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Coronavirus

AGES: Kritik an Einschränkung des Contact Tracings

Die Kontaktnachverfolgung wird wegen der steigenden Infektionszahlen eingeschränkt. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sieht die Nachverfolgung weiterhin gesichert. Kritik kommt von der AGES.

„Wir können in der nächsten Zeit nicht mehr den vollen Umfang der Kontaktnachverfolgung aufrechterhalten und müssen uns deshalb auf Hochrisikogruppen konzentrieren“, sagte Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP).

„Die sehr aufwendige Verfolgung, wie sie derzeit stattfindet, ist mit diesen hohen Zahlen nicht mehr möglich. Wir reagieren daher und beziehen uns nur mehr auf die Meldung der Erkrankten“, erläuterte Grabher. Es sei durchaus möglich, dass auf diese Weise nicht alle Kontaktpersonen erfasst werden.

Im Sieben-Tage-Schnitt 115 Neuinfektionen pro Tag

„Wir werden bestimmte Gruppen priorisieren“, ergänzte Sanitätsdirektor Wolfgang Grabher. „Neben den Erkrankten sind dies Personen im gemeinsamen Haushalt, Personen mit engen Kontakten oder mit Bezug zu besonders gefährdeten Gruppen.“ In den vergangenen sieben Tagen wurden in Vorarlberg durchschnittlich 115 Neuinfektionen pro Tag verzeichnet. Damit sind täglich rund 2.000 Kontaktpersonen verbunden.

Grabher: „Aufwendige Verfolgung nicht mehr möglich“

Diese Kontaktfälle werden vom Infektionsteam geprüft. Personen im eigenen Haushalt bzw. mit sehr intensiven Kontakten oder mit Berührungspunkten zu besonders gesundheitlich anfälligen Gruppen werden herausgearbeitet und ohne weitere Kontaktaufnahme per Bescheid abgesondert.

Diese Vorgangsweise ist zunächst für zwei Wochen geplant, sie diene der Beschleunigung der Verfahrensabläufe und Entlastung des Infektionsteams. Zugleich werde man auch Kapazitäten der AGES in Anspruch nehmen. Dazu werden die Daten nach Wien geschickt und von dortigen Mitarbeitern bearbeitet, so Grabher.

Talk mit Wolfgang Grabher

Wolfgang Grabher spricht über das Contact-Tracing.

Infektionsteam in Messehalle

Das Vorarlberger Infektionsteam ist in einer Messehalle in Dornbirn untergebracht, rund 100 Arbeitsplätze stehen dort zur Verfügung. 20 Vollzeitkräfte des Bundesheers sind in Vorarlberg bereits unterstützend beim Contact Tracing im Infektionsteam in Dornbirn tätig. Das Team noch einmal zu vergrößern – wie es im Frühherbst geschehen ist – löse nicht das Problem, mit Kontaktpersonen der Kategorie I schneller als bisher ins Gespräch zu kommen.

Bisher habe man auch alle Kontaktpersonen der Kategorie II angerufen – also solche, mit denen Infizierte nur losen Kontakt hatten. „Ihnen wurde ein Gesundheits-Tagebuch mit der Bitte um Ausfüllung zugeschickt, Tage später wurde es zurückgesandt und die Person noch einmal angerufen“, schilderte Gesundheitslandesrätin Rüscher das bisherige Prozedere. In anderen Bundesländern sei das gar nie so gemacht worden. Bei den Kontaktpersonen der Kategorie II fahre man nun zurück, um im Umgang mit Personen, die unmittelbaren Kontakt mit Infizierten hatten, schneller zu werden.

Soziale Kontakte reduzieren

Man habe festgestellt, dass die Infektionsketten trotz des Appells, Sozialkontakte einzuschränken, in den vergangenen Wochen nicht kürzer geworden seien. „Kürzere Listen würden uns am meisten helfen“, so die Landesrätin.

Anschober: Contact Tracing in Vorarlberg gesichert

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sieht die Nachverfolgung und Absonderung der engen Kontakte nach Coronavirus-Infektionen in Vorarlberg weiterhin gesichert. Die vom Land tags zuvor gemeldete Einschränkung des Contact Tracing wertete Anschober in einer Aussendung am Samstag als „Missverständnis“. Denn reduziert werde nur die über die Vorschriften hinausgehende direkte Befragung von K1 und K2-Kontaktpersonen.

„Die Nachverfolgung der engen Kontakte ist in Vorarlberg nach wie vor sichergestellt und wird vorbildlich umgesetzt“, betonte Anschober. Dies betreffe neben den Erkrankten auch Personen im gemeinsamen Haushalt, Personen mit engen Kontakten sowie mit Bezug zu besonders gefährdeten Gruppen.

Die Absonderung der K1-Kontaktpersonen erfolge nach den vorliegenden Informationen regelkonform und so rasch wie möglich, betonte Anschober. Reduziert habe Vorarlberg aufgrund der stark gestiegenen Fallzahlen lediglich die zusätzlichen direkten Befragungen der Kontaktpersonen K1 und K2. Zudem habe jede Behörde die Möglichkeit, die Unterstützung des AGES Contact Tracing-Teams anzufordern.

AGES kritisiert Vorarlberger Entscheidung

AGES-Epidemiologin Daniela Schmid betonte zuvor im Ö1-Mittagsjournal, dass eine Reduktion des Contact Tracing keine Option sei. Die Nachverfolgung der Kontaktpersonen sei evidenzbasiert die effektivste Maßnahme gegen die Ausbreitung von SARS-CoV-2. Personelle Ressourcen wären zudem vorhanden. Wer das Contact Tracing aufgibt, gibt auch die Kontrolle über die Epidemie auf, sagte Schmid bereits am Freitag bei der Pressekonferenz zur Ampelschaltung. Eine Erhebung der APA in den Bundesländern ergab auch, dass die Nachverfolgung der Kontaktpersonen zwar schwieriger würde, diese jedoch weiterhin betrieben werde.