Stefan Jochum im Interview
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„Kann nicht mehr Bürgermeister für Lech sein“

Der Lecher Bürgermeister Stefan Jochum ist am Montag überraschend zurückgetreten. Jochum gab seinen Rücktritt bei der Gemeindevertretungssitzung am Abend bekannt. Vor allem persönliche Angriffe gegen ihn und seine Mitarbeiter hätten ihn zu diesem Schritt bewogen. Vizebürgermeisterin Cornelia Rieser führt bis zu einer Neuwahl die Amtsgeschäfte.

Es sei ihm nicht gelungen, die vier politischen Fraktionen im Ort zu einen, so Jochum im ORF-Interview am Montagabend. Die Fronten seien einfach zu verhärtet. Vor allem aber fehlte Jochum die persönliche Wertschätzung. Viele hätten ihn als jenen Mann gesehen, der dafür verantwortlich sei, dass Ludwig Muxel nach 27 Jahren nicht mehr Bürgermeister sei. Jochum hatte vor etwas mehr als einem Jahr die Bürgermeister-Stichwahl gegen Langzeitbürgermeister Muxel gewonnen.

„Das war natürlich auch etwas, das mich sehr belastet hat und das meine Gesundheit schon auch etwas angegriffen hat, wenn man sich sieben Tage die Woche einsetzt für Dinge und dann schlussendlich herausfinden muss, dass es keine Wertschätzung gibt und dass man da chancenlos ist, Dinge umsetzen zu können“, so Jochum.

Gemeindezentrum: „Größte Enttäuschung“

In einer emotionalen Rede vor den Gemeindevertretern hatte Jochum zuvor auf die politischen Erfolge seiner rund zwölf Monate andauernden Amtszeit verweisen. Als Erfolg verbuchte Jochum die Bausperre, die dem Ausverkauf der Heimat einen wirksamen Riegel vorschiebe, und auch den Gemeindevertretungs-Livestream sieht Jochum als großen Schritt in Richtung Transparenz.

Seine größte politische Enttäuschung sei die Debatte rund um das Gemeindezentrum und das politische Ergebnis gewesen. „Es ist uns leider, trotz allen Einsatzes und allen Bemühungen nicht gelungen, die Gebäudehöhen tatsächlich zu reduzieren“, so Jochum.

Bürgermeister Jochum
Gemeinde Lech

„Persönliche Angriffe wiegen schwer“

Stefan Jochum weiter: „Diese inhaltlichen Enttäuschungen wiegen schwer. Viel härter allerdings haben mich die persönlichen Angriffe auf mich als Bürgermeister, auf meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und meine politischen Begleiter getroffen, mit denen ich im vergangenen Jahr immer wieder konfrontiert worden bin und die mittlerweile eine Regelmäßigkeit und eine Heftigkeit erreicht haben, die ich persönlich schlicht und ergreifend nicht mehr ertragen kann."

Heute müsse er sich eingestehen, dass es ihm trotz aller Bemühungen nicht gelungen sei, eine Kultur des wertschätzenden Umgangs auf Augenhöhe in den politischen Debatten zu etablieren. "Ganz im Gegenteil: Das Ergebnis meines guten Willens war das, dass ich zunehmend zum Sündenbock für alle und für alles geworden bin.“

„Wollte Dinge verändern“

„Ich bin für die Wahl zum Bürgermeister unserer Gemeinde angetreten, weil ich die Dinge in unserem Dorf zum Besseren verändern wollte. Nicht für mich und auch nicht für einige Wenige, sondern für alle Menschen, die in Lech leben. Dafür habe ich mich im vergangenen Jahr tagtäglich mit ganzer Kraft eingesetzt und konnte leider aufgrund der besonderen Konstellation in dieser Gemeindevertretung trotzdem nur sehr, sehr wenig erreichen. Zu wenig aus meiner Sicht."

Und so sei für ihn ein Punkt erreicht, an dem er nach reiflicher Überlegung sagen müsse: "Ich kann nicht mehr. Ich kann nicht mehr Bürgermeister für Lech sein, weil mir die gegenseitige Wertschätzung fehlt, weil ich keine gemeinsame Gesprächsbasis finde und weil ich letztlich deswegen, die vielen Ideen und Visionen, die ich – die wir – für Lech hatten, in dieser aktuellen Konstellation niemals umsetzen werden könne. Das musste ich in den vergangenen Wochen und Tagen leider einsehen.“

Wieder Tätigkeit als Standesbeamter

Jochum bedankte sich nochmals bei seinen Mitarbeitern, bei seinen Wegbegleitern und bei seinen Wählern für das Vertrauen: „Es tut mir sehr leid, dass ich in unserer Gemeinde nicht mehr in der Rolle des Bürgermeisters zur Verfügung stehen kann." Er werde sich nun wieder seiner Aufgabe des Standesbeamten der Gemeinde Lech widmen, so Jochum.

Vizebürgermeisterin übernimmt bis zur Neuwahl

Mit dem Rücktritt von Jochum führt Vizebürgermeisterin Cornelia Rieser ab Freitag die Amtsgeschäfte, bis ein neuer Bürgermeister oder eine neue Bürgermeisterin direkt gewählt worden ist. Die in der Gemeindevertretung vertretenen Fraktionen können einen Kandidaten oder eine Kandidatin aus den Reihen ihrer Gemeindevertreter stellen. Auf dieser Basis gibt es erneut eine Bürgermeisterdirektwahl durch die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger.