Markus Wallner
APA/DIETMAR STIPLOVSEK
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Politik

Wallner: „Als ob ich Buchhalter der Nation wäre“

Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) ist in der Sondersitzung des Vorarlberger Landtags zur Wirtschaftsbund-Affäre den Rücktrittsforderungen der Opposition nicht nachgekommen. Die Vorwürfe gegen seine Person wies er vehement zurück. „Als ob ich Buchhalter der Nation wäre“, sagte er am Rednerpult. FPÖ, SPÖ und NEOS sprachen zuvor von skandalösen Vorgängen.

Wallner ließ sich von den gesammelten Rücktrittsforderungen der Opposition nicht beirren. Stattdessen brachte er seinen Ärger zum Ausdruck: Die gesamte Republik und die gesamte Medienlandschaft habe Einblick in den Steuerakt, alles und jedes werde öffentlich zerrissen. Aber das sei eben das politische Geschäft. Zudem wandte er sich direkt an die Opposition: „Sie machen mich in der Öffentlichkeit für jede einzelne Buchung des Wirtschaftsbundes verantwortlich. Als ob ich Buchhalter der Nation wäre.“

„Habe nichts davon unterschrieben“

Zu den Vorwürfen gegen die beiden ehemaligen Direktoren des Wirtschaftsbundes, sich ein Darlehen oder eine Lebensversicherung gegeben zu haben, sagte Wallner: „Da entsteht ein Bild, das nicht meines ist." Aber er habe davon nichts unterschrieben.

Allerdings kenne er kein Gesetz, das verbiete, dass der Wirtschaftsbund die Landespartei unterstützen könne. Er sei aber dafür, dass Spenden immer transparent, fair und sauber seien. Im Durchschnitt habe der Wirtschaftsbund in den vergangenen 20 Jahren 80.000 bis 90.000 Euro direkt an die Landespartei überwiesen. Das sei so zu bewerten wie die Bundesorganisationen aller Parteien, die ihre Landesparteien im Wahlkampf unterstützen.

„Nie persönlich ein Inserat verkauft“

Die persönlichen Vorwürfe gegen ihn wollte Wallner nicht auf sich sitzen lassen: „Wenn in der Öffentlichkeit im Schutz der Anonymität Behauptungen gegen mich aufgestellt werden, die in keinster Weise stimmen, lasse ich mir das nicht gefallen.“ Er habe „nie persönlich ein Inserat verkauft, nie eines verhandelt und nie im Leben irgendetwas dafür angeboten“.

Dass die Opposition anonyme Vorwürfe als Begründung für die Rücktrittsforderung verwende, sei beschämend, wetterte Wallner in Richtung FPÖ, SPÖ und NEOS. Er übernehme Verantwortung dort, wo Verantwortung zu übernehmen sei und wo er Verantwortung trage. „Aber ich lasse mich nicht in der Öffentlichkeit mit falschen Behauptungen im Schutz der Anonymität diskreditieren.“

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Markus Wallner
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Landeshauptmann Markus Wallner bei seiner Rede
Sabine Scheffknecht
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Sabine Scheffknecht, NEOS
Manuela Auer
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Manuela Auer
Christof Bitschi
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Christof Bitschi, FPÖ
Roland Frühstück bei seiner Rede
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Roland Frühstück
Landtagssitzung: Wallner und Zadra
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Landeshauptmann Wallner, Grünen-Klubchef Daniel Zadra
Landtag
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Landtagsplenum
Landtagssitzung
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Landtagsplenum

Opposition forderte Rücktritt

Die Opposition hatte zuvor Wallners Rücktritt gefordert. Der Landeshauptmann habe das Vertrauen der Vorarlberger verloren, so FPÖ-Chef Christof Bitschi. „Ich fordere Sie auf, Verantwortung zu übernehmen“, sagte er in Richtung Wallner. Bitschi sprach als erster Redner in Hinblick auf den einberufenen Sonderlandtag von einem „historischen Moment“. Die bekanntgewordenen „Machenschaften“ wolle man im Land nicht haben, „die haben bei uns nichts verloren“. Es handle sich um einen „Parteifinanzierungsskandal“, an dessen Spitze der Landeshauptmann stehe.

In weiterer Folge zeichnete Bitschi die Entwicklung der vergangenen Wochen nach. Im Rahmen einer Steuerprüfung des ÖVP-Wirtschaftsbunds sei bekanntgeworden, dass Unternehmer unter Druck gesetzt worden seien, in der Wirtschaftsbund-Zeitung „Vorarlberger Wirtschaft“ zu inserieren. „Das ist eine Riesensauerei“, so Bitschi. Aufgrund der bekanntgewordenen „Machenschaften“ der ÖVP sei dem Land riesiger Schaden zugefügt worden.

Landeshauptmann Wallner habe stets davon gesprochen, dass seit 2015 900.000 Euro vom Wirtschaftsbund an die Landes-ÖVP geflossen seien. Das Finanzamt hingegen beziffere den Finanzfluss mit 1,5 Millionen Euro. „Wenn sich das bewahrheitet, hat der Landeshauptmann wochenlang die Unwahrheit erzählt“, betonte Bitschi. Wallner sei über alles informiert gewesen und offenbar auch involviert.

Damit sprach Bitschi eine eidesstattliche Erklärung eines Unternehmers an, bei dem Wallner um Inserate geworben und Entgegenkommen signalisiert habe. „Wenn sich das bestätigt, handelt es sich um Korruption“, stellte der FPÖ-Politiker fest. Jeder einzelne der aufgezählten Punkte sei den Rücktritt wert.

Christof Bitschi
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FPÖ-Chef Bitschi

SPÖ: „Größter Politskandal, den es bisher gegeben hat“

Für SPÖ-Abgeordnete Manuela Auer handelt es sich um den „größten Politskandal, den es bisher gegeben hat“. Der Wirtschaftsbund sei eine Teilorganisation der ÖVP, und Wallner trage die Gesamtverantwortung. Er sei Zuschauer gewesen, ob er auch Akteur gewesen sei, gelte es zu klären. Jedenfalls sei er aber Profiteur eines Systems gewesen, das den politischen Wettbewerb verzerrt habe. „Es geht um ein lange gepflegtes, zur Perfektion ausgearbeitetes System der ÖVP, dem sich niemand entziehen konnte“, betonte Auer in ihrer Rede.

Die Opposition versuche seit Langem, mit Anträgen und Anfragen Licht ins Dunkel zu bringen, habe aber bisher nicht die nötigen Kontrollinstrumente. Dass das System nun zutage trete, sei Medien zu verdanken, die nicht nachgaben, der Finanz, die wohl infolge der Berichterstattung eine Prüfung begann, sowie dem U-Ausschuss auf Bundesebene, der Akten anforderte.

„Die Frage wird sein, ob dieser U-Ausschuss ausreicht, oder ob es einen auf Landesebene auch noch braucht“, so Auer. Man brauche ein Parteifinanzierungsgesetz, das all diese Methoden unterbinde, einen Rechnungshof mit vollen Prüfrechten und entsprechender Ausstattung und einen Neustart in der Regierung, die das auch zulasse.

NEOS: Mangelnder Aufklärungswillen der ÖVP

Angesichts der Vorwürfe nicht bezahlter Steuern, möglicher „Korruption auf höchster Ebene“ und unklarer Geldflüsse beklagte NEOS-Klubobfrau Sabine Scheffknecht mangelnden Aufklärungswillen bei der ÖVP, so habe man mit Karlheinz Rüdisser „den Bock zum Gärtner gemacht“, und die Finanzgebarung von ÖVP und Wirtschaftsbund sei noch immer nicht offengelegt. „Was früher ging, geht nicht mehr, haben Sie gesagt. So leid es mir tut: Das ging noch nie. Sie haben die Zeichen der Zeit verkannt und Sie verkennen sie nach wie vor“, so Scheffknecht an Wallner und die ÖVP.

Ein Misstrauensantrag stehe im Raum. Scheffknecht forderte die ÖVP auf, an der Aufklärung mitzuarbeiten. Sie bescheinigte Wallner, viel für das Land getan zu haben, aber ein Chef müsse Verantwortung für sein Handeln und für das seiner Mitstreiter übernehmen, verpackte Scheffknecht ihre Rücktrittsaufforderung. „Die Menschen sollten einem Landeshauptmann vertrauen können“, meinte sie. „Manchmal muss man Platz machen für Neues“, sagte sie und riet der ÖVP nach Zwischenrufen von Klubobmann Roland Frühstück zudem zu „etwas mehr Demut in dieser Situation“.

Roland Frühstück
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ÖVP-Klubobmann Frühstück

Frühstück: „Verbal gespuckt in Richtung LH“

ÖVP-Klubobmann Frühstück kritisierte die Opposition für ihre Angriffe gegen Wallner. Es werde verbal gespuckt, gekratzt und gehetzt in Richtung des Landeshauptmannes. „Ich habe das Gefühl, dass der Rechtsstaat hier in Teilen ignoriert und Heckenschützen gefeiert wurden. Man zitiert anonyme Briefeschreiber, lobt die noch“, Vorurteile würden jede Minute noch einmal nach vorne gekehrt, so Frühstück: „In welcher Welt leben wir denn, dass ein unbescholtener, jahrelang erfolgreicher Spitzenpolitiker durch Papiere aus einem Steuerakt jetzt solchen Beschuldigungen ausgesetzt ist – ohne dass irgendein Verfahren abgeschlossen ist.“

Dass sich Wirtschaftsbund-Direktoren aus der Kasse auch selbst etwas gegönnt haben könnten, sei allerdings auch für die ÖVP unverständlich, so Frühstück: „Viele Details, die an die Öffentlichkeit gelangt sind, sind mir – und das sage ich in aller Offenheit – höchst peinlich.“ Das Bild, das hier entstanden sei, sei natürlich „für uns eine Katastrophe, und dafür möchte ich mich auch in aller Form entschuldigen“. Es sei jedenfalls wichtig, das Ergebnis der Steuerprüfung abzuwarten, so Frühstück.

Grüne fordern lückenlose Aufklärung

Selbst die Grünen als Koalitionspartner fordern Konsequenzen. Zumindest dann, wenn nun kein Systemwechsel stattfinde, sagt Grünen-Abgeordneter Bernhard Weber. „Wir von den Grünen erwarten uns nicht nur eine lückenlose und proaktive Aufklärung aller Vorkommnisse und rigorose persönliche Konsequenzen für die involvierten Personen, sondern wir erwarten uns einen umfassenden Systemwechsel“, so Weber. Sollte Wallner das nicht gelingen, müsse er Platz für die machen, „die es wollen und die es können“.

Anfrage der Oppositionsparteien

Die Opposition hatte den Sonderlandtag bereits am 4. April beantragt. Er hatte eigentlich nur einen Tagesordnungspunkt: Die Oppositionsparteien forderten, dass der Landesrechnungshof die Finanzen von Parteien und ihren Vorfeldorganisationen kontrollieren darf. Dafür gibt es bisher keine rechtliche Grundlage.

Auch die Direktorin des Landesrechnungshofes, Brigitte Eggler-Bargehr, unterstützt die Forderung der Opposition, dass ihre Institution auch Parteien prüfen darf und die entsprechende rechtliche Grundlage dafür geschaffen wird. Die Inseratenaffäre des Wirtschaftsbundes zeige die Notwendigkeit auf. Der Ruf nach Kontrolle sei oft zu hören, das komme ja von irgendwoher, so Eggler-Bargehr.

„Dass der Ruf nach Kontrolle kommt, ist ja damit bedingt, dass eben Dinge ans Licht kommen, die so nicht sein sollen – und das sind nicht nur Sachen, die nicht rechtmäßig sind, sondern da geht es natürlich auch um Aspekte von Ethik und Moral“, so die Landesrechnungshof-Direktorin.