Schülerin beim Heimunterricht
APA/Erwin Scheriau
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Bildung

Heimunterricht: Wenn das Kind nicht zur Schule geht

Die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die zuhause unterrichtet werden, ist massiv gestiegen. Derzeit sind rund 350 Kinder in Vorarlberg im Heimunterricht. Doch wer darf Heimunterricht geben? Was sind die Gefahren und Voraussetzungen? vorarlberg.orf.at hat bei der Bildungsdirektion nachgefragt.

In Vorarlberg sind derzeit rund 350 Kinder im häuslichen Unterricht. Diese Zahl ist im vergangenen Jahr um das Dreifache gestiegen – im Vorjahr waren es nur rund 100 Kinder. Der massive Anstieg hängt auch mit den Maßnahmen rund um das Coronavirus zusammen. Doch kann jeder häuslichen Unterricht in Anspruch nehmen? Was sind die Voraussetzungen und Nachteile? vorarlberg.ORF.at hat bei Susanne Speckle von der Bildungsdirektion nachgefragt und die Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um den Heimunterricht bekommen.

Das Bildungsministerium hat am Freitag infolge gestiegener Abmeldezahlen aufgrund der CoV-Maßnahmen strengere Regeln für die Anmeldung zum häuslichen Unterricht erlassen. So ist nun unter anderem ein (freiwilliges) Reflexionsgespräch am Ende des ersten Semesters vorgesehen.

vorarlberg.ORF.at: Was sind die Voraussetzungen für Heimunterricht?

Speckle: Voraussetzung für einen häuslichen Unterricht ist grundsätzlich, dass das Kind das vorige Schuljahr positiv abgeschlossen hat, wenn es schon zur Schule gegangen ist. Außerdem gibt es eine Grobprüfung, bei der sich das Bildungsministerium ansieht, ob die zuständige Person imstande ist, das Kind im häuslichen Unterricht zu unterrichten. Zudem muss das Kind die deutsche Sprache gut sprechen können. Kinder, die eine andere Muttersprache haben und die Sprache Deutsch noch nicht ausreichend erlernt haben, dürfen nicht in den Heimunterricht gehen.

vorarlberg.ORF.at: Wer darf seine Kinder daheim unterrichten? Kann das jeder?

Speckle: Ein spezieller Ausbildungsstand wird nicht gefordert, aber grundsätzlich sollten die Eltern fähig sein, die Lehrplaninhalte ihrem Kind zu vermitteln. Außerdem müssen die Eltern die Lehrrolle übernehmen können und im Heimunterricht nicht nur Mama oder Papa sein. Sie müssen also eine gewisse Disziplin einfordern und die Kinder quer durch durch das Schuljahr mit Unterrichtsstoff begleiten können.

vorarlberg.ORF.at: Wie kriegen Eltern die Info, was sie den Kindern vermitteln müssen?

Speckle: Wer sich für den häuslichen Unterricht entscheidet, muss sich selbst informieren. Grundsätzlich gilt der Lehrplan, der online auf der Ministeriumseite zu finden ist. Die Eltern müssen sich selber informieren und nachlesen, was der Unterrichtsstoff der jeweiligen Schulstufe ist und diese Inhalte selbstständig mit den Kindern durchführen. Mit der Entscheidung für den häuslichen Unterricht wird das Kind grundsätzlich von der Schule abgekoppelt.

vorarlberg.ORF.at: Wie wird geprüft, ob die Kinder den Lernstoff beherrschen?

Speckle: Am Ende des Schuljahres findet eine Externistenprüfung statt, bei der die Lehrplaninhalte des Jahres in jedem Unterrichtsgegenstand abgeprüft werden. Diese müssen die Schülerinnen und Schüler an einer Prüfungsschule ablegen.

Fotostrecke mit 4 Bildern

Schüler während des Unterrichts
ORF.at/Carina Kainz
Bisher zeigen „Heimunterrichts-Kinder“ durch die Bank ein ähnliches Leistungsbild wie Kinder, die in die Schule gehen
Sommerschule – Blick ins Klassenzimmer
ORF Vorarlberg
Wenn die Externistenprüfung am Ende des Jahres negativ ist, muss das Kind im Schuljahr darauf wieder in die Schule gehen und die Klasse dort wiederholen
Schultasche
ORF.at/Carina Kainz
Wenn das Kind im Jahr darauf nicht die Schule besucht, obwohl es fix in die Schule gehen muss, dann handelt es sich um Schulpflichtverletzungen
Volksschüler
ORF.at/Carina Kainz
Gründe für Heimunterricht sind unter anderem langfristige Reisetätigkeiten und spezielle Lebensumstände

vorarlberg.ORF.at: Was sind Gefahren des häuslichen Unterrichts?

Speckle: Schule ist mehr als nur Unterrichtsgegenstände und inhaltliches Lernen. Es finden auch sehr viele soziale Vermittlungen statt und ein Austausch mit Gleichaltrigen. Somit ist die Gefahr gegeben, dass ein Kind in diesem Jahr, in dem es Schule nur im häuslichen Bereich isoliert erlebt, diese Verhaltensweisen nicht lernen, üben und trainieren kann. Es kann auch passieren, dass Kinder so eine andere Entwicklung nehmen. Es gibt mehrere Aspekte, die eher für die Schule sprechen und nicht für die häusliche Beschulung.

vorarlberg.ORF.at: Gibt es eine spezielle Schulstufe, wo Heimunterricht besonders ausgeprägt ist?

Speckle: Es gibt ungefähr gleich viele Kinder aus der Volksschule wie aus der Mittelstufe im Heimunterricht. Grundsätzlich sind es in Vorarlberg eher jüngere Kinder aus der ersten, zweiten und dritten Klasse Volksschule, die im häuslichen Unterricht sind. Aber es gibt auch sehr viele Kinder aus der Mittelschulstufe. Aus der AHS sind gegenteilig sehr wenige Kinder dabei.

vorarlberg.ORF.at: Ist es erlaubt, Kinder in einer Gruppe gemeinsam im Heim-Unterricht zu unterrichten?

Speckle: Nein, das ist nicht erlaubt. Wenn eine solche Lerngruppe organisiert ist, an einem fixen Ort mit einer Art Lehrperson, dann ist es eine versteckte Privatschule. Das ist ganz klar laut Gesetz verboten. Der häusliche Unterricht sollte im familiären Setting zu Hause stattfinden. Es ist nicht erlaubt, mehrere Kinder zusammen zu unterrichten.

vorarlberg.ORF.at: Gab es da schon Vorfälle in Vorarlberg, dass so etwas passiert ist?

Speckle: Gerade vor kurzem hat die Bildungsdirektion zum ersten Mal einen Hinweis auf eine solche Lerngruppe in Vorarlberg bekommen. Jetzt geht sie dem gemeinsam mit der BH nach. Gibt es die Lerngruppe wirklich, müssen die Organisatoren mit rechtlichen Konsequenzen und einer Strafe rechnen.