Schreibtisch in einem Büro mit einem vollen Aktenordner
pfluegler photo – stock.adobe.co
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Politik

Wie Chefs im Wirtschaftsbund profitierten

Der ÖVP-Wirtschaftsbund schaut auf seine Mitarbeiter. Das zeigen die Akten aus dem ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss. Zumindest sind in den Akten Zuwendungen an den frisch zurückgetretenen Direktor Jürgen Kessler und seinen Vorgänger Walter Natter ersichtlich. Eine Geschichte über ein Darlehen, eine Lebensversicherung und Fußball.

Dem ORF Vorarlberg und der Tageszeitung „Standard“ liegen Akten aus dem ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss vor. Darin finden sich nicht nur Vorwürfe und Berechnungen der Steuerbehörden, sondern auch Buchungen, die zeigen, wohin das Geld sonst noch geflossen ist. Zum Beispiel 250.000 Euro als Darlehen für eine Immobilie an Wirtschaftsbund-Direktor Kessler.

Wie berichtet, prüft das Finanzamt den Vorarlberger Wirtschaftsbund. Ausgangspunkt sind Berichte über die Inseratenpraktiken im eigenen Magazin „Vorarlberger Wirtschaft“. Inserateneinnahmen, der Gewinn des Wirtschaftsbundes sowie die Geldflüsse an die Landes-ÖVP seien unzureichend oder gar nicht versteuert worden, bemängelt das Finanzamt. Es rechnet mit bis zu 1,3 Millionen Euro Nachzahlungen an Umsatzsteuer, Körperschaftssteuer und der Steuer auf Zuwendungen. Die ÖVP sieht das anders. Der aktuelle Wirtschaftsbund-Obmann Karlheinz Rüdisser rechnet mit rund 700.000 Euro, die nachbezahlt werden müssen.

Hohe Provisionen

Die Inserate zählen zu den Haupteinnahmequellen des Wirtschaftsbundes. Das zeigen die Berechnungen des Finanzamts. Besonders ab 2008 schossen die Inserateneinnahmen in die Höhe. Sie gipfelten 2019 mit Einnahmen von über 1,2 Millionen Euro bei einem Gesamtgewinn des Wirtschaftsbundes von 615.000 Euro. Dass da Geld übrig bleibt, ist nicht verwunderlich. Das Finanzamt spricht von rund fünf Millionen Euro Rücklagen. Insgesamt nahm der Wirtschaftsbund zwischen 2016 und 2021 rund 4,5 Millionen Euro über Inserate ein.

Auch Kessler und sein Vorgänger Natter haben davon profitiert. Wie aus den Unterlagen hervorgeht, erhielt Natter 15 Prozent Provision. Das ergab in den Jahren 2015 bis 2017 jeweils rund 40.000 Euro. Auch für Kessler existierten Provisionsvereinbarungen. Und das bei wesentlich höheren Inserateneinnahmen.

Darlehen als Anerkennung

Geld floss auch für andere Projekte, zum Beispiel für eine Immobilie. Die Akten enthalten eine Vereinbarung zwischen Kessler, Wirtschaftsbundobmann Hans-Peter Metzler und Finanzreferent Jürgen Rauch. Zitat: „Als Anerkennung für seinen Arbeitseinsatz erhält Jürgen Kessler (für den Zweck einer privaten Immobilieninvestition) ein Darlehen in Höhe von 250.000 Euro. Der Betrag versteht sich als Unterstützungsleistung.“

Die Rückzahlung wurde in monatlichen oder jährlichen Teilbeträgen festgesetzt und muss in längstens 15 Jahren abgeschlossen sein. Sollte Kessler davor ausscheiden, muss er den Betrag innerhalb von drei Monaten zurückzahlen. Mehr enthält die Vereinbarung nicht. Daran stößt sich auch das Finanzamt. So sei das Darlehen nicht abgesichert. „Bitte um Stellungnahme, weshalb auf jegliche Sicherheiten verzichtet wurde. Wurden Auskünfte über die Bonität von Herrn Kessler eingeholt? Ebenso wenig wurde eine Verzinsung vertraglich vereinbart. Bitte um Stellungnahme.“ Der Vertrag beinhalte auch keine Modalitäten zur Rückzahlung. Es sei nicht geregelt, was geschieht, falls das Geld nicht zurückbezahlt wird.

Die Stellungnahme des Wirtschaftsbundes lautet lapidar: „Die Darlehensvereinbarung zwischen den Wirtschaftsbund und seinem Geschäftsführer lässt aus Sicht des Wirtschaftsbundes keine Fragen offen.“ Es sei als Dienstgeberdarlehen ausbezahlt worden und nach Rücksprache mit dem Steuerberater als Barvorlag verbucht worden. Kessler war auf ORF-Anfrage nicht erreichbar.

Unklarheit über Lebensversicherung

Auf einem Kontoauszug finden sich zwischen zahlreichen Eingängen von Mitgliedsbeiträgen (25 oder 100 Euro) auch ein Kontoausgang von 24.000 Euro an ein Versicherungsunternehmen. Betreff: „Lebensversicherung Walter Natter.“ Verbucht wurde das auf das Aufwandskonto „7780 Wahlen“. Auch hier hakt die Finanz nach: Sie möchte wissen, welche Versicherung das sei, und fordert den Versicherungsvertrag bzw. die Polizze. „Und bitte um Auskunft, weshalb eine Zahlung für eine Lebensversicherung auf das Aufwandskonto Wahlen gebucht wurde.“ Auch hier antwortet der Wirtschaftsbund kurz: „Die aktuelle Geschäftsführung hat dazu keine Informationen.“ Natter war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Natters Dienstfahrzeug findet auch Erwähnung. Neu kostete der BMW rund 60.000 Euro. Etwas mehr als ein Jahr später, als Natter ausschied, lag der Buchwert laut Finanzamt bei knapp 49.000 Euro. Bezahlt sei nichts geworden, allerdings wurde eine Forderung auf ein Verrechnungskonto eingetragen: 33.000 Euro. Die Finanz möchte vor allem wissen, welche Tätigkeit Natter denn noch ausübe. Die Antwort des Wirtschaftsbundes ist überaus schmeichelhaft. Natter habe nach Ausscheiden als Direktor den Themenkomplex „gewerbliche Sozialversicherung“ betreut. Er sei dabei von „unschätzbarem Wert“.

Als ehemaliger Obmann der VGKK-Kontrollversammlung und Obmann der SVA (Sozialversicherung der Selbstständigen) „war er für diese Aufgabe geradezu prädestiniert“. Dafür habe er einen Büroarbeitsplatz bekommen, den er auch regelmäßig nutzte. Das sei mündlich vereinbart worden. Natter erledige seine Arbeit „sehr produktiv und erfolgreich“, schreibt der Wirtschaftsbund.

Insgesamt fehlen bei vielen Buchungen die Belege, auch bei kleinen Beträgen. Immer wieder wurden Beträge in bar abgeholt, die unter dem Titel „Rotes Kreuz“ gelaufen sind. Insgesamt waren es 4.500 Euro. Dem Finanzamt fehlen allerdings Belege, dass dieses Geld auch wirklich dort angekommen ist. Keine Belegsbestätigung gibt es auch für eine Buchung in Höhe von 250 Euro. Titel: „Zuwendung an FC Wolfurt (U12)“. Nachwuchstrainer in Wolfurt ist Kessler.