Psychologin der Corona-Sorgen-Hotline
ORF
ORF
Gesundheit

Auswirkungen der Lockdowns auf Psyche schleichend

Die Lockdowns haben dazu geführt, dass sich 15 Prozent der Menschen in Tirol als psychisch belastet einstufen, so eine neue Studie. Immer mehr Menschen müssen auch wegen Depressionen im Spital behandelt werden. Eine Entwicklung, die noch lange nicht vorbei sein dürfte. Dieser Trend macht sich auch in Vorarlberg bemerkbar.

Die Auswirkungen der Lockdowns auf die Psyche sind schleichend und machen sich erst im Laufe der Zeit bemerkbar, sagt Jan Di Pauli, Chefarzt des Psychiatrischen Landeskrankenhauses Rankweil: „Wir haben im Rahmen des ersten Lockdown erst mal eine deutliche Reduktion der Aufnahmen erlebt. Das hat uns sehr überrascht. Wir merken jetzt aber, dass mit der Dauer der Pandemie die Aufnahmen bei uns wieder zunehmen.“ Wenn man die ersten Monate dieses Jahres mit den ersten Monaten des letzten Jahres vergleiche, könne man von rund zehn Prozent sprechen.

Auswirkungen der Pandemie erst in kommenden Monaten

Angst-Störungen und Depressionen stehen hier an oberster Stelle, so Di Pauli. Betroffen sind davon Menschen, die schon vor der Pandemie ein wenig psychisch labil oder verletzlich waren. Frauen sowie junge und alte Menschen zählen ebenfalls zu den Risikogruppen. Ursachen für die Störungen sind laut Di Pauli vor allem die Einsamkeit während der Lockdowns und die Unsicherheiten in Bezug auf Einkommen, Arbeitsplatz, Bildung und Gesundheit.

Der Psychiater rechnet damit, dass sich bei vielen Menschen die Auswirkungen der Pandemie erst in den nächsten Monaten bemerkbar machen: „Psychische Erkrankungen treten in der Regel tatsächlich meist verzögert auf. Es gibt da den Vergleich mit dem Ertrinkenden. Der Ertrinkende ist dann erschöpft, wenn er Land erreicht hat, davor kämpft er. Das hat sich auch bei anderen Krisen, wie zum Beispiel auch damals in New York, bei Nine Eleven gezeigt, dass es
noch bis zu zwei Jahre nach dem Ereignis vermehrt zur Aufnahme in die Psychiatrie gekommen ist und es eben vermehrt Angst und Depressionen gab.“

Vermehrter Konsum von Alkohol und Medikamenten

Long Covid gibt es also auch bei den psychischen Folgeerkrankungen. Di Paulis Innsbrucker Kollegen haben in ihrer Studie auch festgestellt, dass die Lockdowns zu einem vermehrten Konsum von Alkohol, Medikamenten und Opiaten geführt haben. Was darauf hindeutet, dass sich die Zahl der suchtkranken Menschen ebenfalls erhöhen wird. Jan Di Pauli schränkt aber ein, dass dies nicht für alle gilt. Denn die Studie zeigt: Dass bei Menschen, die schon ein riskantes Konsumverhalten haben, der Alkoholkonsum und der Konsum an Benzodiazepine zunimmt. Menschen, die sowieso wenig Alkohol trinken, die haben dieses Risiko wahrscheinlich nicht.

Wie sehr die Lockdowns den Alkoholkonsum aber antreiben können, verdeutlicht Di Pauli anhand einer US-amerikanischen Pandemie-Studie: „Es hat sich gezeigt, dass das Bestellen von Alkohol übers Internet um 200 Prozent zugenommen hat, also eine dramatische Zunahme.“

Die Innsbrucker Forscher starten jetzt eine Studie, um herauszufinden, wie sich die Allgemeinbevölkerung künftig besser vor psychischen Folgen von Lockdowns schützen kann. Ergänzend dazu ist laut Jan Di Pauli eine ähnliche Studie für das Vorarlberger Gesundheitspersonal geplant.