Dialyse-Gerät
Peter Atkins – stock.adobe.com
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Medizin

Tausch unter Ehepaaren: Niere gegen Niere

Erstmals in der Transplantationsgeschichte Vorarlbergs hat es im Herbst 2021 einen Treffer für eine „Überkreuz-Nierenlebendspende“ für zwei Paare aus dem Ländle gegeben. Dabei konnte zwei nierenkranken Frauen erfolgreich die gesunde Niere des jeweils anderen Ehemannes transplantiert werden, wie die KHBG am Montag mitteilte.

Die zwei Paare haben sich nie kennengelernt, denn eine Überkreuz-Spende, international „Crossover“ genannt, wird in Österreich anonym durchgeführt. Und trotzdem haben sie gegenseitig eine schicksalsträchtige Rolle im Leben der anderen übernommen. Im Herbst gab es in der Datenbank einen entsprechenden Treffer, wie die Krankenhausbetriebsgesellschaft (KHBG) am Montag in einer Aussendung mitteilte, inzwischen haben beide Paare die Operationen hinter sich. Möglich wurde die „Überkreuz“-Spende durch eine wechselseitige Übereinstimmung der dafür notwendigen körperlichen Gewebsmerkmale und Blutgruppen. Ein recht seltener Glücksfall.

Ein Team der Abteilung „Nephrologie und Dialyse“ am Landeskrankenhaus Feldkirch hat die beiden Paare medizinisch vor- und nachbetreut. Die Eingriffe selbst sind – bei beiden Paaren gleichzeitig – im Transplantationszentrum der Uniklinik Innsbruck durchgeführt worden.

Eigenes Register für „Überkreuz-Spenden“

Wenn eine direkte Lebendspende nicht möglich oder sehr schwierig ist, gibt es die Möglichkeit der „Überkreuz-Spende“ (crossover) beziehungsweise des „Nierenaustauschs“ (kidney paired donation). Diese freiwillige Option des „Nierenaustauschs“ wird in vielen Ländern weltweit angeboten, auch Österreich hat vor rund zehn Jahren mit einem eigenen Programm begonnen.

Bundesweit nehmen alle Transplant-Zentren (Innsbruck, Graz, Linz und Wien) daran teil. Für eine Nierenaustauschspende gelten dieselben gesetzlichen Regelungen wie für eine Lebendspende unter Familienmitgliedern oder Freunden.

Suche nach passenden Kombinationen

2020 haben sich erstmals Vorarlberger Paare aus Patientinnen und Patienten sowie Spenderinnen und Spendern auf diese Liste setzen lassen. Sie nehmen damit an einem Programm teil, das immunologisch passende Kombinationen unter den gelisteten Teilnehmerinnen und Teilnehmer computergesteuert herausfiltert.

Bei einem Treffer geht die gespendete Niere dann nicht an die nahestehende Person, sondern an einen „fremden“ Empfänger eines weiteren Paares auf der Liste, dessen Gewebe untereinander ebenfalls nicht zusammengepasst hat.

Oberärztin Dr. Hannelore Sprenger
Karin Nussbaumer
Oberärztin Dr. Hannelore Sprenger-Mähr

Im Gegenzug bekommt dann das erste Paar die Niere eines anderen Spenders: „Das kann ein direkter Austausch zwischen zwei Paaren sein, es können aber auch Organe in größeren Gruppen ausgetauscht werden. Das prominenteste Beispiel ist ein Austausch von 30 Nieren in einer Gruppe von 60 Menschen in den USA“, erklärt Nephrologin Hannelore Sprenger-Mähr, Oberärztin der Abteilung „Nephrologie und Dialyse“ am LKH Feldkirch. Die Operationen der „Überkreuz“-Paare finden dabei möglichst gleichzeitig statt, um für alle die gleichen Bedingungen zu schaffen.

Vier Jahre Wartezeit bei Spenden von Verstorbenen

Allgemein beträgt die durchschnittliche Wartezeit für eine Niere für eine Patientin oder einen Patienten in Vorarlberg rund drei bis vier Jahre. Derzeit warten knapp 40 Personen im Land auf eine Spenderniere, transplantiert werden pro Jahr im Durchschnitt 15.

Durch eine Lebendspende eines gesunden Menschen kann diese Wartezeit verkürzt werden. Wenn sich innerhalb des Familien- oder Freundeskreises keine Lebendspenderin oder kein Lebendspender findet, dann werden die Patientinnen und Patienten – wenn sie die medizinischen Kriterien erfüllen – routinemäßig auf die internationale Euro-Transplant-Warteliste (Spenden von Verstorbenen) gesetzt.

Bis sie Organe erhalten, übernimmt die Dialyse die Aufgabe der erkrankten Nieren, und das Blut wird maschinell gereinigt. „Wenn bei uns Patientinnen oder Patienten in der Ambulanz betreut werden, von denen wir wissen, dass sie bald dialysepflichtig werden, dann machen wir sie darauf aufmerksam, dass auch die Transplantation eine Möglichkeit der Nierenersatztherapie ist. Es ist unserer Erfahrung nach sogar die beste Möglichkeit für all jene, die körperlich dafür geeignet sind“, so Sprenger-Mähr.

Lebendspende kann Dialyse ersparen

In Vorarlberg erhalten im Durchschnitt zwei bis fünf Menschen pro Jahr eine Niere von Lebendspenderinnen oder Lebendspendern aus ihrem persönlichen Umfeld. „Wer das Glück hat und von vornherein weiß, dass es Angehörige, Partnerinnen oder Partner oder Freunde gibt, die einer Lebendspende zustimmen, der kann sich die mehrmals wöchentlich notwendige Prozedur sogar ganz ersparen und eine neue Niere bekommen, ohne jemals dialysepflichtig zu werden“, weiß die Spezialistin.

Am häufigsten finden Lebendspenden hierzulande zwischen Ehepartnern, Geschwistern sowie zwischen Eltern und ihren Kindern statt. „Im Falle von Kindern und jungen Erwachsenen, denen eine Dialyse bevorsteht, sind die Eltern eigentlich immer bereit, sich auf diese Möglichkeit hin untersuchen zu lassen.“

Gesundheit vor Alter

Nicht jeder Mensch ist automatisch für eine Transplantation geeignet, nicht jeder Körper ist gesund und fit genug, um operiert zu werden und ein fremdes Organ anzunehmen. Das Alter spielt dabei allerdings nicht die entscheidende Rolle.

„Es gibt gewisse medizinische Kriterien, die Patientinnen und Patienten erfüllen müssen, um auf die Warteliste für Spendernieren aufgenommen zu werden. Egal, ob sie 70 oder 20 Jahre alt sind“, erklärt Sprenger-Mähr: „Von unseren Dialysepatientinnen und Dialysepatienten am LKH Feldkirch sind maximal 25 bis 30 Prozent für eine Transplantation geeignet. Patientinnen und Patienten, die zusätzlich zu ihrer Nierenerkrankung etwa an schwerem Diabetes, Gefäßerkrankungen, Herz- oder Krebserkrankungen leiden, kommen dafür nicht infrage.“

Eine weitere Voraussetzung für eine Transplantation ist, dass das Gewebe von Spenderin oder Spender und Empfängerin oder Empfänger immunologisch zusammenpasst. Das gilt sowohl für Lebendspenden, als auch für die Transplantation von Organen Verstorbener.

Gute Lebensqualität mit nur einer Niere

Die beiden Ehepaare, bei denen im September 2021 nun erstmals in Vorarlberg eine Überkreuz-Lebendspende durchgeführt worden ist, hatten das Glück, dass neben der Übereinstimmung ihrer Gewebsmerkmale und immunologischen Eigenschaften sogar auch noch das Alter vergleichbar war: „Alle vier waren der Überkreuz-Spende gegenüber sehr aufgeschlossen. Es ist doch ein großer Schritt, einem anderen Menschen ein Organ zu spenden – in diesem Fall sogar jemandem, den man gar nicht kennt!“ Heute, ein paar Monate später, geht es allen gesundheitlich gut.