Hubert Dragaschnig und Sabine Lorenz  in „Don Quijote“
Sarah Mistura/Theater KOSMOS
Sarah Mistura/Theater KOSMOS
Kultur

„Don Quijote“ – ein Theaterfest

Das Bregenzer Theater Kosmos zeigt die umjubelte Bühnenfassung von Philip Jenkins „Don Quijote – ein Stück (weg) von der Wahrheit“. Eine Premierenkritik von ORF Kulturredakteurin Ingrid Bertel.

Zaundürr, bettelarm und völlig verrückt, so kennen wir ihn: Don Quijote, Ritter von der traurigen Gestalt, Kämpfer gegen Windmühlen und sonstiges Ungemach. „Nein“, sagt Reyhan Çiçin – von einem Don Quijote habe sie zuvor nie etwas gehört. Nun steht die Schülerin selbst mit einer Don Quijoterie auf der Bühne, ebenso wie Lea Klimmer, auch sie Schülerin – eine mit dem Traum, Schneiderin und Chirurgin zu werden. Das passt gut zusammen, hat schließlich beides mit Schneiden und Nähen zu tun.

Träume von einer neuen Identität

Vom Traum einer ganz neuen, funkelnden Identität handelt dieser Abend, und von ihrem eigenen Traum erzählen auch die beiden Mädchen. Sie sind zwei von sechs Expert:innen, die Autor und Regisseur Philip Jenkins ihre Geschichten erzählt haben. Er suchte darin Bezüge zu „Don Quijote“ und schrieb kurze Monologe, Annäherungen an ein Stück Weltliteratur.

George Nussbaumer spielt und erzählt

Sabine Ebner (Ausstattung) stellt dazu große, fröhliche Fotos auf die Bühne, Motive, die sich den Expert:innen spielerisch zuordnen lassen. Am Keyboard sitzt George Nussbaumer, legt leise atmosphärische Sounds in die Erzählung, spricht die ironischen ersten Sätze des Romans und gesteht, er lese am liebsten Krimis. Und dabei tauscht er den Namen des Chefinspektors aus. Mit seinem eigenen. Wer wär nicht gern mal selber der Held?

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Hubert Dragaschnig und Sabine Lorenz  in „Don Quijote“
Sarah Mistura/Theater KOSMOS
Hubert Dragaschnig und Sabine Lorenz in „Don Quijote“
George Nussbaumer in „Don Quijote“
Sarah Mistura/Theater KOSMOS
George Nussbaumer in „Don Quijote“
Sabine Lorenz  in „Don Quijote“
Sarah Mistura/Theater KOSMOS
Sabine Lorenz in „Don Quijote“
George Nussbaumer und Hubert Dragaschnig in „Don Quijote“
Sarah Mistura/Theater KOSMOS
George Nussbaumer und Hubert Dragaschnig in „Don Quijote“
Hubert Dragaschnig und Sabine Lorenz  in „Don Quijote“
Sarah Mistura/Theater KOSMOS
Hubert Dragaschnig und Sabine Lorenz in „Don Quijote“

Die Titelfigur ist bereits tot

Der eigentliche Held, Don Quijote tritt gar nicht auf. Er ist nämlich schon tot. An seinem übermächtigen Erbe arbeiten sich der treue Knappe Sancho Pansa (Hubert Dragaschnig) und die lebenslang verehrte Edeldame Dulcinea von Toboso (Sabine Lorenz) ab. Und das tun sie in unterschiedlichster Gestalt – einmal im hohen Ton von Cervantes, dann wieder in der „hard boiled“ Krimi-Manier von Humphrey Bogart und Laureen Bacall.

„Sancho wär sicher gerne so ein tougher Kerl“, meint lächelnd Philip Jenkins, der die beiden mit leichtfüßiger Eleganz auch in eine zeitgenössische Soap versetzt. Da wird Dulcinea zur Wirtin einer Frühstückspension, und Sancho Pansa müht sich ab, die Dame zur Beerdigung des Ritters abzuschleppen.

„Don Quijote“ von Philip Jenkins nach Cervantes. Regie: Philip Jenkins; Licht: Stefan Pfeistlinger, Ausstattung: Sabine Ebner. Mit Sabine Lorenz, Hubert Dragaschnig, George Nussbaumer, Reyhan Cicin, Walter Gohli, Lea Klimmer, Ronald Waibel, Gabi Wantke. Weitere Aufführungen: 7., 13., 14., 20., 21., 25., 27. und 28. Mai jeweils um 20 Uhr und am 8., 15. und 22. Mai 18 Uhr.

Jonglieren mit Stilrichtungen

Einfach betörend, wie die beiden mühelos mit den Stilen jonglieren. Einfach beeindruckend, welch klare, fein gezeichnete Profile sie entwickeln. Einfach wunderbar, wie unterschiedlich die Annäherungen an die ikonische Gestalt des Don Quijote sein können.

Denn Philip Jenkins pflegt ein durchaus ambivalentes Verhältnis zu diesem Kerl, der Schafe absticht, weil er sie für feindliche Söldner hält, und dessen Nähe zu Verschwörungstheorien durchaus bedrohlich sein kann – Hubert Dragaschnig entfaltet dafür eine Wucht, bei der man den Atem anhält.

Ein wunderbares Theaterfest

Experte Roland Waibel ist ein Priester, der sein Amt niedergelegt hat. Allerdings kein Priester wie in Cervantes‘ Roman. Dort nämlich ist der Pfarrer der einzige, der keinen Traum und keine Vision kennt. Er verbrennt die Bücher, die Don Quijote dazu veranlassten, sich auf die Suche nach einer „wahren“ Identität zu begeben.

Diese Suche macht den unvergänglichen Zauber des Romans aus, weil jeder Mensch eine solche Sehnsucht in sich spürt. Der feine Humor und die geistsprühende Art, die Philip Jenkins beflügelt hat, machen seine Bühnenfassung zu einem wunderbaren Theaterfest!