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Gesundheit

Pensionierungswelle stellt Spitäler vor Herausforderung

In den Landeskrankenhäusern werden in den kommenden zehn Jahren rund 180 Mediziner ihre Pension antreten. Die vielen Pensionierungen stellen die Spitäler vor große Herausforderungen. Wie soll es jetzt weitergehen? ORF-Redakteur Emanuel Broger hat mit Hermann Blaßnig, dem Kurienobmann der angestellten Ärzte, gesprochen.

ORF: Herr Dr. Blaßnig, der Ärztemangel ist in gewissen Bereichen sowieso schon Thema. Jetzt stehen wir auch noch vor einer Pensionierungswelle und trotzdem sind im vergangenen Jahr rund 150 Bewerbungen von jungen ÄrztInnen für Basis-Ausbildungsstellen im Land abgewiesen worden. Wie passt das zusammen?

Blaßnig: Bei den jungen Ärzten gibt es auch kein Problem, dass man zu wenig hätte, es gibt mehr als genug. Man muss sie nur nehmen, weil wenn sie nicht genommen werden, sind sie wieder weg. Das Problem jetzt ist im Alter, weil die Babyboomer-Generation in Pension geht. Das sind von Jahr zu Jahr mehr. Das sind die stärksten Geburtsjahrgänge und die zu ersetzen ist irrsinnig schwierig, weil wir unglaublich viel ärztliche Erfahrung damit aus dem System verlieren, weil die Leute in Pension gehen.

ORF: Es braucht also mehr bereits ausgebildete Ärztinnen und Ärzte. Wo sollte man da aus Ihrer Sicht ansetzen, um das Problem zu lösen?

Blaßnig: An der Attraktivität des Spitalsstandortes für diejenigen, die ihre Ausbildung absolviert haben, die muss man halten können. Da beginnt es mit der Ausbildung, Abteilungsstrukturen, überhaupt die Versorgungsstruktur im Land, dann geht es um Arbeitszeit und um Dienstmodelle. Das Thema 25-Stunden Dienste ist ein äußerst schwieriges. Da haben wir sehr gute Dienstmodelle erarbeitet. Da will man eigentlich nichts anderes. Was man gar nicht will, sind 12-Stunden-Schichtdienst wie in der Schweiz zum Beispiel, das ist völlig unattraktiv. Daher kommen auch Leute von dort. Und schlussendlich geht es dann natürlich auch um Bezahlung. Wir sind in einem extrem harten Arbeitsmarkt diesbezüglich, allein aufgrund der geografischen Lokalisation hier. Die Lebenserhaltungskosten sind allen bekannt. Also schlussendlich geht es natürlich auch darum.

ORF: Eine Entwicklung, die die Situation ja zusätzlich verschärft, ist, dass die neue Generation in der Tendenz nicht so viele Wochenstunden absolviert wie die alte – Stichwort Work-Life-Balance.

Blaßnig: Ja, die Babyboomer Generation, die jetzt in Pension geht, die haben alle über Jahrzehnte in der 120-Prozent-Anstellung gearbeitet. Das stellt sich die junge Generation so nicht mehr vor und das macht sie auch nicht. Das sind 100 Prozent und weniger, das heißt, wir brauchen viel mehr, um die Älteren, die in Pension gehen, zu ersetzen. Das ist so, das muss man akzeptieren. Die Zeiten ändern sich auch.

ORF: Von einer privaten Medizin-Universität in Vorarlberg ist immer wieder die Rede. Wie schätzen Sie das ein?

Blaßnig: Darüber kann man nachdenken, darüber hat man schon nachgedacht. Da hat man auch schon diskutiert. Die Kardinalfrage nach wie vor ist, wer sollen denn die Ausbildner sein? Man muss ja diese Leute dann auch akademisch ausbilden. Und das müssten ja dann wieder diejenigen sein, die in den Spitälern arbeiten und dort an der Grenze sind. Von Covid reden wir da noch gar nicht. Also das wird sicher ganz schwierig.

ORF: Viele, die Medizin studieren wollen, schaffen ja auch die Aufnahmeprüfung für das Medizinstudium nicht. Müsste man da vielleicht auch ansetzen? Zum Beispiel mehr Studienplätze schaffen?

Blaßnig: Ja, ich glaube, das wäre der Schlüssel. Man sollte alle Kraft in Richtung der bereits bestehenden universitären Strukturen richten und eben dort andere Lösungsansätze suchen, finden und umsetzen. Die derzeitigen Aufnahmeprüfungen, sie haben sich einige Male geändert, sind offensichtlich nicht der richtige Weg. An der EU-Quote kommen wir nicht vorbei. Aber es gäbe andere Möglichkeiten, die wurden schon diskutiert mit quasi sozialem Jahr, um zu schauen, wer überhaupt sich qualifiziert für diesen besonderen sozialen Beruf. Also es gibt da ganz andere Lösungsansätze. Ich glaube, die sollte man intensiver verfolgen.