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Biomarker für schwere CoV-Verläufe entdeckt

Grazer Forscher tüfteln an einer Möglichkeit, schwere CoV-Erkrankungen frühzeitig vorauszusagen, was für Betroffene ein Segen wäre, sagt Lungen-Facharzt Peter Cerkl. Es sei interessant aber noch zu früh, um es in den klinischen Alltag zu übernehmen, so Cerkl.

Wer sich mit dem Coronavirus ansteckt, kann die Infektion völlig unbemerkt durchlaufen, oder so krank werden, dass sie oder er stirbt. Dazwischen ist alles möglich. Welchen Verlauf eine Covid-Erkrankung nimmt, kann man bisher nicht voraussehen. Deshalb ist es auch kaum möglich, schon im Vorfeld gegen eine möglicherweise lebensbedrohliche Lungenentzündung vorzugehen. Umso wichtiger wäre ein Prognose-Werkzeug für den Krankheitsverlauf, ein Grazer Forscher-Team ist dem einen Schritt näher gekommen.

Erhöhte „Kynurenin“ Werte bei CoV-Todesopfer

„Kynurenin“ nennen die Experten das Stoffwechselprodukt. Das Entscheidende daran: Es findet sich ganz leicht im Blut von Menschen, die mit dem Coronavirus infiziert sind. Und zwar so früh, dass selbst jene, die sich später im Spital wiederfinden, noch gar nichts von ihrer Infektion merken.

Was den Grazer Forscherinnen und Forschern noch aufgefallen ist: Bei jenen Covid-Patienten, die später daran gestorben sind, waren die Werte dieses Stoffes im Blut deutlich höher als bei anderen. Damit glauben die Fachleute einen Biomarker gefunden zu haben, eine Art körpereigenes Hinweisschild, das sehr früh anzeigt, bei wem das Coronavirus zu einer schweren Krankheit führt. Mit diesem Wissen, so die Hoffnung, könnten Ärztinnen und Ärzte die Behandlung rechtzeitig anpassen um Schlimmeres zu verhindern.

Cerkl: „Braucht noch mehr Forschung“

Zu diesen Ärzten gehört auch Peter Cerkl. Er leitet die Abteilung für Lungenerkrankungen am Landeskrankenhaus Hohenems und behandelt Covid-Patienten auf der Intensivstation. ORF Vorarlberg-Redakteur Andreas Feiertag hat Cerkl gefragt, ob diese neuen Erkenntnisse aus Graz in den Vorarlberger Spitälern schon angewendet werden. Nein, sagt Cerkl, dazu braucht es noch viel mehr Forschung. Es sei interessant aber noch zu früh, um es in den klinischen Alltag zu übernehmen, so Cerkl.

ORF: Gibt es derzeit irgendwelche Prognose-Marker, anhand derer Sie sagen können: Da gibt es einen schweren Verlauf und da eher nicht?

Cerkl: Das ist das hohe Alter, die Übergewichtigkeit, der Blutzucker, chronische Nierenerkrankung, die chronische Herzerkrankung, Atemwegserkrankungen, Bluthochdruck, bei denen wir wissen, dass diese Patienten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einen schweren Verlauf entwickeln können. Das Problem ist, es sind alles Volkskrankheiten, das heißt,es ist ein großer Teil der Patienten. Insofern wäre natürlich eine Substanz interessant, wie etwa dieser Biomarker, der uns diese große Zahl an Patienten reduzieren könnte und sagen könnte, ob sie einen schweren Verlauf entwickeln.

ORF: Wenn die Menschen derzeit einen schweren Verlauf entwickeln, außer einer hoch dosierten Cortison Gabe, gibt es noch nicht viel Neues, das zur Verfügung stünde?

Cerkl: Das ist richtig, wenn der schwere Verlauf droht, neben der Sauerstoff Gabe ist das Cortison derzeit und auch jetzt seit dem Herbst zugelassen. Ein anderes Immunsuppressivum, das zusätzlich diese Entzündungskaskade blockieren kann.

ORF: Jetzt ist seit kurzem auch die Antikörpertherapie zugelassen. In Dornbirn gibt es eine eigene Antikörpertherapie-Einheit um schwere Verläufe bei Risikopatienten zu minimieren. Funktioniert es? Merken Sie was im Spital, dass das hier eine Auswirkung hat?

Cerkl: Also das Problem ist, dass diese aktuelle Welle erst auf uns zu schwappen wird und wir derzeit noch wenig Patienten auf den normalen Stationen haben. Insofern lässt sich nur schwer abgrenzen, ob jetzt schon ein Effekt durch die Antikörper auftritt. Das Problem ist, es sind ja mittlerweile drei Antikörper-Möglichkeiten zugelassen und Omikron hat sie jetzt insofern geändert, dass nur noch einer dieser Antikörper neutralisieren kann, die sie hier auch einsetzen. Aber man muss sich das natürlich auch vorstellen, das ist eine Kurz-Infusion, die der Patient bekommt und extrem teuer ist. Wir reden da zwischen zweieinhalb bis dreitausend Euro pro Infusion und die Menge ist natürlich begrenzt. Also in Vorarlberg kommen derzeit 750 Einzeldosen lagernd und die werden natürlich verbraucht und frühestens wieder Ende Februar wird die nächste Dosis bestellbar sein.

ORF: Bei Omikron sieht man, dass zumindest die Studien besagen das, dass es zu weniger schweren Krankheitsverläufen kommt als bei früheren Varianten. Dennoch gibt es natürlich Patienten, die ebenfalls ins Spital kommen und dann vielleicht einen schweren Verlauf bekommen. Gibt es hier Änderungen, auch was den Krankheitsverlauf betrifft im Vergleich zur Delta Variante?

Cerkl: Also für uns ist es derzeit noch zu früh, weil diese Welle erst am Anfang ist und die Erfahrung sagt: Erst kommt die hohe Inzidenz ungefähr eine Woche bis zehn Tage später kommen die Patienten dann ins Spital. Also aktuell haben wir momentan, Gott sei Dank, wenig Patienten, die mit Covid bei uns im Spital liegen. Dementsprechend fehlt uns hier jetzt auch noch die Erfahrung, dass man sagen könnte, das ist auch für uns merkbar, dass die Verläufe milder sind. Da müssen wir uns jetzt momentan auf die Erfahrungswerte von anderen Ländern verlassen. Wir hoffen natürlich, dass es bei uns auch so ist.

ORF: Gibt es interne Prognosen im Spital, wann Sie mit einer wirklich großen Welle an Covid-Spitalspatienten rechnen?

Cerkl: Wir rechnen damit, dass in zehn bis 14 Tagen die Patienten in höherer Zahl kommen werden. Es ist natürlich auch das Problem, auch wenn es einen milderen Verlauf hat und vielleicht auch nicht so viele Patienten auf die Intensiv kommen. Wir müssen natürlich rechnen, jetzt mit der Omikorn-Variante, dass man mit ungleich viel mehr Infizierten zu tun haben. Und es ist ein Unterschied, ob wir jetzt 1.000 Patienten haben, wo geschätzt jeder zehnte auf die Intensiv kommt und wenn ich 100.000 habe, wo jeder vierte auf die Intensiv kommt. Das macht dann in Summe wieder das Gleiche aus.

ORF: Das heißt, es könnte dennoch passieren, dass die Spitäler überlastet werden?

Cerkl: Das ist zu rechnen. Und wir glauben eher, dass die Normalstation in dieser Welle belasteter ist wie die Intensivstation.