Entführung des Thomas G.
Sara Mistura
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Kultur

Premiere für „Die Entführung des Thomas G.“

Im November 1977 wird der Textilunternehmer Walter Palmers vor seiner Villa in Wien-Währing entführt. Einer der Entführer ist der 21-jährige Student Thomas Gratt aus Wolfurt. Von seinem tragischen Scheitern erzählt Benjamin Blaikners Drama „Die Entführung des Thomas G.“. Am Samstag war die Uraufführung im Theater Kosmos.

Am Abend des 9. November 1977 wird der Textilunternehmer Walter Palmers vor seiner Villa in Wien-Währing in ein Auto gezerrt und entführt. Die terroristische „Bewegung 2. Juni“ hält ihn vier Tage lang gefangen. Palmers kommt schließlich für ein Lösegeld von 31 Millionen Schillling frei, die Entführer werden verhaftet. Einer von ihnen ist ein 21-jähriger Student aus Wolfurt: Thomas Gratt.

„Du warst der Trottel vom Dienst. Nicht mal richtig in die Planung involviert!“ Die Schwester besucht Thomas Gratt im Gefängnis. Das ist in dieser Inszenierung ein luftiges Zelt; Bilderfluten überziehen die weißen Planen, schwere Eisenketten hängen von der Decke herab. Ketten, an denen der Mann (im Stück wird sein Name nie genannt) Turnübungen macht (Gratt war ein begabter Kunstturner), Ketten, in die er sich verwickelt, gegen die er stößt.

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Die Entführung des Thomas G.
Sarah Mistura
Entführung des Thomas G
Edgar Leissing
Premiere Theater Cosmos
Sarah Mistura
Entführung des Thomas G.
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Premiere Theater Cosmos
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Entführung des Thomas G.
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Unerreichbar vereinsamt

„Darf ich eintreten?“ Diese Frage wird dem Mann von allen Seiten gestellt, und immer sind es Frauen, die diese Frage stellen – die übermächtigen Frauen der „Bewegung 2. Juni“ zum Beispiel, die ihn zu einer Tat drängen, die ihm von vornherein suspekt ist. „Ich wollte politisch-militärisch kämpfen und nicht Geld beschaffen.“ Thomas Gratt hat das so gesagt im Film „Keine Insel“ von Alexander Binder und Michael Gartner. Der Theatertext ist eine Collage aus Zitaten, Gesprächen mit der Schwester und nahe Bekannten Gratts. Dazu kommen Verse aus Edgar Allan Poes „Der Rabe“.

„Sich erheben – nimmermehr!“

Nimmermehr – das letzte Wort aus „Der Rabe“ ist so etwas wie das Mantra dieses einsamen Menschen, dem die revolutionären Posen längst fremd geworden sind und der doch eisern die Konsequenzen seiner Tat trägt. Er habe sein Spiegelbild verloren, klagt er immer wieder, und man muss nicht Lacan gelesen haben, um zu begreifen: diesem Mann ist sein Ich abhanden gekommen, hat sich aufgelöst. Wie soll er da noch irgend jemanden an sich herankommen lassen? „Symbolisch war für mich immer dieses Panzerglas dazwischen“, erzählt Gratts Schwester Sabine Mathis von ihren Besuchen im Gefängnis. „Man kann sich nicht mehr berühren. Man kann sich nicht mehr nahe kommen. Er kann niemandem mehr nahe kommen.“

Torsten Hermentin spielt Thomas Gratt als ungeheuer kontrollierten Mann, als melancholischen Denker, der das Denken für ein Gefängnis hält. Energiegeladen umkreisen ihn Sonja Kreibich und Agnieska Wellenger als Frauen der „Bewegung 2. Juni“, aber auch als Schwester und Geliebte. Bisweilen entsteht ein Hauch von Nähe und erlischt, wenn eine der Liveprojektionen von Remo Rauscher die Gestalten überzieht, wenn das Gesicht des Mannes zum Morphing wird und Jonatan Szer dazu ein hartes Schlagzeug spielt.

Theater Kosmos widmet Entführer Stück

Am 9. November 1977 wurde der Industrielle Walter Palmers vor seinem Haus in Wien-Währing in ein Auto gezerrt und entführt. Es handelte sich um eine Geldbeschaffungsaktion für die terroristische RAF. Einer der Entführer war ein 21-jähriger Student aus Vorarlberg: Thomas Gratt. Von seinem gescheiterten Leben erzählt nun die Tragödie „Die Entführung des Thomas G“ am Bregenzer Theater Kosmos.

Hans im Glück

Benjamin Blaikner ist ein dichter Abend gelungen; anstrengend bisweilen, weil er zum Nachdenken auffordert. Und es ist ein Abend, der einen ahnen lässt, warum Thomas Gratt seinen Freitod als Erlösung empfand. Er fühle sich wie der „Hans im Glück“, sagt da der Mann. „Zu Beginn stand mir gewiss vieles offen, doch schließlich war es nur ein Stein, der mir endlich vom Herzen gefallen ist.“