheitspflicht besonders exponiert.“ Denn Angeklagte vor Gericht unterliegen zum Beispiel keiner Wahrheitspflicht. „Der Untersuchungsausschuss kennt keine Beschuldigten im rechtlichen Sinn.“ Eine Auskunftsperson könne sich zwar manchmal wie in der Rolle eines Beschuldigten fühlen, ist aber trotzdem an die Wahrheitspflicht gebunden. Nicht wahrheitsgemäße Aussagen können also strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Aussagen könnten rechtlich relevant werden

Ein Beispiel: Landeshauptmann Wallner wird ja anonym über eine eidesstattliche Erklärung vorgeworfen, dass er bei einem Unternehmer für Inserate im Wirtschaftsbund-Magazin „Vorarlberger Wirtschaft“ geworben hat. Er soll dafür Gegenleistungen in Aussicht gestellt haben. Wallner bezeichnete das als Lüge. Wiederholt er diese Aussage im U-Ausschuss, wird sie rechtlich relevant. Denn sollte sich irgendwann der Verdacht zeigen, dass es doch anders war, könnte die Staatsanwaltschaft aktiv werden.

Bis zu drei Jahre Haft für Falschaussagen

Bei Falschaussagen vor dem U-Ausschuss drohen bis zu drei Jahre Haft. Derzeit wird zum Beispiel gegen den ehemaligen Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz wegen des Verdachts der falschen Beweisaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss ermittelt. Handy-Chats haben laut den Ermittlern gezeigt, dass Kurz eine Aufsichtsratsbestellung anders dargestellt habe wie sie tatsächlich gewesen sei.

Entschlagung muss begründet werden

Wird eine Frage gestellt, muss die Auskunftsperson antworten. Wer eine Auskunft verweigert, kann in Beugehaft genommen werden. Peter Bußjäger erläutert: „Man darf sich mit Hinweis auf eine mögliche strafgerichtliche Verfolgung entschlagen.“ Die Gründe einer Entschlagung müssen vorgelegt werden. Der U-Ausschuss-Vorsitzende muss diese Gründe dann prüfen. „Daran sieht man, wie heikel das ist“, fährt Bußjäger fort. „Es darf nicht dazu führen, dass aufgrund einer Entschlagung plötzlich Ermittlungen aufgenommen werden und sich damit selbst ans Messer liefern würde.“ Man dürfe also nicht zu viel Gründe für eine Entschlagung verlangen.

Ladung wurde beschlossen

Die Ladung von Auskunftspersonen ist ein Minderheitenrecht. Ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses kann eine Ladung beantragen. Diese Ladung ist von SPÖ, FPÖ und NEOS einstimmig beschlossen worden. Der Entwurf dieser Ladung von SPÖ, FPÖ und Neos liegt dem ORF Vorarlberg schon vor.

Sechs Auskunftspersonen mit Bezug zur WB-Affäre

28 Personen sind auf dieser Ladungsliste zu sehen. Darunter sechs Auskunftspersonen mit Bezug zur Affäre um den ÖVP-Wirtschaftsbund in Vorarlberg. Vor allem natürlich Landeshauptmann Markus Wallner. Er ist zu mehreren Beweisthemen geladen: Beeinflussung von Vergabe- und Förderverfahren, Einflussnahme auf Beteiligungen des Bundes, Beeinflussung von Ermittlungen und Aufklärungsarbeit sowie Begünstigung bei der Personalwahl.

Dieselben Themen werden beim ehemaligen Wirtschaftsbund-Direktor Jürgen Kessler, dem aktuellen Wirtschaftsbund-Obmann Karlheinz Rüdisser, Wirtschaftsbund-Finanzreferent Jürgen Rauch und Finanzminister Magnus Brunner aufgelistet. Zudem sind zwei Finanzbeamte geladen, die sich mit der Steuerprüfung im Wirtschaftsbund beschäftigen.

Nicht alle können geladen werden

Nicht geladen ist der ehemalige Obmann des Wirtschaftsbundes Hans Peter Metzler. Der Ausschuss habe nur begrenzt Sitzungen und damit Platz für Auskunftspersonen, es könnten also nicht alle geladen werden, heißt es aus dem Untersuchungsausschuss.

Staatsanwaltschaften prüfen gesondert

Die Ladung im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss findet unabhängig von den Ermittlungen statt. Derzeit prüft die Staatsanwaltschaft die Anzeige der Finanzbehörden gegen mehrere Personen und den Wirtschaftsbund. Auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA prüft derzeit einen Anfangsverdacht gegen mehrere Personen.

Ergebnis der Steuerprüfung liegt noch nicht vor

Ausgangspunkt der Affäre ist eine Steuerprüfung des ÖVP-Wirtschaftsbundes. Die Finanz wurde aufgrund der Inseratenpraktiken im Magazin des Wirtschaftsbundes aktiv. Der Wirtschaftsbund hat daraufhin Selbstanzeige erstattet. Kessler und Metzler mussten zurücktreten. Während die Affäre immer weitere Kreise zieht, muss Karlheinz Rüdisser den Vorarlberger Wirtschaftsbund neu aufstellen. Ein Ergebnis der Steuerprüfung liegt noch nicht vor.