Demonstrant mit Atemschutzmaske
Maurice Shourot
ORF Vorarlberg
Coronavirus

Wer steckt hinter den Anti-Corona-Demos?

Beinahe jedes Wochenende finden in Vorarlberg Anti-Corona-Demos statt. Mittlerweile gibt es eine lose Querdenken-Bewegung und mindestens einen Verein hinter diesen Kundgebungen. Wer steckt dahinter? Und wer profitiert von der Wut der Coronaleugner und Maßnahmenkritiker?

In Bregenz hat sich im September vergangenen Jahres der gemeinnützige Verein „nature-culture.academy“ gegründet – ein „Kulturverein zur Förderung der natürlichen Gesundheitspflege“. Er gibt an, Veranstaltungen und Seminare zur Förderung der Gesundheit machen zu wollen.

Demos als gesundheitsfördernde Veranstaltung?

Zudem betreibe er Forschungsprojekte. Als Beispiel nennt der Verein auf seiner Webseite: „Im „Freiraum Gesundheit“ betreiben wir ein besonderes Forschungsprojekt in der Sonderlage „Pandemie“, das wir Ihnen gerne auf einer unserer Informationsveranstaltungen vorstellen.“

Corona Demo Bregenz
ORF Vorarlberg
Eine Anti-Corona-Demo in Bregenz

Seminare findet man allerdings nicht auf der Webseite, weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft. Lediglich eine Veranstaltung wird explizit genannt: Die Schiffsdemo Anfang Oktober, eine Anti-Corona-Demo unter dem Motto: „Einhalt der Unverhältnismäßigkeit“.

Tatsächlich scheint dieser Verein vor allem einen Zweck zu verfolgen: Die Veranstaltung von Anti-Corona-Demos beziehungsweise das Sammeln von Spenden, um solche Protestveranstaltungen durchführen zu können. Zu Spenden für diesen Verein wird auch im benachbarten Ausland auf Querdenken-Webseiten und in Youtube-Videos geworben.

Großer Aufwand

Die wöchentlichen Demos werden mit erheblichem Aufwand organisiert: Flyer und Broschüren werden gedruckt, hochwertige Transparente erstellt, Bühnen gemietet und Tonanlagen aufgestellt. All das kostet eine Menge Geld. Zusätzlich werden Zeitungsannoncen geschaltet, bestätigt Armin Elbs, Präsident des Vereins „nature-culture.academy“. Eine halbseitige Anzeige in den VN kostet zwischen 6.000 und 7.000 Euro.

Reden bei der Festspielhaus
Tarja Prüss
Vier-Länder-Demo mit professioneller Bühne und Großbildleinwand

Mitgliedschaften für 45 und 90 Euro

Die Standard-Mitgliedschaft im Bregenzer Verein kostet 90 Euro, dadurch erhält man Rabatte bei kostenpflichtigen Seminaren. Die Basis-Mitgliedschaft liegt bei 45 Euro. Damit kann man an internen Veranstaltungen teilnehmen und kostenlose interne Seminare besuchen. Bei beitragspflichtigen Seminaren und Projekten muss man dagegen den vollen Beitrag zahlen.

Was also ist der Vorteil, Basis-Mitglied zu werden? Dass man kostenlose Veranstaltungen kostenlos besuchen kann? Bislang veranstaltet der Verein offensichtlich nur Anti-Corona-Demos – und die kosten bekanntlich keinen Eintritt.

Vorstand von nature.culture.academy

Präsident des Vereins ist Armin R. Elbs, das bekannteste Gesicht der Coronakritiker- und Querdenken-Bewegung in Vorarlberg. Er tritt auch auf Kundgebungen im benachbarten Deutschland und in Wien auf. Als Gesundheitswissenschaftler führt den Titel eines „Master of Science health“ (MSc), den er mit einer Abschlussarbeit über elektromagnetische Schwingungen an der Inter-Uni in Graz erworben hat, eine heute nicht mehr als universitär anerkannte Einrichtung.

Organisator Armin Elbs
Maurice Shourot
Armin R. Elbs tritt auch bei Anti-Corona-Demos in Deutschland auf

Demokratieverständnis nach außen und nach innen

Viele der Demos laufen nicht unter dem Motto „Weg mit Corona“, sondern schreiben sich demokratische Grund- und Freiheitsrechte auf die Fahnen. Da wird auf Unabhängigkeit, Persönlichkeitsrechte und Demokratie gepocht. Nach innen scheint es der Verein mit demokratischen Rechten und Transparenz weniger genau zu nehmen: Präsident und Vizepräsident sind gleich mal für fünf Jahre gewählt und jeder Beschluss ist nur mit Unterschrift des Präsidenten gültig.

Unterschiedliche Konten

Ausdrücklich weist der Verein darauf hin, dass Spenden nicht auf dasselbe Konto gehen sollen wie die Mitgliedsbeiträge. Zwei Konten, bei zwei verschiedenen Banken. Warum so kompliziert? Es macht in jedem Fall stutzig, zumal nicht tausende Mitglieder verwaltet werden müssen. Derzeit hat der Verein nach eigenen Angaben etwa 170 Mitglieder.

Wer steckt hinter den Corona-Demos?

Beinahe jedes Wochenende finden in Vorarlberg Anti-Corona-Demos statt. Dahinter steckt der Querdenker Armin Elbs, der auch Gründer des gemeinnützigen Vereins „nature-culture.academy“. Ein Faktencheck, was dahinter steckt und was mit den Spendengeldern passiert.

Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz als zuständige Behörde kann da auch nicht weiterhelfen. Sie verwaltet de facto nur die Vereine (über 5.000 alleine in Vorarlberg), prüft aber nicht die Gemeinnützigkeit. „Ich weiß nicht einmal, wie viele Mitglieder ein Verein hat. Kann nicht mal die Vorgabe erlassen, dass Protokoll geführt werden muss“, sagt Voislav Zubcic von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz. Für alle steuerrechtlichen Aspekte von Vereinen sei das Finanzamt zuständig. Vereine als Tarnung sei allerdings auch kein neues Modell, weiß Zubcic aus langjähriger Erfahrung. In Vorarlberg hatte sich beispielsweise mal ein Motorradverein gegründet, hinter dem sich eine rechtsextreme Gruppierung versteckte.

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Querdenken Demo in Bregenz
Tarja Prüss
Querdenken Demo in Bregenz: Daniel Langhans
Tarja Prüss
Daniel Langhans von der Querdenken Initiative in Ulm (D)
Querdenken Demo in Bregenz
Tarja Prüss
Querdenken Demo in Bregenz: Armin Elbs
Tarja Prüss
Armin R. Elbs von „Querdenken-5574“ Bregenz
Querdenken Demo in Bregenz
Tarja Prüss
Querdenken Demo in Bregenz
Tarja Prüss
Querdenken Demo in Bregenz
Tarja Prüss
Querdenken Demo in Bregenz
Tarja Prüss

Geheimhaltungspflichten

Beim Finanzamt in Bregenz beziehungsweise der Finanzpolizei kann auch keiner weiterhelfen. Man dürfe der Presse keine Auskünfte erteilen. Da müsse man sich an „ganz nach oben“ wenden. „Wir dürfen aufgrund der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht keine Auskunft zu konkreten Unternehmen, Personen oder auch Vereinen geben“, teilt daraufhin der Sprecher des Finanzministeriums Stefan Trittner auf Anfrage schriftlich mit. „Abgabenbehördliche Prüfungen bei Vereinen erfolgen aufgrund einer Risikoauswahl, wobei diese EDV gesteuert erfolgen kann oder aber auf einer gezielten Auswahl einer Bearbeiterin/ eines Bearbeiters basieren kann. Allerdings ist zu beachten, dass nicht alle gemeinnützigen Vereine automatisch auch steuerlich erfasst sind. Ob ein konkreter Verein bereits einer Betriebsprüfung unterzogen wurde, unterliegt der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht darf daher nicht mitgeteilt werden.“

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Frau mit Spenden-Eimer
ORF Vorarlberg
Fanartikel bei Anti-Corona-Demo
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Infostand bei Anti-Corona-Demo
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Fanartikel bei Anti-Corona-Demo
ORF Vorarlberg
Fanartikel bei Anti-Corona-Demo
ORF Vorarlberg

Der als gemeinnützig eingetragene Verein genießt steuerrechtliche Vorteile. Überspitzt formuliert würde also der österreichische Staat die Demos gegen die Einschränkungen indirekt steuerlich fördern.

Auf den Demos selber werden auch Bücher, T-Shirts und andere „Fanartikel“ vor allem der Querdenken-Bewegung verkauft. Das ZDF hat zusammen mit Netzpolitik.org aufgedeckt, dass der Querdenken-Chef in Deutschland, Michael Ballweg, Querdenken als Marke geschützt hat und an allen Verkäufen mitverdient. Spenden für die Querdenken-Bewegung landen auf seinem privaten Konto. Jetzt liegt beim Finanzamt Stuttgart eine Anzeige gegen ihn.

Spenden für PR-Aktionen

„Die Spenden verwenden wir zum allergrößten Teil für PR. Das sind einerseits Broschüren und Flyer, aber auch Zeitungsanzeigen“, sagt Elbs auf unsere Anfrage. Technisch habe man auch aufgerüstet, sodass man mindestens zwei Standorte mit neuer Technik beschallen könne. Und jede Woche werde auch Bühnentechnik angemietet.
„Die Mitgliedsbeiträge sind fast unangetastet. Wir haben ja kaum Vereinstätigkeit, weil das sehr schwierig ist in dieser Zeit“, sagt Elbs. Treffen gebe es derzeit nur virtuell. Auch die Gewinne aus den Merchandise-Verkäufen wanderten in die PR. „Das ist ein großes Ganzes und man versucht natürlich mit solchen Instrumenten, Spenden zu generieren“, sagt Elbs.

Mittlerweile hat der Verein „nature-culture.academy“ eine „Aufforderung des Finanzamtes“ erhalten, bestätigte Elbs.

Querdenken Demo in Bregenz
Tarja Prüss
Querdenken-T-Shirt-Verkauf bei einer Demo in Bregenz

Redner auf Anti-Corona-Demos

Steffen Löhnitz tritt ebenfalls auf den Vorarlberger Anti-Corona-Demos als Redner auf. Der gebürtige Sachse hat in seinem Portfolio einige Stiftungen und eine gemeinnützige Gmbh „vision-2030“, die als Tätigkeit laut Firmeneintrag nichts weniger als die „Förderung der Allgemeinheit“ anstrebt. Zudem ist er Mitglied des Verwaltungsrates und Geschäftsführer einer Softwarefirma mit mehreren Adressen in Liechtenstein.

Steffen Löhnitz, Initiator des Volksbegehrens zur erhebung der Covid-19-Erkrankten
ORF Vorarlberg
Steffen Löhnitz hat mit seinem Unternehmen vision-2030 ein Volksbegehren gestartet

Sendungshinweis
„Vorarlberg Heute“
Freitag, 23. April 2021
19.00 Uhr ORF 2

Sämtliche Mittel des Rechtsstaates ausschöpfen

Löhnitz selbst hat vor kurzem ein Volksbegehren ins Leben gerufen, weil seiner Ansicht nach die am Coronavirus erkrankten Menschen in Vorarlberg nicht richtig gezählt würden. Gefordert wird unter anderem Schadensersatz für die Einstufung Vorarlbergs als Risikogebiet (durch das RKI). Denn laut seinem Video auf seiner Homepage wurde die Inzidenz für Vorarlberg „bewusst falsch berechnet“. Dadurch sei immenser Schaden entstanden.

Hätte man nur die „aktiv Positiven“ gezählt, hätte die Inzidenz bei unter 40 gelegen, sagt Löhnitz, ohne dafür Belege zu bringen. Löhnitz bietet im Video Hilfe an, den Schaden bei den Verursachern geltend zu machen. Dazu gibt es ein Kontaktformular. „Damit wir uns für sie einsetzen können“, sagt Löhnitz. Er ist übrigens kein Anwalt, was man angesichts dieses Aufrufes vermuten könnte, sondern Dipl.Ing..

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Volksbegehren zur Erhebung der „Erkrankten an Covid 19“
ORF Vorarlberg
Nach Ansicht der Initiatoren werden die Covid-19-Erkrankten falsch gezählt
Volksbegehren zur Erhebung der „Erkrankten an Covid 19“
ORF Vorarlberg
5.000 Unterschriften sind für ein Volksbegehren nötig
Steffen Löhnitz, Initiator des Volksbegehrens zur erhebung der Covid-19-Erkrankten
ORF Vorarlberg
Initiator Steffen Löhnitz im Inteview mit ORF-Redakteur Gernot Hämmerle über das Volksbegehren

Anzeige bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft

Ende Dezember hat Löhnitz zudem alle Landeshauptleute Österreichs bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft angezeigt. Weil sie nach dem Epidemiegesetz zum Schaden des Volkes, der Wirtschaft und ganz Österreich handeln würden. Doch die Korruptionsstaatsanwaltschaft ist nach eigenen Angaben gar nicht zuständig. Die Anzeige wurde an die Staatsanwaltschaft Wien weitergeleitet, weil die Anzeige in Richtung Missbrauch der Amtsgewalt gehe, so Oberstaatsanwalt Rene Ruprecht von der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption.

Die gesamte Landesregierung vom Landeshauptmann abwärts erhält ebenfalls regelmäßig lange Briefe von Steffen Löhnitz, in denen er die Politiker der Lüge und anderes mehr bezichtigt. Wie bei anderen solchen Schreiben, die im Landhaus eingehen, habe man auch hier geantwortet und die Vorwürfe entkräftet, heißt es aus dem Büro des Landeshauptmannes.

Wer profitiert?

Was bleibt ist ein fahler Beigeschmack. Die Konstruktionen, über die bei den CoV-Protesten Geld gesammelt wird, haben aber offenbar eines gemeinsam: Sie geben vor, parteipolitisch unabhängig zu sein und dem Allgemeinwohl zu dienen. Ziele sind nur grob abgesteckt, Vereinsstrukturen undurchsichtig. Rechenschaftsberichte über die Verwendung der gesammelten Gelder gibt es (noch) nicht. Die Veranstalter haben Wege gefunden, von der Wut der Menschen auf die CoV-Maßnahmen zu profitieren.

Cui bono? Wer profitiert? Diese Frage wird angesichts der Pandemie-Regeln auf fast jeder Demo gestellt. Das Misstrauen ist groß. Nur innerhalb der eigenen Gruppe wird darüber offenbar nicht nachgedacht.