Stefan Salomon
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Chronik

Vorarlberger bringt EU-Grenzkontrollen zu Fall

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) wackeln die in der Flüchtlingskrise eingeführten österreichischen Grenzkontrollen. Ein Vorarlberger ist maßgeblich daran beteiligt: Der Bludenzer Jurist Stefan Salomon von der Universität Amsterdam brachte das Thema vor den EuGH.

Eine der großen Errungenschaften der Europäischen Union ist die Reisefreiheit. Im Schengenraum sind Grenzkontrollen verboten. Es gibt allerdings Ausnahmen: Ist die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit ernsthaft bedroht, dürfen die Grenzen für maximal sechs Monate wieder kontrolliert werden. Im Jahr 2015 sahen viele Länder diese Situation gegeben. Als die sogenannte Flüchtlingskrise begann, kontrollierte Bayern die Grenze zu Österreich. Österreich wiederum führte Kontrollen an den Grenzen im Osten ein. Andere Länder taten es ihnen gleich, unter anderem Frankreich. Was mehrere Länder gemeinsam haben: Fast sieben Jahre später kontrollieren sie an den Grenzen immer noch.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat vor wenigen Tagen festgestellt, dass diese Kontrollen rechtswidrig sind. Man darf sie zwar bis zu zwei Jahren verlängern, aber auch dafür brauche es eine Zustimmung des Rates, stellten die Richter fest. Außerdem brauche es eine neue ernsthafte Bedrohung.

Salomon: „Urteil ist glasklar“

Verantwortlich für das Urteil ist ein Jurist aus Bludenz, der an der Universität in Amsterdam arbeitet. Stefan Salomon brachte das Thema vor den EuGH. Österreichs Innenminister hat schon angekündigt, die Kontrollen fortsetzen zu wollen. Doch Salomon betont: Auch Österreich habe sich an dieses Urteil zu halten. „Das Urteil ist glasklar. Da gibt es nichts daran zu interpretieren.“

Aus der Forschung entstanden

Der 37-jährige Bludenzer Stefan Salomon ist Jurist und Politikwissenschafter. Nach der Matura am Sportgymnasium Dornbirn studierte er in Innsbruck, Graz, Lyon (Frankreich) und Boston (USA). Derzeit arbeitet er als Assistenz-Professor am Institut für Europäische Studien an der Universität in Amsterdam. Im Jahr 2019 entdeckte er, dass das österreichische Innenministerium die Grenzkontrollen alle sechs Monate mit nahezu identen Mitteilungen an die EU-Kommission verlängert. „Nach und nach habe ich festgestellt, dass die Kommission als Hüterin der Verträge nichts unternahm“, erzählt Salomon. „Ich dachte mir, wenn die Kommission schon nichts unternimmt, könnte man doch als Einzelner dagegen etwas unternehmen. Das war dann relativ leicht.“

Mit dem Auto über die Grenze

Die Grenzkontrollen im Schengenraum zu kippen ist leicht? Wie geht das? Antwort Stefan Salomon: „Indem man mit dem Auto von Slowenien nach Österreich fährt und sich an der Grenze weigert, den Pass zu zeigen.“ So geschehen im Jahr 2019. Der 37-Jährige erhielt eine Strafe in Höhe von 36 Euro und zog dagegen vor das Landesverwaltungsgericht. Dieses leitete den Fall weiter an den EuGH, der seine Entscheidung vor wenigen Tagen bekannt gegeben hat. Nun muss das Landesverwaltungsgericht dem Urteil noch folgen, davon ist aber auszugehen.

Österreich hält daran fest

Die EU-Kommission hat bereits auf das Urteil reagiert. Man müsse es zuerst einmal analysieren, hieß es. Die Kommission forderte die Mitgliedsstaaten aber mittlerweile mehrfach auf, die Grenzkontrollen auslaufen zu lassen. Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) betonte nach dem Urteil, er werde weiter auf Grenzkontrollen setzen, wenn sie notwendig sind.

Amtsmissbrauch und Haftungsfragen

Stefan Salomon entgegnet im Interview mit dem ORF Vorarlberg: Das sei gar nicht möglich, denn das Urteil sei glasklar und lasse keinen Raum für Interpretationen. „Rechtlich gesehen müssen die Grenzkontrollen in Österreich aufhören.“ In den kommenden Wochen erwartet Salomon das finale Urteil des Landesverwaltungsgerichts in der Steiermark. „An dieses Urteil haben sich die österreichischen Behörden inklusive Innenminister zu halten.“ Sollte sich Österreich nicht daran halten, könnten Fragen der Staatshaftung aufkommen. Und zwar für Schäden, die entstehen, weil das Urteil nicht befolgt wird. „Und wenn ein Minister eine Verordnung erlässt, die wissentlich gesetzwidrig ist, dann stellt sich natürlich auch die Frage des Amtsmissbrauchs. Das könnte dann also strafrechtlich relevant sein“, ist Salomon überzeugt.

Nun wartet er aber einmal auf das Urteil in der Steiermark. Dann dürften die österreichischen Grenzkontrollen zu Nachbarländern aufhören. Und Stefan Salomon wird die 36 Euro Strafe auch nicht bezahlen müssen.