Der Schriftzug Verfassungsgerichtshof über dem Eingang des Gerichtsgebäudes
ORF.at/Roland Winkler
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Coronavirus

Das Nachspiel der Nenzinger Quarantäne

Ein Vorarlberger Unternehmen fordert Entschädigung über die Lohnfortzahlung für drei Mitarbeiter, die aufgrund der Orts-Quarantäne in Nenzing im März 2020 nicht zur Arbeit gehen durften. Das rechtliche Nachspiel dauert noch an. Laut Verfasssungsexperte Peter Bußjäger wird dem Unternehmen voraussichtlich Recht gegeben.

Im April 2020 ließ Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit der Aussage aufhorchen, dass die Regierung keine Reparatur der eilig beschlossenen Covid-19-Gesetze und -Verordnungen, die möglicherweise nicht verfassungskonform sind, plant: „Ob alles auf Punkt und Beistrich in Ordnung ist, wird am Ende des Tages des Verfassungsgerichtshof entscheiden.“ Zu diesem Zeitpunkt würden die Maßnahmen aber ohnehin nicht mehr in Kraft sein, sagte der Kanzler.

VfGH entschied über Entschädigung

Zu solch einem Fall ist es jetzt wieder gekommen: Teile der Gemeinde Nenzing waren im März 2020 für zwei Wochen unter eine sogenannte „Orts-Quarantäne“ gestellt worden. Eine Auswirkung davon war, dass ein Vorarlberger Unternehmen in diesen zwei Wochen auf drei Mitarbeiter aus Nenzing verzichten musste, weil sie eben nicht aus Nenzing raus durften.

Den weiterbezahlten Lohn für die drei will der Betrieb vom Bund erstattet bekommen. Das haben die Bezirkshauptmannschaft Bludenz und das Landesverwaltungsgericht allerdings abgewiesen mit der Begründung, dass ein Entschädigungsanspruch nicht im Covid-19-Maßnahmen-Gesetz vorgesehen ist.

Peter Bußjäger
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Verfassungsjurist Peter Bußjäger

Epidemiegesetz greift

Im Epidemie-Gesetz ist er aber vorgesehen, sagt Verfassungsexperte Peter Bußjäger: „Für das betroffenen Unternehmen hat das die Konsequenz, dass es jetzt die angestrebte Vergütung nach dem Epidemiegesetz voraussichtlich bekommen wird.“ Endgültig steht das aber nur noch nicht fest, weil das Landesverwaltungsgericht den Anspruch inhaltlich nochmals überprüfen muss.

„Spitzfindigkeiten“ eben doch wichtig

Der Bundeskanzler hatte Hinweise auf mögliche Konflikte mit der Verfassung damals brüsk abgetan mit der berüchtigten Formulierung, man möge ihm nicht mit „juristischen Spitzfindigkeiten“ kommen. Peter Bußjäger relativiert den Kurz-Sager allerdings.

Zu Beginn der Pandemie musste rechtlich einfach viel experimentiert werden: „Wäre ich an der Stelle des Bundeskanzlers gewesen, hätte ich das selbstverständlich anders formuliert und gesagt: Wir müssen gewisse Experimente wagen. Sollten sie sich als nicht rechtskonform erweisen, werden wir taugliche Rechtsgrundlagen schaffen.“ Bußjäger glaubt, das hätte weniger Anstoß erregt, „als eben die flapsige Aussage, der Verfassungsgerichtshof kommt eh zu spät.“

Die vergangenen eineinhalb Jahre waren auch für Juristen ein großer Lernprozess. Und der hat Großteils auch gefruchtet, sagt Bußjäger. Der Verfassungsgerichtshof hat im Juli deutlich weniger Vorschriften als rechtswidrig eingestuft.