Geldscheine Stapel
Klaus Eppele – stock.adobe.com
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Politik

Wirtschaftsbund droht Steuernachzahlung in Millionenhöhe

Der Vorarlberger ÖVP-Wirtschaftsbund könnte über eine Million Euro Steuern nachzahlen müssen. Das geht aus Akten aus dem ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss des Nationalrats hervor, die dem ORF Vorarlberg und dem „Standard“ vorliegen. Auch die Geldflüsse an die Landes-ÖVP könnten höher als bisher behauptet sein.

Keine Körperschaftssteuer, keine Umsatzsteuer, keine Steuer auf die Zuwendungen an Parteien: Dem Vorarlberger Wirtschaftsbund droht eine ordentliche Nachzahlung. Dem ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss wurden erste Unterlagen zur Steuerprüfung zugespielt.

Die Akten liegen dem ORF Vorarlberg und der Tageszeitung „Der Standard“ vor. Sie zeigen: Dem Wirtschaftsbund droht eine Steuernachzahlung von mehr als 1,2 Millionen Euro. Zudem könnte die Selbstanzeige zu spät gekommen sein. Die Finanz nimmt dem Wirtschaftsbund seine Finanzgebarung nicht ab.

Inserate des Wirtschaftsbundes im Fokus

Rückblick: Im November des Vorjahres berichtete der ORF über Inseratenpraktiken des ÖVP-Wirtschaftsbundes. Es ging vor allem um die Frage, wie der Wirtschaftsbund Geld lukriert und an die Partei weitergibt. Über Weihnachten ist es wieder ruhiger geworden, bis vor einigen Wochen das Thema erneut aufflammte. Denn es wurde bekannt, dass der Wirtschaftsbund einer Steuerprüfung unterzogen wird. Außerdem hat sich der Vorarlberger Wirtschaftsbund selbst angezeigt.

Im Laufe der Diskussion mussten Wirtschaftsbund-Obmann und Wirtschaftskammer-Vorarlberg-Präsident Hans-Peter Metzler sowie Wirtschaftsbund-Direktor Jürgen Kessler den Hut nehmen. Immer mehr Unternehmer meldeten sich und bestätigten, dass sie zum Teil unter Druck gesetzt wurden, um Inserate in der Wirtschaftsbund-Zeitung zu schalten. Auch die Weitergabe von Geld an die Landes-ÖVP sorgte für Ärger.

Die Zahlen im Detail

Der ehemalige Landesrat Karlheinz Rüdisser (ÖVP) wurde als Krisenmanager eingesetzt und übernahm vorerst den Vorarlberger Wirtschaftsbund. Er versprach zwar Transparenz, nackte Zahlen hatte er aber noch nicht parat. Anders sieht es bei den Steuerprüfern aus. Sie haben minutiös aufgelistet, wie es um den Wirtschaftsbund bestellt ist. Zum Beispiel bei den Inseraten.

Laut Aufstellung des Wirtschaftsbundes nahm er in den Jahren 2016 und 2017 jeweils rund 300.000 Euro durch Inserate für die Zeitung „Vorarlberger Wirtschaft“ ein. 2018 waren es schon mehr als 700.000 Euro, 2019 dann 1,2 Millionen Euro, 2020 noch einmal knapp über eine Million Euro und 2021 über 800.000 Euro.

Das ergibt insgesamt rund 4,5 Millionen Euro. Der Wirtschaftsbund zahlte dafür fünf Prozent Werbeabgabe, allerdings keine Umsatzsteuer. Das Finanzamt rechnet damit, dass über 700.000 Euro nachbezahlt werden müssen.

Prüfer: Gewinn statt Verlust

Während die Prüfer dem Wirtschaftsbund die Berechnung der Inseratenerlöse glauben, sieht es bei der generellen Finanzaufstellung anders aus. Laut Selbstanzeige habe der Wirtschaftsbund zwischen 2016 und 2020 einen Verlust von 180.000 Euro eingefahren, heißt es im Akt des Untersuchungsausschusses. Laut Schätzungen der Prüfer sei allerdings ein Gewinn von mehr als 1,3 Millionen Euro erzielt worden, der der Körperschaftssteuer unterliegt. Das wären rund 340.000 Euro.

Finanzamt: Mehr als von Wallner angegeben

Während Umsatzsteuer und Körperschaftssteuer auch Teil der Selbstanzeige sind, ist von der Steuer auf die Zuwendungen der Landespartei darin keine Rede. Auch die müsste mit 15 Prozent versteuert werden, schreiben die Prüfer. Bisher nannte Landeshauptmann und ÖVP-Parteichef Markus Wallner den Betrag von 900.000 Euro, die an die Landes-ÖVP vom Wirtschaftsbund geflossen seien. Laut Berechnungen des Finanzamts ist es allerdings wesentlich mehr. Seit 2015 sollten mehr als 1,2 Millionen Euro an Zuwendungen an die Landespartei geflossen sein.

Dazu kommen rund 40.000 Euro pro Jahr für weitere Aufwendungen, darunter Geld für Veranstaltungen und Wahlkampfwerbung. Das ergibt insgesamt seit 2015: 1,5 Millionen Euro vom Wirtschaftsbund an die Landes-ÖVP. 15 Prozent davon sind 225.975 Euro. Damit könnte insgesamt eine Nachzahlung von über 1,3 Millionen Euro anstehen.

Rüdisser betonte, dass es noch keinen Abschlussbericht gebe. Einige Fragen seien bei einer abschließenden Besprechung mit den Steuerprüfern Anfang Mai noch zu klären, erst danach könne er genauere Angaben machen. Die vom ORF Vorarlberg und dem „Standard“ errechneten 1,3 Millionen Euro Steuerlast überraschen den interimistischen geschäftsführenden Obmann. Er gehe aktuell von 700.000 Euro aus, die als Nachzahlungen möglich sein könnten.

Zeitpunkt der Selbstanzeige

Um möglichen Strafen zu entgehen, hatte der Wirtschaftsbund Ende Jänner eine Selbstanzeige erstattet. Anfang Februar wurde sie ergänzt. Das ist so üblich. Die Finanzprüfer glauben allerdings, dass die Selbstanzeige nur zum Teil strafmildernd wirken könnte.

Denn bereits seit Mitte Dezember werden Kessler (der bis vor kurzem Direktor war) und sein Vorgänger Walter Natter untersucht. Sie hatten sich nämlich 15 Prozent Provision für jedes verkaufte Inserat ausbezahlt. Deshalb schreibt der ermittelnde Finanzbeamte: „Ob diese Selbstanzeige voll greift, ist fraglich.“ Denn der Wirtschaftsbund habe durch diese Prüfung schon gewusst, was auf ihn und die Verantwortlichen zukommt.

Sollte das allerdings von den zuständigen Juristen anders gesehen werden, so sei zumindest Natter nicht vom Schutz der Selbstanzeige betroffen. Sein Name wird nämlich erst in einer Ergänzung zur Selbstanzeige im Februar erwähnt, die am Tag der Steuerprüfung übergeben wurde. Ebenfalls Teil der Selbstanzeige sind der Steuerberater, die Finanzreferenten Jürgen und Franz Rauch sowie Metzler.

Veranstaltungskosten für die ÖVP

Auch bei der ÖVP dürfte die Steuerprüfung noch für Diskussionen sorgen. Wallner betonte bisher stets, dass 900.000 Euro vom Wirtschaftsbund an die Landespartei geflossen seien. Die Finanz kommt auf eine höhere Summe. 1,2 Millionen Euro sollen direkt an die ÖVP bezahlt worden sein. Dazu kommen jährlich weitere Zuwendungen von rund 40.000 Euro, darunter diverse Barauszahlungen.

Daneben übernahm der Wirtschaftsbund Veranstaltungskosten für die ÖVP, zum Beispiel, als Sebastian Kurz auf Wahlkampftour war (11.000 Euro), und für ein Grillfest, aber auch Veranstaltungsfotografie und Druckkosten wurden für die Partei übernommen. Es könnten also statt 900.000 rund 1,5 Millionen Euro an die ÖVP bezahlt worden sein.