Gemeinde Fußach
Gemeinde Fußach
Gemeinde Fußach
Politik

Rechnungshof rügt illegale Finanzgeschäfte in Fußach

In der Gemeinde Fußach hat es unter dem Altbürgermeister massive Misswirtschaft gegeben. Der Landesrechnungshof kritisiert überhöhte Gehälter, mangelnde Kontrolle und Millionenverluste durch Aktienspekulationen. Die Gemeinde kündigt rechtliche Schritte gegen den ehemaligen Langzeit-Bürgermeister und den ehemaligen Finanzleiter an.

In der Rheindelta Gemeinde Fußach kam es im Jahr 2020 sowohl in der Politik als auch in der Verwaltung zu personellen Veränderungen. Langzeit-Bürgermeister Ernst Blum (FPÖ) war erst im September 2020 bei den Gemeindewahlen von Peter Böhler (Zukunft Fußach) abgelöst worden – mehr dazu in Wahl: Alle Landesparteien sehen Positives (vorarlberg.ORF.at). Auch der 40 Jahre in der Gemeinde tätige Finanzleiter ging in Pension.

Der ehemalige Bürgermeister, der im Herbst 2020 nicht mehr zur Gemeindevertretungswahl antrat, brachte im Sommer 2020 eine Sachverhaltsdarstellung bei der zuständigen Strafbehörde ein. Er hatte von Auffälligkeiten bei Gehaltsauszahlungen erfahren. Daraufhin wurde der Rechnungshof tätig. Geprüft wurden die Jahre 2016 bis 2019, insbesondere das Personalwesen, das interne Kontrollsystem sowie die Veranlagungsgeschäfte.

Zuständigkeiten überschritten

Die Prüfung des Landesrechnungshofes wurde wegen mangelhafter Dokumentation und Datenqualität erheblich erschwert. Wesentliche Unterlagen fehlten bzw. waren nicht auffindbar, teils verwahrte sie der ehemalige Finanzleiter ausschließlich privat. Die Protokollierung von Vorstandsbeschlüssen war unzureichend und Gemeindeorgane überschritten mehrfach ihre Zuständigkeiten, indem sie z.B. Geschäfte außerhalb ihrer Wertgrenzen genehmigten, rügt der Rechnungshof in seinem Bericht. Die Gemeinde behob zudem Beanstandungen der Aufsichtsbehörde über Jahre nicht.

Landesrechnungshof-Direktorin Brigitte Eggler-Bargehr im Interview mit dem ORF am 25.01.2021
ORF
Direktorin des Landesrechnungshofes Brigitte Eggler-Bargehr

Mangelhafte Kontrollen

Die Amtsleitung blieb über viele Jahre unbesetzt. Die Verantwortung dieser Position kam somit dem Bürgermeister zu. Er nahm seine Aufsichts- und Kontrollpflicht jedoch nicht genügend wahr. Der Landesrechnungshof zeigt schwerwiegende Defizite in der Organisation und im Internen Kontrollsystem auf, grundlegende Prinzipien wurden missachtet.

So hatte der Finanzleiter für nahezu alle Bankkonten Einzelzeichnungsberechtigungen, es gab kein Vier-Augen-Prinzip und im Online-Banking umging er es. Der Rechnungshof empfiehlt daher dringend eine Neuorganisation der Gemeindeverwaltung sowie ein funktionierendes internes Kontrollsystem.

Gemeinde Fußach
Fußach liegt im Rheindelta am Bodensee und hat knapp 4.000 Einwohner. Bürgermeister war von 1993 bis 2020 Ernst Blum (FPÖ).

Defizite im Personalwesen

Der Rechnungshof ortet zudem grundlegende Defizite im Personalwesen. So gab es Kettenverträge oder Entlohnungen mittels Wertgutscheinen ohne sozialversicherungsrechtliche Anmeldung. Eine elektronische Zeiterfassung führte die Gemeinde erst unter dem neuen Bürgermeister Böhler im Jahr 2021 ein. Bis dahin dokumentierten Beschäftigte ihre Arbeitszeit in manipulierbaren Dateien.

Großzügige Überstundenregelung

Der Landesrechnungshof kritisiert zudem „auffallend hohe Zulagen bei Mitarbeitenden im Finanzbereich, teilweise ohne rechtliche Grundlage, sowie enorme Vergütungen für Überstunden“. Der Leiter agierte in der Gehaltsverrechnung ohne Kontrolle. Dadurch konnte er sich über Jahre nicht angeordnete und großteils nicht belegbare Stunden auszahlen. „Im Prüfzeitraum erfasste er Überstunden täglich, u.a. an Sonn- und Feiertagen, Tagen mit einer Krankmeldung oder Urlaubshalbtagen. Teilweise basierten seine Auszahlungen auf einem selbst entwickelten Altersteilzeitmodell, das weder bekannt noch in den Gremien behandelt worden war“, heißt es im Bericht.

Rechnungshof rügt illegale Finanzgeschäfte in Fußach

In der Gemeinde Fußach hat es unter dem Altbürgermeister massive Misswirtschaft gegeben. Der Landesrechnungshof kritisiert überhöhte Gehälter, mangelnde Kontrolle und Millionenverluste durch Aktienspekulationen. Die Gemeinde kündigt rechtliche Schritte gegen den ehemaligen Langzeit-Bürgermeister und den ehemaligen Finanzleiter an.

Hohe Verluste durch Spekulationen

Die finanziellen Spielräume der Gemeinde – ihre Lage ist besser als der Durchschnitt in Österreich – wurden für risikoreiche Veranlagungen der Gemeinde und der Immobilien KG in Millionenhöhe genutzt, beispielsweise zum Handel mit Aktien ausländischer Unternehmen. Ohne Befugnisse tätigte der Finanzleiter sämtliche Transaktionen und veräußerte im Herbst 2019 im Alleingang den vollständigen Wertpapierbestand von beinahe 8,5 Millionen Euro.

Mit den Veranlagungen verstieß die Gemeinde sowohl gegen selbst auferlegte Vorgaben als auch das Spekulationsverbotsgesetz. „Bürgermeister und Finanzleiter nahmen dies bewusst in Kauf, ebenso das Risiko eines Verlusts öffentlicher Gelder“, so der Bericht. Der Schaden für Fußach lag im Prüfzeitraum bei über 1,8 Millionen Euro. Der Rechnungshof empfiehlt, dass die Gemeinde rechtliche Schritte gegen die Beteiligten einleitet.

Gemeinde leitet rechtliche Schritte ein

Die Gemeinde Fußach und ihrem neuen Bürgermeister Peter Böhler bleibt damit ein riesiger Scherbenhaufen wegzuräumen. Dafür gibt ihm der Rechungshof 46 Empfehlungen zum Aufbau von effizienten Kontroll- und Verwaltungs-Strukturen mit. Die sollen auch alle umgesetzt werden, gibt die Gemeinde in einer ersten Stellungnahme bekannt.

„Ich bin froh über diesen objektiven Bericht, denn er bestätigt genau das Bild vom Zustand der Gemeinde, wie ich es gleich bei meiner Amtsübernahme erlebt habe. Es bekräftigt mich, dass der eingeleitete Erneuerungsprozess dringend notwendig ist“, erklärt der im Herbst letzten Jahres neu gewählte Fußacher Bürgermeister Peter Böhler. Die gesamte Verwaltung werde derzeit neu ausgerichtet.

Porträtfoto von Bürgermeisterkandidat Peter Böhler von der Partei Zukunft Fußach.
Zukunft Fußach
Bürgermeister Böhler kündigt rechtliche Schritte gegen die Verursacher des Millionenschadens an

„Die Gemeinde Fußach folgt der Empfehlung des Rechnungshofs und wird rechtliche Schritte gegen die zwei mutmaßlich Beteiligten, den ehemaligen Bürgermeister und den ehemaligen Finanzleiter, einleiten.“ Dazu finden in den kommenden Tagen Beratungen mit dem Gemeindeverband statt, zudem wurde eine außerordentliche Gemeindevertretungssitzung angesetzt. Für die Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung. Man werde alles daransetzen, dass die Gemeinde und damit die Fußacher Bürgerinnen und Bürger nicht auf diesem Schaden sitzen bleiben müssen, so Böhler.

Reaktionen der Politik

SPÖ-Arbeitssprecherin Manuela Auer fordert angesichts der bekannt gewordenen Zustände in allen Gemeinden Personalvertretungen. Fußach sei nämlich kein Einzelfall. "Die Arbeitnehmenden sind damit völlig auf sich allein gestellt und haben eine schlechte Verhandlungsposition. Das Ergebnis sind solche Zustände wie in Fußach,“ so Auer.

NEOS-Landtagsabgeordneter Johannes Gasser fordert eine lückenlose Aufklärung wie es dazu kommen konnte und wieso die vorhandenen Kontrollmöglichkeiten nicht genutzt worden seien. „Hier wurden nicht nur wirtschaftlich schwerwiegende Entscheidungen ohne gebotene Kontrolle getroffen, sondern auch gegen das Spekulationsverbotsgesetz verstoßen“, so Gasser. Der Prüfbericht zeige, wie wichtig eine fundierte Kontrolle in den Gemeinden sei.

Daniel Allgäuer, Landtagsabgeordneter der FPÖ, fordert in einer ersten Reaktion die rasche und vollständige Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes. Die Kritik des Rechnungshofes sei sehr ernst zu nehmen. Allgäuer spricht von einem vorsätzlichen Vorenthalten wichtiger Informationen durch den Finanzleiter der Gemeinde.

ÖVP-Klubobmann Roland Frühstück zeigt sich überrascht von den Ergebnissen des Prüfberichts des Landes-Rechnungshofes zur Gemeinde Fußach. „Ich kann mich an keinen Rechnungshofbericht der vergangenen Jahre erinnern, der so massive Kritik äußert, wie jener zur Gemeinde Fußach“, so Frühstück. Der Bericht offenbart aus seiner Sicht eine Mischung aus organisatorischem Chaos, Misswirtschaft und mutmaßlichen Gesetzesbrüchen. Neben der politischen Verantwortung, die definitiv beim ehemaligen FPÖ-Landtagsabgeordneten und langjährigen Bürgermeister Ernst Blum zu verorten sei, geht Frühstück auch von rechtlichen Konsequenzen für die handelnden Personen aus.

Daniel Zadra, Klubobmann der Grünen, äußerte sich via Twitter zu der Causa Fußach. Der ehemalige FPÖ-Bürgermeister von Fußach habe quasi alles gemacht bzw. zugelassen, was man nicht macht, heißt es in Zadras Statement.