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Politik

CoV-Teststraßen: Millionenauftrag „ohne Vertrag“

Im Rechtsstreit um die Vergabe der CoV-Teststraßen an das Rote Kreuz wird die Luft für das Land immer dünner. Laut Verhandlungsprotokoll gibt es für den Millionenauftrag keinen Vertrag und auch keine Rechnungskontrolle.

War es rechtmäßig, dass das Land im vergangenen Jahr ohne Ausschreibung das Rote Kreuz beauftragt hat, die CoV-Teststraßen zu betreiben? Das Land sagt Ja, der private Testanbieter AMZ aus Röthis sagt Nein und hat den Fall vor das Landesverwaltungsgericht gebracht. Das hat zwar noch nicht entschieden, in der Verhandlung vergangenen Dienstag sind aber einige pikante Details ans Licht gekommen. Laut Protokoll, das dem ORF vorliegt, hat das Land bei der Vergabe ein paar wesentliche Dinge vergessen.

Kein schriftlicher Vertrag, keine konkrete Vereinbarung

Thomas Eggenburg vom Covid-19-Testzentrumbetreiber AMZ war bei der auch öffentlich zugänglichen Verhandlung online zugeschaltet. Auf Anfrage der Wirtschaftspresseagentur sagte Eggenburg, dass die Vertreter des Landes auf Nachfrage des Gerichts keinen schriftlichen Vertrag und keine konkrete schriftliche Vereinbarung mit dem Roten Kreuz hinsichtlich des schon mehr als ein Jahr andauernden Teststraßen-Betriebes vorlegen konnten. „So etwas gebe es nicht, sagten die Vertreter des Landes“, so Eggenburg. Auf Nachfrage konnten auch keine Dokumentationen, keine Aufzeichnungen und kein laufender Vergabeakt zu den Teststraßen präsentiert werden, sagte Eggenburg.

Rechtsanwalt Linus Mähr vom Testzentrumbetreiber AMZ war persönlich bei der Verhandlung am Dienstag in Bregenz anwesend. Er bestätigte auf wpa-Nachfrage die Darstellung von Eggenburg. „Die Aussage des Landes war: Es gibt in Bezug auf die Teststraßen keine schriftlichen Vereinbarungen, man habe das spontan nach Bedarf ausgemacht.“ Daher habe das Land Vorarlberg auch gar nicht sagen können, ob hier von einem oder von zwei Verträgen die Rede sei. Das Land habe auch keine Angaben zu allfälligen Überprüfungen der vom Roten Kreuz vorgelegten Abrechnungen gemacht. „Es besteht für uns der Verdacht, dass die vorgelegten Rechnungen gar nicht wirklich geprüft wurden“, so Mähr.

„Lose Vereinbarung“ für Aufträge von mehr als 700.000 Euro

Im Protokoll wird der Rechtsvertreter des Landes mit den Worten zitiert: „Es gibt eine lose Vereinbarung zwischen dem Land und dem Roten Kreuz.“ Allein im Dezember 2020 verrechnete das Rote Kreuz mehr als 700.000 Euro für die Massentestungen Anfang Dezember. Hinweise auf das Bestehen eines konkreten Vertrages oder einer umfassenden schriftlichen Vereinbarung finden sich darin nicht.

Land verschanzt sich hinter Datenschutz

Beim Roten Kreuz Vorarlberg teilte Geschäftsführerin Janine Gozzi auf wpa-Anfrage mit: „Ja, es besteht eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem ÖRK Landesverband Vorarlberg und dem Land Vorarlberg. Für Auskünfte betreffend deren Inhalte und Regelungen sowie weiteren Details darf ich an die Vorarlberger Landesregierung verweisen.“

Beim Land heißt es dazu: "Zwischen Land Vorarlberg und Rotem Kreuz bestehen in den unterschiedlichsten Aufgabenfeldern entsprechende Kooperationen. Das gilt auch für die Bekämpfung der COVID-19-Pandemie. Im Rahmen dieser Kooperationen besteht in den meisten Fällen die Vereinbarung, dass das Rote Kreuz die erbrachten Leistungen jeweils nach tatsächlichem Aufwand gegenüber dem Land Vorarlberg abrechnet. Aus datenschutzrechtlichen Gründen dürfen keine weitergehenden Auskünfte zu diesen Vereinbarungsinhalten gegeben werden.“

Justizministerium wies im März auf Vorgehensweise hin

Abgesehen vom Fehlen eines Vertrages kommt noch ein anderer Aspekt hinzu: Das Land Vorarlberg hat die Direktvergabe wiederholt mit einer durch die Pandemie begründeten „Notsituation“ gerechtfertigt. Erst Mitte Februar 2021 und damit fast ein Jahr nach Beginn der Pandemiebekämpfung erfolgte eine erste öffentliche Ausschreibung – und das auch nur aufgrund medialer Berichterstattung und des rechtlichen Vorgehens des Testzentrumbetreibers AMZ.

Diese monatelange Berufung auf eine Notsituation dürfte sich allerdings als Argument in Luft auflösen. Denn der wpa liegt ein Rundschreiben des Justizministeriums bereits von Ende März 2020 vor. Das Rundschreiben ging unter anderem an alle Landesregierungen in Österreich und beschäftigte sich mit der „Anwendung der vergaberechtlichen Regelungen im Zusammenhang mit der COVID-Krise“.

„Bestand des Staates nicht gefährdet“

In dem Rundschreiben steht, dass es in Ausnahmesituationen sehr wohl Ausnahmen vom Vergaberecht geben könne. Dabei gehe es stets um den „Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen der Republik Österreich“. Und dann steht da aber: „Dieser Ausnahmetatbestand kommt nach Auffassung des Bundesministeriums für Justiz zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zum Tragen, da die in Rede stehenden Beschaffungen (Schutzmasken, Notausrüstung, Betreuungsdienstleistungen, Computer usw.) weder geheim sind, noch die innere Sicherheit der Republik Österreich (derzeit) in einem solchen Ausmaß gefährdet ist, dass der Bestand des Staates als solches gefährdet wäre.“ Auch der EuGH weise darauf hin, dass die Nicht-Anwendung von Vergabevorschriften nur „ultima ratio“ sein könne. Gebe es gelindere Mittel, so seien diese einzusetzen, zitiert das Justizministerium den EuGH.

Als „gelindere Mittel“ seien etwa Sonderverfahren anzusehen, so das Justizministerium. Hier seien Vergabeverfahren ohne vorherige öffentliche Bekanntmachung möglich. Das sei etwa bei äußert dringlichen, zwingenden Gründen bei unvorhersehbaren Ereignissen der Fall. Dazu zähle auch eine klassische Notsituation wie eine Pandemie. Hier sei es möglich, sehr rasch Direktvergaben vorzunehmen. „Die Gründe für die Wahl des Sonderverfahrens sind im jeweiligen Vergabeakt genau zu dokumentieren. Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen trifft den Auftraggeber“, so der Hinweis des Justizministeriums.

Zuletzt betont das Justizministerium jedoch, „dass das Ausnahmeverfahren lediglich zur Überbrückung dienen darf, bis langfristigere Lösungen gefunden sind, beispielsweise durch den Abschluss von Rahmenvereinbarungen, die gemäß regulären Verfahren (dazu zählen auch beschleunigte Verfahren) vergeben werden.“ In diesem Kontext komme der internen Dokumentation der Umstände, wie lange die Inanspruchnahme des Sonderverfahrens gerechtfertigt werden kann, besondere Bedeutung zu. „Es wird daher dringend empfohlen, parallel zu den Notbeschaffungen umgehend reguläre Vergabeverfahren (insbesondere Rahmenvereinbarungen) über die absehbarer Weise benötigten Leistungen vorzubereiten und durchzuführen, um möglichst bald auf das reguläre Vergaberegime umsteigen zu können“, hieß es schon im März 2020 vonseiten des Justizministeriums.