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Wirtschaft

Firmenpleiten fast wieder auf Vor-Krisenniveau

Während in den vergangenen beiden Pandemie-Jahren vergleichsweise wenig Unternehmen Insolvenz anmeldeten, ist die Zahl der Firmenpleiten nun deutlich gestiegen und damit beinahe wieder auf Vor-Krisenniveau. Vorarlberg verzeichnet dabei mit einem Plus von fast 290 Prozent den zweithöchsten Anstieg in Österreich.

Laut aktueller Insolvenzhochrechnung des Kreditschutzverbandes von 1870 (KSV) waren im ersten Quartal 2022 in Österreich 1.011 Unternehmen von einer Insolvenz betroffen – das entspricht einem Anstieg von 110,2 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Vorarlberg verzeichnet sogar ein Plus von 287,5 Prozent und steht damit hinsichtlich des Zuwachses an Firmenpleiten österreichweit an zweiter Stelle. Allerdings: Gemessen an den Zahlen des Jahres 2019 – und damit dem letzten „normalen“ Jahr – ergibt sich noch ein Minus von rund 14 Prozent. Das heißt: Das Niveau von vor der Pandemie ist noch nicht erreicht, aber wohl bald.

KSV: Niedrige Zahlen in Pandemie wegen Förderungen

In Vorarlberg schlitterten im ersten Quartal 2022 hochgerechnet 31 Unternehmen in die Pleite, hiervon wurden 13 Verfahren mangels kostendeckendem Vermögen nicht eröffnet. „Österreichweit hat gegen Ende des Jahres 2021 im Bereich der Unternehmensinsolvenzen eine Trendumkehr eingesetzt, die nun auch in Vorarlberg angekommen ist. Die aktuellen Zahlen befinden sich annähernd auf ‚Vor-Krisen-Niveau‘“, erklärt Victoria Schuchlenz, KSV1870-Standortleiterin in Vorarlberg.

Die Entwicklungen der vergangenen Monate bestätigen laut Schuchlenz, dass die niedrigen Insolvenzzahlen in den vergangenen eineinhalb Jahren vor allem den „staatlichen Eingriffen“ geschuldet waren – diese Förderungen liefen größtenteils mit Ende September 2021 aus. Experten hatten immer wieder darauf hingewiesen, dass sich manche Unternehmen mit den staatlichen CoV-Unterstützungsprogrammen über Wasser halten und die Insolvenzzahlen nach Beendigung der Maßnahmen wieder steigen würden.

Sämtliche Bundesländer mit Pleiten-Plus

Laut KSV1870 verzeichnen im ersten Quartal alle neun Bundesländer deutlich mehr Unternehmensinsolvenzen als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Wie bei den Privatkonkursen steht auch Tirol bei dem Zuwachs an Firmeninsolvenzen ganz oben: 80 Firmenpleiten bedeuten eine Steigerung von über 320 Prozent – geschuldet ist dies vor allem sogenannten „Nachholeffekten“ vergangener Monate. Dahinter folgen Vorarlberg (+ 287,5 Prozent) und Niederösterreich (+ 234,3 Prozent). Den verhältnismäßig geringsten Zuwachs gibt es in der Steiermark – aber auch dort sind es 43,2 Prozent mehr Fälle als noch im ersten Quartal des Vorjahres.

Vorarlberg mit geringstem Anstieg bei Verbindlichkeiten

Parallel zur Entwicklung der Firmenpleiten fallen auch die vorläufigen Verbindlichkeiten österreichweit höher aus als im ersten Quartal 2021, auch wenn es in den Bundesländern zu deutlich gegensätzlichen Entwicklungen gekommen ist. Im Burgenland erhöhten sich die Schulden von einer Million auf 29 Millionen Euro, was laut KSV damit zu tun hat, dass es zuletzt mehrere verhältnismäßig große Insolvenzen gab. In Prozent ausgedrückt beträgt hier der Zuwachs 2.800 Prozent.

Im Gegensatz dazu verzeichnen Wien mit 57,8 Prozent und Vorarlberg mit 55,6 Prozent die deutlichsten Rückgänge – obwohl es auch in diesen Regionen mehr Firmenpleiten gibt. Erklären lässt sich dies für das Ländle damit, dass es im ersten Quartal des Vorjahres eine Großinsolvenz gab, die die Passiva massiv in die Höhe getrieben hat.

Ein Fünftel mehr Privatkonkurse

Auch bei den Privatkonkursen ist bundesweit ein Zuwachs zu verzeichnen, allerdings nicht so stark wie bei den Firmeninsolvenzen. Österreichweit stieg die Zahl der Privatkonkurse um rund ein Fünftel: Laut aktueller KSV1870- Insolvenzhochrechnung wurden im ersten Quartal 2022 in Österreich 2.135 eröffnete Schuldenregulierungsverfahren gezählt – das entspricht einem Plus von 19,7 Prozent gegenüber dem ersten Quartal des Vorjahres. Im Vergleich zum Jahr 2019, dem letzten „Normaljahr“ vor der Corona-Pandemie, bedeutet das immer noch einen Rückgang von 14,3 Prozent.

Privatkonkurse: Immer noch Rückgang in Vorarlberg

Allerdings gibt es bei den Privatkonkursen starke Unterschiede zwischen den Bundesländern. Tirol verzeichnet mit einem Plus von knapp 124 Prozent gegenüber dem Vorjahr den gravierendsten Anstieg. Dieser Anstieg sei vor allem mit sogenannten „Nachholeffekten“ im Zuge der Insolvenznovelle 2021 begründbar, so der KSV.

Ebenfalls mit sehr starken Zuwächsen müssen sich das Burgenland
(+ 43,3 Prozent), Niederösterreich (+ 40,7 Prozent) und die Steiermark (+ 33 Prozent) befassen. Demgegenüber stehen drei Bundesländer mit einer rückläufigen Entwicklung – das sind Vorarlberg (- 10,2 Prozent), Salzburg (- 8,2 Prozent) und Kärnten (- 1,3 Prozent).

Auch bei den Verbindlichkeiten verzeichnet Vorarlberg einen Rückgang im Vergleich zum Vorjahr – von minus 64,3 Prozent. Mit Oberösterreich gibt es nur in einem weiteren Bundesland einen Rückgang, der allerdings gering ist (- 3,6 Prozent).

Weitere Entwicklung schwer einschätzbar

Die weitere Entwicklung ist laut KSV nur schwer einzuschätzen – angesichts der vielfältigen Krisensituationen, denen die heimische Wirtschaft und auch die Privatpersonen ausgesetzt seien. Die österreichischen Unternehmen hätten unter anderem mit hohen Energie- und Rohstoffpreisen zu kämpfen, die je nach Branche unterschiedlichste Auswirkungen mit sich bringen könnten. Hinzu komme etwa die Entwicklung der Inflationsrate und jene der Zinsanpassungen durch die Europäische Zentralbank.

„Aus heutiger Sicht liegt es jedenfalls im Bereich des Möglichen, erstmals seit Ausbruch der Pandemie ein Jahresergebnis zu erzielen, das auf ‚Vor-Krisen-Niveau‘ liegt“, so Schuchlenz zu den Firmeninsolvenzen. Ähnlich die Aussage des KSV für die Privatkonkurse: Auch hier gehe es in Richtung Vor-Krisen-Niveau.