Schruns Münster
Gerhard Scopoli
Gerhard Scopoli
Sport

Kirchenglocken zu Ehren des Olympiasiegers

Das Montafon feiert seinen Gold-Helden: Nach dem Olympiasieg von Alessandro Hämmerle am Donnerstagmorgen läuteten am Schrunser Münster fünf Minuten lang die Kirchenglocken. Trotz des himmlischen Beistands – der Olympiasieger gilt als ganz bodenständiger Typ.

„Ich glaube, ich realisiere es noch nicht ganz“, sagte der Vorarlberger unmittelbar nach der feierlichen Siegerehrung der APA – Austria Presse Agentur. Er vergleiche es noch ein bisschen mit einem Weltcup-Rennen. „Aber natürlich ist es ganz anders hier. Die Medaille ist spezieller. Alles rundherum, das ist schon ganz ein anderer Sieg.“ Er sei froh, noch am Tag des Sieges zur Siegerehrung gekommen zu sein. „Ich bin froh, dass die Emotionen vom ganzen Tag da rauskommen können.“

Interview mit Alessandro Hämmerle

Er habe bisher nur eine Minute mit seinen Eltern telefonieren können, aber mitbekommen, dass es daheim so richtig abgegangen sei. „Und bis ich die WhatsApp-Nachrichten durch bin, bin ich noch nicht in Österreich gelandet“, meinte der 28-Jährige. „Es ist schon ein Riesending, was die Reaktionen sind. Enorm, wie viele Leute sich da mitfreuen. Es springt auf einen über und man freut sich extrem, wie vielen Leute man da eine Gaudi macht mit der Medaille.“

Alessandro Hämmerle
APA/EXPA/JFK

Bruder Michael fehlten die Worte

Die Freude über Hämmerles Olympia-Gold war am Donnerstagmorgen auch weit durch das Montafon zu hören: Gegen 8.30 Uhr läuteten fünf Minuten lang die Glocken des Schrunser Münsters. Im Fernsehen war zuvor während Hämmerles Fahrten zeitweise ein nervöses Atmen zu hören – ansonsten hatte es Bruder Michael „Gino“ Hämmerle als ORF-Co-Kommentator im Snowboardcross zwischenzeitlich die Sprache verschlagen. Wofür er sich dann auch gleich beim Publikum entschuldigte. Aber dafür wird wohl jeder Verständnis gehabt haben, denn Alessandro machte es spannend – sein Sieg wurde erst im Fotofinish entschieden.

Gino Hämmerle jubelt über Olympiasieg des Bruders

Der Bruder brachte ihn zum Boarden

Michael Hämmerle war es auch, der den Bruder überhaupt auf das Brett brachte. Denn der bekam ein Snowboard und Alessandro machte es ihm nach. Als Kind habe er „nie von Olympia geträumt“, „Backcountry-Geschichten“ im Freestyle-Bereich waren eher sein Ding. Doch Alessandro wuchs heraus. „1,90 m ist nicht so ideal für einen Sport, wo der Schnitt bei 1,75 m liegt.“ Einerlei, denn die Freestyle-Sache habe ihn sowieso „nicht mehr so geflasht“. „Ich bin dann in die Wettkampfszene geschlittert. Was aber nichts Schlechtes ist.“

In seinem Fall ist das glatt untertrieben. Die Kombination Hämmerle und Snowboardcross scheint angesichts von 14 Weltcup- und drei Gesamtsiegen (2019-2021), einem Vize-Weltmeistertitel (2021), einem Junioren-Weltmeistertitel (2012) und natürlich nun Olympia-Gold mehr als stimmig. Sein Ansatz ist Erfolg durch Risiko, sieben Jahre in Folge schon gehört er durch sein Motto „Risk it for the biscuit“ zu den drei besten Crossern der Welt.

Dritte Chance genützt

Über Glückseligkeit im dritten Antreten gibt es ein Sprichwort, das Hämmerle im Vorfeld nicht bemühen wollte. Olympia hatte Lektionen parat: „Meine ersten Spiele waren zum Erfahrung sammeln. Bei den zweiten war ich Medaillenkandidat, ich habe mich auch reif dafür gefühlt.“ Er lag auch auf Finalkurs, doch ein Tackling später war „der Traum vorbei“. Das Drama hielt sich in Grenzen. „Zweimal hat es nicht geklappt, aber das Leben ging trotzdem weiter.“

Gold am gleichen Tag wie Schulfreund Strolz

Ab sofort lebt es sich als Olympiasieger, gekürt dazu am selben Tag wie sein Stams-Schulfreund und Skiprofi Johannes Strolz, und keinesfalls am Sehnsuchtsort. Hämmerle hatte schon die Generalprobe im Secret Garden zu Zhangjiakou gewonnen, doch die „wilde“ Anreise hatte wenig Vorfreude auf eine Rückkehr geweckt, das chinesische Essen ist auch nicht wirklich sein Fall.

Zuvor: Kontakte reduzieren, um dem Virus ein Schnippchen zu schlagen, aber nicht zulasten der psychischen Gesundheit. Er treffe seine engsten Freunde, getestet, verstehe sich, sagte Hämmerle der APA. „Wenn ich mich nur daheim verstecke, werde ich deppert bis zum Rennen. Dann fahr ich wahrscheinlich auch nicht vorne mit.“

Den Druck blendete er so gut es geht aus – und deutete ihn um. Er wolle den Menschen vor den TV-Bildschirmen eine Show liefern. „Es ist eine lässige Situation, dass mal andere Leute unseren Sport sehen, die sonst nicht so dabei sind. Vielleicht können wir manche für Weltcups gewinnen, dass sie dann wieder einschalten.“

Alessandro Hämmerle
APA/EXPA/JFK

Engeres Umfeld am wichtigsten

Er sei ein genügsamer Mensch, sein Verdienst reiche für ein gutes Leben. „Für mein Alter verdiene ich überdurchschnittlich viel dank meiner Erfolge. Es kommt natürlich darauf an, wie man lebt.“ In Skifahrer-Sphären stößt er nicht vor. „Ich muss einige Weltcupsiege feiern, damit ich einen Kitzbühel-Sieg reinfahre. Aber wenn ich mir die Abfahrt anschaue, dann ist das einfach nur komplett krank. Ich bin den Jungs da keinen Cent neidig.“ Nachsatz: „Ich hoffe, es ist von keinem Skifahrer oder Snowboarder die Grundmotivation gewesen, dass man es wegen dem Geld macht.“

Sportlicher Erfolg sei schön, wichtig sei ihm aber vor allem, „wie mein engeres Umfeld über mich denkt“, sagte Hämmerle. „Das wird sich durch Olympia aber nicht ändern, da geht es um andere Werte, die im Leben mehr zählen als mein sportlicher Erfolg.“