Zecken können nach nur einer Mahlzeit viele Monate ohne einen weiteren Tropfen Blut überleben und damit Temperaturen unter sechs Grad Celsius einfach abwarten. Mit den ersten milden Tagen ist der Verdauungsschlaf dann aber zu Ende. Die ersten Zecken lauern bereits jetzt schon wieder im hohen Gras, in Sträuchern und im Unterholz.
In Vorarlberg ist es vor allem der „Gemeine Holzbock“ aus der Familie der Schildzecke, der mit seinem scherenartigen Mundwerkzeug zwickt, sticht und saugt und mit seinem Speichel Viren und Bakterien übertragen kann.
Borreliose weitaus häufiger als FSME
Die von Zecken übertragene Viruserkrankung Frühsommer-Meningoenzephalitis FSME tritt in Vorarlberg nach wie vor eher selten auf. Im Vorjahr gab es elf bestätigte Fälle. Zudem gibt es seit Jahren einen vorbeugenden Impfstoff zum Schutz. Das gilt für die häufigere Infektionskrankheit Borreliose nicht. Borreliose wird von spiralförmigen Bakterien, den Borrelien, übertragen, erklärt Oberarzt Richard Stockinger vom Institut für Pathologie und Mikrobiologie am Landekrankenhaus Feldkirch.
Borrelien fühlen sich vor allem in den Körpern von Kleinnagern und Vögeln wohl, so Stockinger. Hat sich eine Zecke von einem befallenen Tier ernährt, können sich die Bakterien auch im Darm des Blutsaugers ansiedeln. Sticht diese Zecke dann einen Menschen, wandern die Bakterien in die Speicheldrüsen der Zecke. Beim Saugen gelangt dieser Speichel in den Körper des Menschen und mit ihm auch die Bakterien.
Die ersten zwölf bis 24 Stunden sind wichtig
Da die Wanderung der Borrelien aus dem Darm der Zecke in die Speicheldrüsen Zeit braucht, kann eine frühzeitige Entfernung der Zecke eine Krankheitsübertragung verhindern, erklärt der Mediziner. Prinzipiell gilt: Je früher die Zecke entfernt wird, desto geringer ist das Risiko einer Übertragung. Wird die Zecke innerhalb der ersten zwölf bis 24 Stunden entfernt, ist die Wahrscheinlichkeit einer Borrelien-Infektion sehr gering.
Den ganzen Körper immer sorgfältig absuchen
Das Infektionsrisiko ist laut Stockinger stark von der Witterung abhängig. Die meisten Krankheitsfälle werden in Vorarlberg von Juni bis August gemeldet. Die Gefahr, von Zecken befallen zu werden, besteht vor allem bei Kontakt mit bodennahen Pflanzen. Schutz kann Kleidung bieten, die möglichst viel Körperfläche bedeckt. Das sind lange Hosen, langärmlige Shirts und festes Schuhwerk.
Nach einem Aufenthalt im Freien soll der Körper sorgfältig nach Zecken abgesucht werden, betont Stockinger. Vor allem bei Kindern können sie auch am Kopf sitzen. Auch Haustierte sollten regelmäßig abgesucht werden.
In vielen Fällen bleibt es unbemerkt
Wenn eine Übertragung mit Borrelien passiert, führen die wenigsten Infektionen auch tatsächlich zu Krankheitssymptomen, erklärt der Mediziner. Nach dem Stich einer mit Borrelien infizierten Zecke komme es in rund 20 Prozent der Fälle zu einer Reaktion auf das Bakterium mit Bildung von Antikörpern. Allerdings würden nur zwei Prozent der Infizierten Symptome zeigen. Deshalb wissen viele Menschen gar nicht, dass sie irgendwann einmal Kontakt mit Borrelien hatten.
Der Anteil der Bevölkerung mit einem Antikörpernachweis sei relativ hoch, so Stockinger. Bei rund Prozent der Blutspender seien Antikörper nachweisbar. Bei Waldarbeitern sind es 30 Prozent, bei Jägern sogar bis zu 70 Prozent.
Wanderröte in der Frühphase
In der Frühphase der Erkrankung haben Menschen Symptome wie Müdigkeit, verringerten Appetit, Kopf- und Nackenschmerzen, Muskel- und Gelenksschmerzen sowie Lymphknotenschwellungen und Fieber. In Folge können verschiedene Organsysteme betroffen sein, so Stockinger. Vor allem betroffen sind die Haut und das Nervensystem.
Das häufigste Erkrankungsbild in der Frühphase ist die sogenannte Wanderröte. Das ist eine kreisförmige Rötung der Haut, die mindestens fünf Zentimeter Durchmesser erreicht und drei bis 30 Tage nach dem Zeckenstich auftritt.
Ärztliche Abklärung wichtig
In den ersten Wochen bis Monaten der Erkrankung kann sich auch eine Neuroborreliose entwickeln, das ist eine Entzündung im Bereich des Nervensystems, erklärt Oberarzt Joachim Blocher, Neurologe am Landeskrankenhaus Feldkirch. Die vor allem in der Nacht auftretenden Schmerzen strahlen in verschiedene Körperbereiche aus, vor allem in Arme und Beine. Auch eine Gesichtslähmung kann möglich sein.
Diese Symptome gehören ärztlich abgeklärt, betont Blocher. Wird eine symptomatische Erkrankung nicht behandelt, können sich späte Formen der Borreliose entwickeln. Diese können dann Gelenke, Haus und Herz betreffen. Bei einer entsprechenden Behandlung seien auch diese Erkrankungen gut behandelbar und würden in der Regel ohne dauerhafte Folgen bleiben.
Behandlung mit Antibiotika
Da andere Erkrankungen ähnliche Symptome verursachen können, lässt sich auch durch eine sehr sorgfältige Untersuchung eine Infektion mit Borrelien nicht immer eindeutig bestimmen. Der Kontakt mit den Bakterien kann aber über eine Blutuntersuchung nachgewiesen werden. Am Institut für Pathologie und Mikrobiologie werden jene Antikörper bestimmt, die in Folge einer Borrelien-Infektion gebildet werden, so Stockinger. In frühen Krankheitsverlauf sind aber oft noch keine Antikörper nachweisbar.
Bei der typischen Wanderröte werden sich die Ärztin oder der Arzt daher bereits anhand der Befundkonstellation für eine antibiotische Therapie entscheiden. Dadurch würden schwere Krankheitsverläufe und Späterscheinungen verhindert, so Stockinger.
Patientinnen und Patienten, die im Frühstadium der Borreliose mit Antibiotika behandelt werden, erholen sich in den meisten Fällen rasch und auch vollständig. Die Erkrankung heilt folgenlos aus und die Erreger sterben ab. Die Antikörper bleiben oft über Jahre hinweg nachweisbar.