Politik

Weltfrauentag: Im Kampf für Gleichberechtigung

In Vorarlberg verdienen Frauen 47 Prozent weniger als Männer. Auf Vollzeit gerechnet sind das immer noch 23 Prozent weniger Lohn. Der ÖGB zeigt auf, dass die Pandemie die Frauen besonders hart treffe. Viele Macht- und Herrschaftsfragen sind bis heute nicht gelöst.

Sendungshinweis
„Neues beu Neustädter“
Montag, 8. März 2021
13.00 Uhr Radio Vorarlberg

Die EU-Kommission fordert, Einkommensunterschiede in Betrieben mit mehr als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern offen zu legen. Gerade in Vorarlberg verdienen Männer überdurchschnittlich viel – Frauen überdurchschnittlich wenig – im Österreich- und im EU-Vergleich. Diese Ungerechtigkeit muss dringend beseitigt werden, sagt Gleichstellungsspezialistin Sabine Juffinger.

Das ist am heutigen Montag auch Thema in der ORF Radio Vorarlberg-Sendung „Neues bei Neustädter“ – mehr dazu in Die Themen dieser Woche.

Macht- und Herrschaftsfragen bis heute nicht gelöst

Mental Load – also mentale Last – ist ein neuer Begriff für ein altes Gefühl, das die meisten Frauen ganz automatisch auf sich nehmen, sagt die Geschäftsführerin der Fraueneinrichtung Femail Lea Putz-Erath. Mütter wissen zu 99 Prozent, wann neue Kleidung für die Kinder oder der nächste Kinderarzttermin fällig sind. Dieses Sich-zuständig-fühlen bindet viel Energie. Männer fühlen sich meist von vornherein nicht zuständig für Haus- oder Familienarbeit. Das schaufelt sie frei, sich um ihre Karriere und um Geld zu kümmern, sagt Gleichstellungsspezialistin Sabine Juffinger. „Das ist immer noch eine Macht- und eine Herrschaftsfrage“, so Juffinger.

Sabine Juffinger
StudioWälder
Gleichstellungsspezialistin Sabine Juffinger

Fakten zum Weltfrauentag

  • Bedrohungen und Mobbing – jede zweite junge Frau ist im Netz von Gewalt betroffen – im realen Leben sind Beschimpfungen und Belästigungen Alltag für viele Frauen.
  • Mädchen helfen im Haushalt, Burschen nicht – weltweit gesehen arbeiten fünf- bis 14-Jährige Mädchen 160 Millionen Stunden pro Tag mehr als gleichaltrige Buben.
  • In Vorarlberg verdienen Frauen 47 Prozent weniger als Männer – auch in der Pension. Auf Vollzeit gerechnet sind das immer noch 23 Prozent weniger Lohn.
  • Frauen sind mittlerweile gleich gut ausgebildet wie Männer – aber von den 12.800 Führungskräften in Vorarlberg sind nur 3.000 Frauen.
  • Femizide – in Österreich werden jeden Monat drei Frauen von Männern ermordet. Gewalt von Männern gegen Frauen gibt es überall – in allen Beziehungsformen, Berufsgruppen, sozialen Schichten, Kulturen und Religionen.

Reaktionen der Parteien

Die heimische ÖVP nahm den Weltfrauentag zum Anlass für eine Umfrage unter den Gemeindevertreterinnen in Vorarlberg hinsichtlich ihrer Erfahrungen in der Politik. Dabei kam heraus, dass vor allem Frauen im Alter von 40 bis 60 Jahren viel Unterstützung aus ihrem Umfeld bekommen, wenn sie sich in der Politik engagieren.

Dass die Altersgruppe der 20- bis 40-jährigen Frauen unterrepräsentiert ist, führt Martina Rüscher, die Landesleiterin der VP-Frauenbewegung, darauf zurück, dass die Vereinbarkeit von Familie und Politik eine große Rolle spiele. Rüscher ist es ein Anliegen, dass mehr junge Frauen den Weg in die Politik finden. Dafür brauche es aber eine Adaptierung der Karenzregelung, so die Landesrätin in einer Aussendung.

SPÖ, NEOS: Aufbrechen alter Rollenbilder

Die SPÖ Vorarlberg hingegen wünscht sich ein Maßnahmenpaket, um die Situation von Frauen generell zu verbessern. Dabei geht es der SPÖ vor allem darum, die Kinderbetreuungsangebote auszubauen und die Frauen zu entlasten.

NEOS betont, die Pandemie habe besonders Frauen viel abverlangt: Sie müssen Job, Kindererziehung, Haushalt usw. unter einen Hut bringen. Deshalb fordert NEOS eine wirkliche Gleichstellung von Frau und Mann und das Aufbrechen der alten Rollenbilder.

NEOS-Aktion #choosetochallenge

NEOS startet daher die Aktion #choosetochallenge. Auf der Plattform neos.eu/frauen werden Frauen aufgefordert, über ihre Herausforderungen in der Krise zu berichten und sich kritisch mit Rollenbildern auseinanderzusetzen.

Symboldbild: Weibliche Lehrlinge
APA/HANS KLAUS TECHT
Das Aufbrechen alter Rollenbilder – hier z.B. in Bezug auf technische Berufe – und tatsächliche Gleichstellung müssen immer noch eingefordert werden

Grüne: Engagierte Regierungsarbeit

Die Grünen zeigen als Bundespartei zum Weltfrauentag vor allem damit auf, was sie im ersten Jahr der Grünen Regierungsbeteiligung frauenpolitisch alles erreicht haben. Dazu gehören unter anderem die Erhöhung des Frauenbudgets um 43 Prozent, die Halbierung der Tampon-Steuer, die Umsetzung eines Gesetzespaketes gegen Hass in Netz und die Setzung von Maßnahmen im Kampf gegen Altersarmut von Frauen.

Vorarlbergs Landesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) nimmt die Gelegenheit wahr, die engagierte Arbeit der Frauen- und Mädchen-Beratungseinrichtungen in Vorarlberg und deren Aktivitäten zum Weltfrauentag in den Blickpunkt zu rücken.

FPÖ: Kampf gegen Altersarmut

FPÖ-Frauensprecherin Nicole Hosp betont angesichts des Weltfrauentags die oftmals sehr prekäre Lebenssituation vieler Frauen im Alter. Da müsse die Politik gegensteuern und ein Gegenmodell anbieten. Hosp weist in diesem Zusammenhang auf das im Burgenland bereits praktizierte Modell der Anstellung pflegender Angehöriger ab.

Einnahmen-Ausgaben-Rechnung eines Pensionisten
APA/ROLAND SCHLAGER
Altersarmut betrifft oft besonders Frauen

WKV: Unternehmerinnen treibende Kraft

Im Widerspruch zu den Statements der politischen Parteien zeigt sich die Meinung der Wirtschaftskammer Vorarlberg (WKV), denn der Frauenanteil in der heimischen Wirtschaft bleibe weiterhin konstant hoch, heißt es in einer Aussendung. Im Jahr 2020 wurde demnach jedes dritte Unternehmen in Österreich von einer Frau geleitet. Bei Neugründungen liege der Frauenanteil im Jahr 2020 in Vorarlberg sogar bei knapp 50 Prozent.

„Wir spüren trotz struktureller Nachteile, wie etwa dem Mangel an passender Kinderbetreuung, eine positive Dynamik, die es zu verstärken gilt. Die aktuelle Entwicklung zeigt ganz klar, dass Vorarlbergs Unternehmerinnen eine treibende Kraft im Land sind und einen unverzichtbaren Beitrag für die heimische Wirtschaft leisten", betont Evelyn Dorn, Vorsitzende von Frau in der Wirtschaft Vorarlberg (FiW).

Kindergarten Kinder
ORF
Kinderbetreuungsangebote sollen Frauen entlasten

ÖGB: Krise verschärft Ungleichheit

Die Krise treffe Frauen besonders hart. Darauf weisen die Vorarlberger Gewerkschaftsfrauen anlässlich des Weltfrauentags hin. Die Pandemie habe die Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern noch verschärft. Vor allem Frauen würden in systemrelevanten und zugleich schlechter bezahlten Berufen arbeiten.

In der Krise seien Frauen besonders von Einkommenseinbußen betroffen. Sie würden den überwiegenden Teil der Haus- und Familienarbeit übernehmen und reduzieren dafür immer öfter ihre Arbeitszeit, fasst ÖGB-Landesfrauenvorsitzende Iris Seewald die Situation vieler Frauen zusammen.