Frau sitzt nachdenklich auf Fensterbank
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Coronavirus

Pulmologe warnt vor hoher Fallzahl wegen „Long Covid“

Zehn Prozent der Coronavirus-Patienten leiden auch sechs Monate nach Abklingen der Infektion noch immer unter den Folgen ihrer Covid-19-Erkrankung. In Vorarlberg trifft das Phänomen „Long Covid“ bzw. „Post Covid“ also rund 2.800 Personen. Pulmologe Peter Cerkl warnte daher davor, nur auf die Belegung der Intensivstationen zu schauen.

„Wir haben keine genauen Zahlen, aber so um den Dreh“, bestätigte Cerkl, Primar der Pulmologie am LKH Hohenems, und warnte daher davor, nur auf die Belegung der Intensivstationen zu schauen und höhere Fallzahlen in Kauf zu nehmen.

„Long Covid“

Als „Long Covid“ bezeichnet man die Spätfolgen einer überstandenen Covid-19- Erkrankung. Die Spätsymptome sind zum Teil unspezifisch und derzeit noch schwer in Bezug auf bleibende Schäden zu beurteilen.

Viele jüngere „Long Covid“-Patienten

Waren bisher vor allem Ältere betroffen, gebe es nun viele Covid-19-Patienten im mittleren und jungen Alter, die im Berufs- und Familienleben stünden. Vor „Long Covid“ ist laut Cerkl niemand gefeit, häufig treffe es aber junge Frauen und Frauen im mittleren Alter mit schwereren Verläufen. Das berichten auch zwei neue britische Studien – mehr dazu auf science.ORF.at.

Betroffene litten Wochen und Monate lang unter Konzentrations- und Wortfindungsstörungen, Beeinträchtigung des Geschmacks- und Geruchssinns, Atemnot und Erschöpfung. „Die organischen Befunde sind normal, sie kommen aber trotzdem kaum mehr eine Stiege hinauf“, so Cerkl, derdavor warnte, die Fallzahlen als Kriterium in der Bekämpfung ganz außer Acht zu lassen. „Man muss sich damit auseinandersetzen“, betonte der Primar, und „eine Ansteckung vermeiden“.

Leiter der Pulmologie in Hohenems und Lungenfacharzt Peter Cerkl
ORF Vorarlberg
Leiter der Pulmologie in Hohenems und Lungenfacharzt Peter Cerkl

Keine eigene „Long Covid“-Ambulanz

Betroffene erholten sich oft nur langsam. „Und es gibt nicht viel, was wir tun können. Viele erwarten eine Tablette, und gut ist, aber das gibt’s nicht“, so der Mediziner. Man biete den Patienten neurokognitive, logopädische und pulmonale Rehatherapien, vor allem aber bräuchten die Patienten Geduld und Zeit. Derzeit würden die Langzeitkranken über die Ambulanz des LKH Hohenems mit betreut, eine eigene „Long Covid“-Ambulanz gebe es bisher in Vorarlberg nicht.

„Mit unserem derzeitigen Personalstand wäre das auch nicht zu stemmen“, so Cerkl. Man habe sich die Betreuung daher unter den Disziplinen aufgeteilt, je nach Symptomatik. Zudem tausche man sich immer wieder mit Innsbruck aus. Das reiche derzeit für die Betreuung der Vorarlberger Patienten aus. Wien dagegen verfügt bereits über eine „Long Covid“-Abulanz – mehr dazu in Großer Andrang auf „Long Covid“-Ambulanz (wien.ORF.at).

Rehamöglichkeiten für „Long Covid“-Patienten begrenzt

Anlaufstelle sei auch der niedergelassene Bereich. Die Ärzteschaft, ob niedergelassen oder im Spital, sei sensibilisiert, bei entsprechenden Symptomen auch eine Coronavirus-Infektion, die möglicherweise sogar unentdeckt ablief, in Betracht zu ziehen. Coronavirus-Patienten, die lange auf der Intensivstation lagen, erholten sich nach derzeitigem Stand trotz eines langen Weges oft gut.

Ein kleiner Teil trage aber schwere Organschäden davon, vor allem an der Lunge. „Zum Glück betrifft das nicht viele, aber je mehr krank werden, umso höher wird auch die Zahl jener mit schwerem Verlauf“, erinnerte der Lungenspezialist. Für ihre stationäre Reha arbeite man mit einem Zentrum in Münster zusammen, allerdings gebe es dort Wartelisten.

Beschwerlicher Alltag mit „Long Covid“

Mittlerweile haben in Österreich beinahe 600.000 Menschen eine Coronavirus-Infektion durchgemacht und überlebt. Oft spüren die Betroffenen auch noch Monate nach einer Infektion, dasx mit ihnen gesundheitlich nicht alles okay ist.

„Long Covid“-Forschung

Die Liste der „Long Covid“-Symptome ist lange und reicht von Kopfschmerzen, Müdigkeit, Gliederschmerzen über Atemprobleme, Gedächtnisverlust und Konzentrationsstörungen bis hin zu chronischer Erschöpfung. Ebenso kann es zu psychiatrischen Syndromen kommen – die Datenlage zu den Langzeitfolgen ist jedoch noch recht dürftig – mehr dazu in Zunehmender Fokus auf „Long Covid“ (news.ORF.at).

Als Hintergrund des Phänomens wird nach Angaben von Cerkl momentan ein Autoimmunprozess vermutet, vieles sei aber noch unklar und stehe in Diskussion. Dass manche Betroffenen von einer Besserung nach ihrer Coronavirus-Impfung berichteten, würde ebenfalls für einen Zusammenhang mit einem autoimmunen Prozess sprechen, sagte Cerkl. Daher sei auch für Genesene einige Monate nach der Gesundung eine Impfung jedenfalls anzuraten.