Caritas-Direktor Walter Schmolly im Interview
ORF
ORF
Gesellschaft

Assistierter Suizid: Caritas-Direktor besorgt

Der Vorarlberger Caritas-Direktor Walter Schmolly sieht den Gesetzesentwurf zur Regelung des assistierten Suizids mit Sorge. Der assistierte Suizid dürfe keinesfalls zum Normalfall werden, so Schmolly. Er begrüßt aber das klare Bekenntnis zum Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung.

Was den Gesetzesentwurf zur Regelung des assistierten Suizids angeht, begrüßt Schmolly grundsätzlich, dass nun ein erster Entwurf vorliege und damit verhindert werde, dass in dieser sensiblen Frage mit Anfang 2022 ein rechtsfreier Raum entstehe. Der Entwurf der Bundesregierung sieht vor, dass Schwerkranke und unheilbar Kranke ab 2022 Beihilfe zum Suizid in Anspruch nehmen können. Explizit ausgeschlossen sind Minderjährige.

Es sei aber möglich, dass damit die Tür zu weit aufgestoßen werde, so dass der assistierte Suizid zu etwas nahezu ’Normalem´ und ’Alltäglichem´ werde, so Schmolly in einer Aussendung am Sonntag. Es müsse das gemeinsame Bemühen von allen sein, „dass jeder Mensch bei aller verständlichen Angst und Sorge in Bezug auf die letzte Lebensphase dann doch in das Vertrauen hineinfindet, auch diese Etappe in seinem Leben gut durchleben zu können“.

„Bedingungslose Assistenz zum Leben“

Auch wenn die Assistenz zum Suizid nun straffrei gestellt werde, dürfe man dieses oberste Ziel nicht aus den Augen verlieren. „Die bedingungslose Assistenz zum Leben muss unsere gemeinsame erste Aufgabe bleiben“, so Schmolly.

Insofern könne die Namensgebung „Sterbeverfügungsgesetz“, die in Anlehnung an die Patientenverfügung gewählt wurde, ein falsches Signal für eine Normalität sein, die dem assistierten Suizid nicht zukommen dürfe. „Auch dass das tödliche Präparat in der Apotheke abgeholt wird, gibt dem Vorgang den Charakter von Alltäglichkeit. Wollen wir das?", fragt Schmolly.

VfGH argumentierte mit Recht auf Selbstbestimmung

Der Caritasdirektor betonte gleichzeitig, dass im Gesetzesentwurf das Bemühen um verantwortungsvolle Lösungen deutlich spürbar sei. Ein ganz wesentlicher Punkt sei allerdings noch zu wenig im Blick: Bei der Aufhebung des Verbots des assistierten Suizids habe der Verfassungsgerichtshof vor allem mit dem Recht des Menschen auf Selbstbestimmung argumentiert.

Zugleich habe der Verfassungsgerichtshof einen wichtigen Hinweis gemacht, nämlich dass die freie „Selbstbestimmung durch vielfältige soziale und ökonomische Umstände" beeinflusst werde.

Schmolly: „Gespräch mit einem Arzt zu wenig“

„Letztlich geht es darum, dass Menschen den assistierten Suizid nicht aus der Sorge heraus wählen, dass sie jemandem zur Last fallen oder weil sie sich sonst irgendwie gedrängt fühlen“, so Schmolly. Der Gerichtshof habe gefordert, dass im neuen Gesetz Maßnahmen vorzusehen seien, die das verhindern.

Der Gesetzesentwurf sehe aber einzig die Aufklärung im Rahmen von Gesprächen mit einer Ärztin oder einem Arzt vor, kritisiert Schmolly: „Das ist zu wenig. Es kann nicht alles in ein medizinisches Gespräch gepackt werden. Es wäre wichtig, dass zusätzlich eine psychologische und psychosoziale Beratung vorgesehen wird.“

Einrichtung von Hospiz- und Palliativfonds begrüßt

Gleichzeitig begrüßte Schmolly – ebenso wie der Leiter von Hospiz Vorarlberg, Karl Bitschnau – die in dem Entwurf angekündigte Einrichtung eines Hospiz- und Palliativfonds. Damit verbunden seien Zuschüsse des Bundes an die Länder zum weiteren Ausbau und zur Finanzierung einer angemessenen Hospiz- und Palliativversorgung.

„Das sind wichtige Investitionen, die ein Leben in Würde und Geborgenheit bis zuletzt für alle Menschen möglich machen.“ Den Ausbaubedarf in Vorarlberg sehen Schmolly und Bitschnau vor allem im Bereich des Mobilen Palliativteams und der Versorgung von Kindern.

Lob und Kritik an Entwurf

Das „Sterbeverfügungsgesetz“ soll Mitte Dezember im Parlament verabschiedet und mit Jänner 2022 in Kraft treten. Die Koalitionseinigung zur Neuregelung der Sterbehilfe am Wochenende wurde von Lob und Kritik begleitet. Lob wurde vielfach für Inhaltliches ausgesprochen, Kritik wurde an der späten Vorlage des Gesetzesvorschlags und die damit verbundene kurze Begutachtungsfrist geübt.

Diesen Vorwurf brachte am Sonntag auch Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser auf und fand den nun bevorstehenden, engen Fristenlauf „skandalös“ – mehr dazu in news.ORF.at: Lob für Vorlage, enge Frist aber „skandalös“.

Hilfe im Krisenfall

Berichte über (mögliche) Suizide und Suizidversuche können bei Personen, die sich in einer Krise befinden, die Situation verschlimmern. Die Psychiatrische Soforthilfe bietet unter 01/313 30 rund um die Uhr Rat und Unterstützung im Krisenfall. Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen.