„Das Thema ist leider aktueller denn je“, so Landesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) bei der Eröffnung am Donnerstag: „Durch die nun schon lange anhaltende Pandemie lässt sich eine Zunahme bei häuslicher Gewalt feststellen.“ Eine enge Zusammenarbeit der Stellen und Behörden im Sinne der betroffenen Kinder war Gegenstand der Vorträge und der anschließenden Diskussionen.
Gewalt in der Familie ist in über 50 Prozent aller Fälle der Grund für die Einsätze des Familienkrisendienstes. Bei den Gefährdungsabklärungen durch die öffentliche Kinder- und Jugendhilfe wird häusliche Gewalt an zweiter Stelle bei den Mitteilungen über eine Kindeswohlgefährdung genannt.
Zusammenhänge müssen erkannt werden
Kinder und Jugendliche leiden darunter, wenn es zu Gewalt und Streitigkeiten innerhalb der Beziehung der Eltern kommt. Da gilt es, die Zusammenhänge zu erkennen, so die Sozialwissenschafterin Brabara Kavemann aus Berlin: „Alle diejenigen, die im Bereich Kinderschutz arbeiten, brauchen ausreichendes Wissen. Was ist das für eine Dynamik – Gewalt in der Beziehung der Eltern? Wie funktioniert das? Was erleben die Kinder, die Töchter und Söhne eigentlich mit? Das ist ein sehr komplexes Problem.“
Schulungen und Zusammenarbeit
Ausschlaggebend für einen erfolgreichen Schutz der Betroffenen sind Schulungen für alle involvierten Berufsgruppen, so Barbara Jauk vom Bundesverband der Gewaltschutzzentren: „Damit sie auch Warnsignale erkennen und richtig umgehen mit den Frauen; dass Frauen sich auch ernst genommen und wahrgenommen fühlen und nicht von außen. Wer kommt und sagt, wie sie das zu machen hat?“
Schließlich sei die Betroffene diejenige, die den Gefährder am besten kennt: „Das heißt, das muss man natürlich wahrnehmen. Man kann nicht drüber fahren. Jeder Polizist, jede Polizistin ist da gefordert. Oder das Krankenhaus ist eine wichtige Anlaufstelle für verletzte Frauen.“
Oft würden die Opfer nicht sagen, dass sie in der Partnerschaft verletzt worden sind, so Jauk: „Aber da braucht es Fragestellungen, die die Ambulanzen wissen müssen. Wie komme ich mit jemandem ins Gespräch? Was muss ich sozusagen fragen, damit sich auch jemand öffnen kann und sagen kann, was ist?“
Unterschiedliche Formen der Gewalt
Es gibt unterschiedliche Gewaltformen in den Beziehungen der Eltern, die Kinder hautnah miterleben müssen, sagt Sozialwissenschafterin Kavemann: „Es ist total wichtig, die ganze Alltäglichkeit der Gewalt zu sehen. Wo kontrolliert wird, wo entwertet wird, wo die Partnerin gedemütigt und beschimpft wird ohne Ende. Ihr Handlungsspielraum wird eingeschränkt und sie wird in ihrer Persönlichkeit Stück für Stück zerstört und zermürbt. Dann kann sie ihren Kindern auch keine gute Mutter mehr sein, dann wird ihr das zum Vorwurf gemacht. Das ist etwas, wovor sie sich sehr fürchtet. Dann wird sie nirgendwo hingehen und sagen, was passiert.“ Deswegen braucht es ein gutes Verständnis davon, wie Betroffene unterstützt werden können, ohne verurteilt zu werden, sagt Kavemann.
Gewaltprävention Pflicht für Gefährder
Personen, über die ein Betretungs- und Annäherungsverbot ausgesprochen wird, müssen seit 1. September innerhalb von fünf Tagen eine Beratungsstelle für Gewaltprävention aufsuchen – sonst drohen Strafen. Diese Maßnahmen sind wichtig, denn alles was einen Gefährder auffängt, dient auch dem Opferschutz.
Barbara Jauk vom Bundesverband der Gewaltschutzzentren: „Der Hintergrund ist, dass man einfach möchte, dass Menschen, die Gewalt ausgeübt haben, sich mit ihrer eigenen Gewalt-Thematik auseinandersetzen und auch auf die Konsequenzen hingewiesen werden, die das für sie, aber auch natürlich für die gefährdeten Personen hat. Sie müssen darüber nachdenken und werden dahin geführt, was Gewalt in ihrem Leben und im Leben der betroffenen Menschen bedeutet und dass sie da was ändern müssen.“
Kinderschutz geht alle an
Kinderschutz geht uns alle an, betonte Landesrätin Wiesflecker bei der Fachtagung. Es gehe darum, aufmerksam zu sein, so Wiesflecker: „Sensibilisierung und fachlich fundiertes Handeln tragen zur Reduktion bei. Wenn die Gewalt zwischen PartnerInnen beendet werden kann, dann ‚profitieren‘ davon auch die Kinder.“