Zeitumstellung auf Sommerzeit
by-studio – stock.adobe.com
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Zeitumstellung

Änderung weiterhin nur an der Uhr in Sicht

In der Nacht auf Sonntag werden die Uhren wieder vorgestellt von 2.00 Uhr auf 3.00 Uhr. Alle sechs Monate wird über Sinnhaftigkeit und etwaige Nebenwirkungen diskutiert – und gefragt, warum die eigentlich seit Jahren angestrebte Abschaffung wieder einmal ausbleibt und welche Zeit stattdessen dauerhaft gelten sollte.

Wenngleich im Zusammenhang mit der Umstellung oft von der Winterzeit gesprochen wird, handelt sich doch um die Normalzeit oder Standardzeit, die sich grob am Sonnenstand orientiert: Damit ist es innerhalb einer geographischen Zeitzone zum Zeitpunkt des annähernd höchsten Sonnenstandes 12.00 Uhr. Damit wird die Zeit zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang nahezu symmetrisch geteilt.

Die Sommerzeit hingegen verschiebt sozusagen den Sonnenauf- und -untergang um eine Stunde in den Abend hinein: Es wird quasi später hell und dunkel. Weil die meisten Personen um 4.00 Uhr früh noch schlafen, aber um 21.30 Uhr noch wach sind, stimmt die überwiegende Wachphase dadurch mit mehr Tageslichtzeit überein.

Technisch eher lästig als problematisch

Rein technisch ist die Umstellung heute keine Herausforderung mehr: die meisten Handys, Digitaluhren und Haushaltsgeräte erledigen sie inzwischen weitgehend selbständig. Mühselig wird es fast nur noch mit älteren Geräten oder Digitalanzeigen z.B. in älteren Autos. Lästig ist sie vielen dennoch: Weit verbreitet sind Klagen über Schlafprobleme, Konzentrationsmangel und Übellaunigkeit – vor allem auch bei Kindern, deren Schlafrhythmus sich nicht so leicht anpassen lässt wie bei Erwachsenen, die sich z.B. mit Kaffee stimulieren können.

Desiro ML
Philipp Horak/ÖBB
Im Bahnverkehr verursacht die Zeitumstellung mitunter hohe Kosten und komplizierte Fahrplanänderungen

Aufwändig, teuer und mühsam

Ernsthafte Kosten und Probleme erzeugt die Umstellung weiterhin vor allem für Transportunternehmen, Busse und Bahnen oder in der Landwirtschaft: Kühe brauchen z.B. oft mehr als eine Woche, um sich an die geänderten Melkzeiten anzupassen. Bei der Frühjahrsumstellung ist die Milchleistung einige Tage lang geringer. Mühsam ist die Umstellung auch für alle Einrichtung mit nächtlichem Bereitschaftsdienst, denn dort wird der Nachtdienst eine Stunde länger oder die Ruhezeit eine Stunde kürzer – was mitunter gesetzlichen Regelungen widerspricht. Also müssen für die Tage der Zeitumstellung spezielle Dienstpläne erstellt werden, was umständlich ist und Kosten verursacht.

Energiesparen: Fehlanzeige

Ihren ursprünglichen Zweck hat die Sommerzeit noch nie erfüllt: Die erhoffte Energieeinsparung blieb stets an der Messbarkeitsgrenze und wurde schon bei der Wieder-Einführung (davor gab es sie in Österreich bereits 1916-1920 und 1940-1948) im Jahre 1980 angezweifelt. In erster Linie strebte man damals aber eine einheitliche Abstimmung mit Nachbarländern.

Kinder füttern Kühe. Wiederkäuer, Heu und Kinder – eine gute Kombination für die Gesundheit der nächsten Generation. Der erste „Bauernhof-Effekt“-Termin hat inzwischen am Biohof Lingenhel in Doren stattgefunden.
Urlaub am Bauernhof, Ludwig Berchtold
Kühe brauchen oft mehr als eine Woche, um sich an die geänderten Melkzeiten anzupassen und die Milchleistung sinkt

Einig ist man sich nur über die Abschaffung

Die Einheitlichkeit mit anderen Staaten in der selben Zeitzone ist und bleibt der Dreh- und Angelpunkt auch bei der in der EU angestrebten Abschaffung der Zeitumstellung. Bereits 2018 befragte die EU-Kommission die Bevölkerung online zu diesem Thema. Daran nahmen zwar 4,6 Millionen Menschen teil (mit rund 3 Millionen größtenteils Deutsche), aber das entsprach dennoch nur etwa einem Prozent der EU-Bürger. Das Ergebnis war aber mehr als deutlich: 84 Prozent davon waren für eine Abschaffung.

Da wird wohl noch viel Zeit vergehen

Das Europaparlament stimmte daraufhin im März 2019 mit großer Mehrheit für eine Abschaffung bis 2021 oder 2022, falls es dadurch Probleme im Binnenmarkt geben würde. Allerdings müsste für eine tatsächliche Umsetzung die Mehrheit der Mitgliedsstaaten zustimmen. Also schlug die Kommission vor, den Wechsel abzuschaffen, aber es den einzelnen Staaten zu überlassen, ob bei ihnen künftig permanent die Normalzeit oder die Sommerzeit gilt. Die dafür notwendige Abstimmung wurde aber bisher nicht angesetzt. Die EU-Kommission antwortet auf die regelmäßig vor dem Wechsel gestellten Nachfragen gewissermaßen achselzuckend: der Ball liege im Feld der Mitgliedsstaaten.

Wie spät es sein soll ist auch eine Standortfrage

Seit Jahren ist aber unter den 27 Staaten keine mehrheitsfähige Lösung für den Wegfall der Zeitumstellung abzusehen. Ein Flickenteppich verschiedener Zeitzonen unter Nachbarstaaten soll möglichst vermieden werden. Während die meisten zwar einen Wegfall der Umstellung befürworten, herrscht Uneinigkeit darüber, welche Zeit in diesem Fall permanent gelten soll. Das liegt unter anderem natürlich an der Geographie: An den jeweiligen Rändern der Mitteleuropäischen Zeitzone wären die Auswirkungen drastisch: In Portugal würde es im Fall dauerhafter Sommerzeit im Winter erst um 10.00 Uhr hell werden. Bei dauerhafter Winterzeit würde die Sonne in Polen im Sommer schon um 3.00 Uhr aufgehen. Die Zeitumstellung federt diese Phänomene bisher immerhin etwas ab.

Föhnsturm bei Sonnenaufgang
Tarja Prüss
Dauerhafte Sommerzeit würde bedeuten, dass es im Winter noch später hell wird

In Österreich waren im Oktober 2018 bei einer Befragung von 800 Teilnehmenden rund 51 Prozent für dauerhafte Sommerzeit, 27 Prozent für permanente Normalzeit und 21 Prozent für eine Beibehaltung der Umstellung.

Forschung warnt vor Dauersommer

Viele Schlafforschende und Chronobiologen, die sich mit dem Schlaf/Wach-Rhythmus des Menschen beschäftigen, raten von einer ganzjährigen Sommerzeit ab: Weil im Winter dadurch morgens noch länger das Tageslicht fehlt, könne sich die innere Uhr noch schlechter anpassen, was zu Schlafmangel, Gemütsschwankungen und insgesamt negativen Auswirkungen für die Gesundheit führe. Es gibt aber auch Forschende, die das für unwahrscheinlich halten.

Unterschiedliche Interessen

Natürlich wirkt sich auch die individuelle Interessenlage auf die Meinung zur Sommerzeit aus. Eine Befragung des deutschen ifo Instituts für Wirtschaftsforschung unter mehr als 1.300 Unternehmen ergab, dass Handel und Gastgewerbe eher die Sommerzeit vorziehen würden, während beispielsweise der deutsche Lehrerverband schon seit 2019 die ständige Normalzeit fordert und eine permanente Sommerzeit für unverantwortlich hält – u.a. wegen der langen morgendlichen Dunkelheit auf Schulwegen im Winter. Der Bundesverband der Industrie hingegen will einfach eine einheitliche EU-Regelung, um die Logistik des Binnenmarktes nicht zu stören. Das Baugewerbe hingegen befürchtet ein Chaos und setzt sich für eine Beibehaltung der Umstellung ein.

Die Zeit wird’s (uns allen) zeigen

„Allen Menschen recht getan ist eine Kunst, die niemand kann“ – das alte Sprichwort drängt sich also auch bei dem halbjährlich aufpoppenden Streit um die Zeitumstellung auf. Eine Einigung scheint nach wie vor in weiter Ferne. So lange sich aber nichts an den verordneten Zeitläufen ändert, bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als nötigenfalls den individuellen Blickwinkel anzupassen: Angesichts ihrer unaufhaltsamen Vergänglichkeit scheint sich die wechselnde Angabe der Zeit doch weit weniger auf uns auszuwirken.