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Politik

VfGH erklärte Volksabstimmung in Ludesch für nichtig

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat der Anfechtung der Volksabstimmung in Ludesch vom 10. November 2019 stattgegeben und das Verfahren zur Gänze aufgehoben. Die Abstimmung drehte sich um die Umwidmung von Flächen zur Expansion des Fruchtsaftherstellers Rauch.

Grundlage der Entscheidung ist, dass der VfGH Bestimmungen des Vorarlberger Gemeindegesetzes und des Landes-Volksabstimmungsgesetzes als verfassungswidrig erkannte. Die Gemeindevertretung könne nicht gegen ihren Willen durch eine Volksabstimmung an eine bestimmte Entscheidung gebunden werden, hieß es.

Volksabstimmung Ludesch verfassungswidrig

Letztes Jahr hat sich die Bevölkerung in Ludesch in einer Volksabstimmung gegen die Betriebserweiterung der Firma Rauch ausgesprochen. Doch diese Abstimmung war ungültig, sagt der Verfassungsgerichtshof.

Erste Reaktionen der Landesregierung und von Rauch

Von einer „Schwächung der direkten Demokratie“ spricht Landesstatthalterin Barbara Schöbi-Fink (ÖVP) als zuständige Legistik-Referentin in der Vorarlberger Landesregierung in einer ersten Stellungnahme. Klar sei, dass Vorarlberg das höchstrichterliche Urteil anerkennt, „auch wenn Vorarlberg sich ein anderes gewünscht hätte“, so Schöbi-Fink. Bezüglich der Ludescher Volksabstimmung, die vom VfGH für gesetzeswidrig erklärt wurde, sieht Schöbi-Fink „zunächst die neu gewählte Ludescher Gemeindevertretung am Zug“.

Interview mit Peter Bußjäger

Verfassungsjurist Peter Bußjäger teilt die Einschätzung der Höchstrichter nicht.

Was die Entscheidung für das bestehende Rauch-Werk in Nüziders bedeutet, müsse man erst neu bewerten und genau prüfen, so eine erste Reaktion von Rauch-Geschäftsführer Daniel Wüstner gegenüber dem ORF Vorarlberg.

Grundstückeigentümer verlangten Aufhebung

Bei der Volksabstimmung in Ludesch ging es um die Umwidmung von rund 6,5 Hektar landwirtschaftlicher Fläche zur Expansion des Fruchtsaftherstellers Rauch, die abgelehnt wurde. Von 1.745 gültigen Stimmen entfielen 982 auf „Ja“ und 763 auf „Nein“. Etwa einen Monat nach der Volksabstimmung wurde sie von 15 Privatpersonen angefochten, darunter auch von Eigentümern der Grundstücke, die für die Erweiterung umgewidmet werden sollten. Sie verlangten aus verschiedenen Gründen die Aufhebung der Volksabstimmung.

Freie Fläche (Grünzone) neben dem Firmengebäude von Rauch
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Auf dieser Fläche in Ludesch wollte die Firma Rauch erweitern

Gegen den Grundsatz der repräsentativen Demokratie

Der VfGH folgte diesem Ansuchen, weil das Vorarlberger Gemeindegesetz in seinen Augen gegen den Grundsatz der repräsentativen Demokratie verstößt. Im Landes-Volksabstimmungsgesetz ist derzeit vorgesehen, dass eine derartige Entscheidung des Volkes die Entscheidung des sonst zuständigen Gemeindeorgans ersetzt. Ein solches Modell aber widerspreche „dem repräsentativ-demokratischen System der Gemeindeselbstverwaltung“.

Im Mittelpunkt des repräsentativ-demokratischen Systems stehe nämlich die Gemeindevertretung, die vom Gemeindevolk gewählt wird und der alle anderen Gemeindeorgane für die Erfüllung der Aufgaben der Gemeinde verantwortlich sind.

Gegen verbindliche Volksabstimmungen gebe es verfassungsrechtlich dann nichts einzuwenden, wenn diesen Abstimmungen eine Willensbildung der Gemeindevertretung zugrunde liege – entweder indem sie die Volksabstimmung selbst einleite oder das Ergebnis für verbindlich erkläre. Dass aber die Gemeindevertretung auch gegen ihren Willen durch eine Volksabstimmung an eine bestimmte Entscheidung gebunden werden könne, stehe im Widerspruch zum repräsentativ-demokratischen System.

„In der alleinigen Verantwortung der Gemeindevertretung“

Der VfGH hob deshalb jene Bestimmungen des Gemeindegesetzes und des Landes-Volksabstimmungsgesetzes auf, die festlegen, dass Volksabstimmungen mit bindender Wirkung auf Verlangen von Stimmberechtigten der Gemeinde auch ohne Zustimmung der Gemeindevertretung durchzuführen sind.

Das Verfahren zur Volksabstimmung in Ludesch wurde zur Gänze aufgehoben. „Die Entscheidung über die Widmung der betreffenden Grundstücke liegt damit wieder in der alleinigen Verantwortung der Gemeindevertretung“, heißt es.