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Chronik

St. Gallen: 9.000 gefälschte Impfzertifikate

Die Staatsanwaltschaft des Kantons St.Gallen führt Strafuntersuchungen im Zusammenhang mit über 9.000 illegal hergestellten CoV-Zertifikaten. Zehn Personen, welche in die Herstellung der Zertifikate involviert sein sollen, wurden festgenommen. Ihnen und allen ihren Abnehmern wird Urkundenfälschung vorgeworfen.

Ausgangspunkt war ein Hinweis über illegal ausgestellte Impfzertifikate, der Anfang Dezember 2021 beim Gesundheitsdepartement einging. Parallel dazu erhielt auch die Kantonspolizei St. Gallen Hinweise, wonach gewisse Personen über illegal hergestellte Impfzertifikate verfügten.

Zehn Festnahmen

Bislang wurden im Auftrag der Staatsanwaltschaft zehn Personen festgenommen. Es handelt sich dabei um vier Schweizer, drei Serben, einen Iraker, eine Serbin und eine Kroatin, alle mit Jahrgang zwischen 1992 und 2002. Sieben der zehn mussten in Untersuchungshaft, drei davon befinden sich immer noch in Haft. Mehr als ein Dutzend Hausdurchsuchungen wurden vorgenommen.

Beschuldigte arbeiteten in Testcentern

Einige der Beschuldigten waren in Testcentern beschäftigt, so die Staatsanwaltschaft. Sie sollen gegen Geld anderen Beschuldigten ermöglicht haben, ihre dienstlichen Zugänge zum Testsystem zu missbrauchen, um damit gefälschte Zertifikate auszustellen.

Inzwischen wissen die kantonalen Strafverfolgungsbehörden von über 9.000 illegal hergestellten Bescheinigungen. Darunter sind rund 8.000 Impfzertifikate, beim Rest handelt es sich um Genesenen- und vereinzelte Testzertifikate. Die Endabnehmenden bezahlten für die illegalen Nachweise Beträge zwischen umgerechnet 280 und 770 Euro.

Aufdeckung hat hohe Priorität

Fünf Staatsanwältinnen und Staatsanwälte führen derzeit Strafverfahren in dieser Sache. Die Kantonspolizei hat eine Sonderkommission gebildet und steht mit mehr als zehn Mitarbeitenden im Einsatz. Dabei wird vor allem die Auswertung diverser Datenträger noch längere Zeit in Anspruch nehmen. Außerdem stehen weitere Einvernahmen der verschiedenen Beteiligten an.

Vorwurf der Urkundenfälschung

Sämtliche Beteiligten (Hersteller, Mittäter und Endabnehmer) trifft laut Staatsanwaltschaft der Vorwurf der Urkundenfälschung und allenfalls weiterer Delikte. Die Hersteller der müssen mit einer Anklage beim zuständigen Gericht rechnen. Das Strafmaß hängt dabei von den konkreten Vorwürfen und den individuellen Verhältnissen der Beschuldigten ab.

Kriminell erlangte Gewinne sollen eingezogen werden. Die Abnehmenden der illegalen Zertifikate erwartet eine Verfolgung im Strafbefehlsverfahren. Bislang hat sich eine Handvoll Abnehmerinnen und Abnehmer zu einer Selbstanzeige entschlossen. Sie können gemäß Schweizer Bundesrecht mit einer deutlichen Strafminderung rechnen.

Symbolbild Festnahme
Kantonspolizei St.Gallen
Zehn Personen wurden festgenommen, sieben in U-Haft genommen, drei sitzen nach wie vor in Haft. Auch die Abnehmer erwarten teils empfindliche Strafen.

Kanton zeigte Sicherheitsmängel früh auf

Erstellt werden die Zertifikate auf der Web-Applikation des Bundesamts für Informatik (BIT). Der größte Teil der Impfzertifikate im Kanton St. Gallen wird automatisch generiert. Nachdem eine Impfung im IT-Tool www.wir-impfen.ch bestätigt ist, werden die nötigen Daten direkt ans BIT weitergeleitet. Dieses generiert anschließend das Impfzertifikat.

Im Kanton St. Gallen wurden rund 490.000 Impfzertifikate über diesen Prozess automatisch generiert. Zertifikate – also auch Impfzertifikate – können aber auch manuell über eine Web-Plattform beantragt werden. Wer Zugang zu diesem System hat, kann verschiedene Zertifikatstypen ausstellen. So haben beispielsweise auch Personen in Teststellen die Möglichkeit, Impfzertifikate auszustellen – obwohl sie gar keine Impfungen verabreichen.

Der Kanton St. Gallen sowie weitere Kantone haben nach eigenen Angaben das BIT von Beginn an auf diese Berechtigungsproblematik hingewiesen. Außerdem kritisierten die Kantone, dass sie die Aktivitäten der Ausstellenden von Zertifikaten nicht selbstständig und einfach überprüfen können.