Umweltlandesrat Johannes Rauch von den Grünen.
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Samstag-Interview

Johannes Rauch blickt zurück

Beim Landesparteitag der Grünen am 26. Juni wird sich Johannes Rauch nicht mehr zur Wahl stellen. Damit geht auch eine politische Ära zu Ende. Im Samstag-Interview mit Jürgen Peschina blickt der Grünen-Sprecher auf ein langes Politikerleben zurück.

1997 hieß der Landeshauptmann noch Martin Purtscher, der Bundeskanzler Franz Vranitzky; und bis zur Marktreife des ersten Smartphones sollte es noch zehn Jahre dauern. Mit anderen Worten: Es hat etwas von grauer Vorzeit, dieses Jahr 1997, in dem ein gewisser Johannes Rauch zum Vorstandsprecher der Vorarlberger Grünen gewählt worden ist. 24 Jahre danach wird Rauch nächsten Samstag den Chefposten bei den Grünen Jüngeren übergeben.

Herr Rauch, fast ein Vierteljahrhundert waren Sie Vorstandssprecher der Vorarlberger Grünen. Das ist eine lange Zeit im Leben eines Menschen und auch für ein Land wie Vorarlberg. Was, glauben Sie, ist das Beste, was unserem Land in dieser Zeit passiert ist?

Johannes Rauch: „Das ist eine gute und spannende Frage. Ich glaube, die Stabilität und der Zusammenhalt, den wir uns bewahrt haben, bei allen Auseinandersetzungen, die wir haben. Es gibt im Grunde, wenn es darauf ankommt, bei uns im Land einen Zusammenhalt, auch über Parteigrenzen hinweg. Es werden wichtige Weichenstellungen einstimmig beschlossen. Jetzt in der Pandemie mit den Stimmen aller Fraktionen. Ein Budget. Kredite, die aufgenommen werden mussten. Und ich würde sagen, das Beste, was uns passiert ist in den letzten Jahrzehnten, ist, dass wir uns diesen Grund Zusammenhalt bewahrt haben.“

Klimapolitik liegt mittlerweile weiten Teilen der Gesellschaft am Herzen. Wenn dann allerdings etwas kräftigere Maßnahmen vorgeschlagen werden, um der Erderwärmung Herr zu werden, dann sind viele nicht so begeistert. Wie kommt man aus dem Dilemma heraus?

Johannes Rauch: „Ich glaube, dass sich da gerade was verändert nach Corona. Und ich glaube, dass die Bereitschaft wachsen wird, da gegenzusteuern. Die junge Generation, die nachkommt, die merkt das, die fordern das ein. Und wir haben jetzt die Verantwortung, da gegenzusteuern. Und ich glaube, da wird sehr vieles in Bewegung kommen. Ich sage Ihnen ein Beispiel: Wir haben im letzten Jahr 30 Prozent mehr Radverkehr im Land gehabt, auch an Werktagen, weil die Leute einfach umgestiegen sind. Und das ist nicht irgendwie eine Straf-Veranstaltung, sondern es ist super.“

Bei der Pandemie haben es zwar auch nicht alle eingesehen, aber den meisten Menschen war dann doch klar: Es muss jetzt radikal gehandelt werden, sonst werden innerhalb weniger Wochen oder Monate sehr viele Menschen sterben. Ganz so ins Auge stechend ist es beim Klima eben nicht. Das dürfte wohl das Problem sein?

Johannes Rauch: „Da würde ich sofort zustimmen. Wir sind doch zu langsam unterwegs. Aber ich darf jetzt daran erinnern, wenn die deutsche Automobilindustrie inzwischen beschließt, einer nach dem anderen aus der Produktion von Verbrennungsmotoren auszusteigen – unlängst Audi, die werden’s 2025 machen – dann sind das Zeichen, dass auch die Wirtschaft, auch die Industrie verstanden hat, in welche Richtung es gehen muss.“

Die grüne Beteiligung an der Vorarlberger Landesregierung ist von ihnen nicht mehr als ein Projekt für zwei Legislaturperioden angesprochen worden. Dieser Zeitraum würde dann in drei Jahren auslaufen. Was empfehlen Sie der neuen Parteispitze? Sollen die Grünen wieder in die Landesregierung streben?

Johannes Rauch: „Naja, ich hab deshalb gesagt auf zwei Perioden, weil darüber hinaus kannst du in der Politik schlecht Prognosen abgeben. Manchmal ist das einfach noch kürzer. Das hängt von vielen Faktoren ab. Und ich bin ein Vertreter, der sagt: Ja zur Regierungsbeteiligung, wenn die Rahmenbedingungen passen und die Stimmen in Vorarlberg. Da ist einfach deutlich mehr möglich als in der Opposition.“

Und wenn die Feldkircher Grünen die Nase rümpfen, wenn der Stadttunnel kommt, was sagt da der Noch-Vorstandssprecher?

Johannes Rauch: „Es gibt keine Koalition ohne Kompromisse, das ist uns klar. Da gibt’s auch schmerzhafte Kompromisse, das weiß ich. Aber es wäre nicht gelungen in den letzten sieben Jahren – solange bin ich jetzt in der Regierung gemeinsam mit Katharina Wieesflecker – im Sozialbereich oder im Umweltbereich so viel weiterzubringen, wie wir es gemacht haben. Ich darf erinnern an das Angebot bei Bus und Bahn, das wir haben. Ich darf erinnern an die Fortschritte im Energiebereich. Und ich darf auch daran erinnern, was Katharina Wiesflecker in der vorigen Periode in der Kinderbetreuung zustande gebracht hat. Das ist mehr als vorzeigbar.“

Thema schmerzhafte Kompromisse: Auf Bundesebene sind die Grünen bekanntlich auch in der Regierung. Und da gehen Angriffe der ÖVP in Richtung Kern dessen, für was die Grünen unter anderem stehen: Unabhängigkeit der Justiz, Migrationspolitik. Hält man das aus als grüne Partei?

Johannes Rauch: „Da wird auch gegengehalten, das merkt man ja. Wir sind der Garant dafür, namentlich mit Alma Zadic, dass der Rechtsstaat unabhängig vom Ansehen der Person arbeiten kann; dass die Justiz nicht beeinflusst wird; dass ermittelt wird, egal wer davon betroffen ist. Und das ist ein Fundament der Demokratie und ein Fundament des Rechtsstaates. Und dafür stehen wir. Das merken die Leute auch, also ich bekomme viele Rückmeldungen, die sagen: Gut, dass Alma Zadic jetzt Justizministerin ist, da werden nicht so wie früher Ereignisse zugedeckt oder Ermittlungen nicht weitergeführt. Dasselbe gilt in Richtung Leonore Gewessler: Die Leute merken bis hinunter ins kleinste Dorf, das wirkt, was die Grünen da machen. Da kommen Geldmittel ins Land für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Da kommen Geldmittel ins Land für den Ausbau von Radverkehr und öffentlichem Verkehr. Und deshalb ist die Zustimmung, auch an der Basis, auch weit hinaus aus der eigenen Kernfunktionärsschaft hoch, dass die Grünen in Regierungsverantwortung bleiben.“

Sie gelten als Vertrauter von Vizekanzler Werner Kogler. Hält die Bundesregierung?

Johannes Rauch: „Ja, wir tun alles, um das zu halten. Weil wir jetzt am Übergang vom (hoffentlichen) Ende der Pandemie, viele Aufgaben vor uns haben, die Wirtschaft wieder ins Laufen zu bringen. Und, das ist mir ganz wichtig: Kindern und Jugendlichen, die jetzt ein Jahr lang wirklich schwer gelitten haben und auch Eltern eine Perspektive zu bieten. Und da muss man jetzt investieren. Das ist ein Job, eine Aufgabe einer Regierung. Und das in die Hand zu nehmen, das treibt mich an, das treibt uns an. Wir sind gewählt, nicht um der Macht willen oder Posten zu besetzen, sondern um Lebensverhältnisse von Menschen bestmöglich zu verbessern.“