Laut Filzmaier ist ein Trend feststellbar: Die ÖVP gewinne auf dem Land Stimmen dazu, verliere aber ein bürgerlich-liberales Publikum in den Städten, das auch jünger sei.
Freie Spiel der Kräfte
Das freie Spiel der Kräfte könnte in Bregenz zur Realität werden, denn Ritsch hat keine Mehrheit. Die ÖVP kann mit anderen Parteien die SPÖ sehr leicht überstimmen. Dieses freie Spiel der Kräfte sei in vielen Gemeinden in Österreich bereits Normalität, in denen der Bürgermeister direkt gewählt werden kann, sagt Filzmaier. Mehrheiten werden dadurch komplizierter und Bürgermeister müssen Kompromisse schließen und können sich nicht mehr auf die Parteifraktion verlassen. Das sieht Filzmaier aber positiv und nennt es „politischen Diskurs“.
Schwarz-Grün in Bregenz ist Geschichte
2005 wurde Bregenz zur ersten österreichischen Landeshauptstadt mit einer schwarz-grünen Koalition. Mit der Abwahl von Bürgermeister Markus Linhart (ÖVP) ist diese nun Geschichte, der neue Stadtchef Michael Ritsch (SPÖ) wird nun auf das freie Spiel der Kräfte setzen und – aufgrund der Mehrheitsverhältnisse – eine breite Zusammenarbeit suchen müssen.
Schon 2005 hatte der damals junge SPÖ-Kandidat Ritsch die ÖVP und Bürgermeister Linhart bei den Gemeindewahlen in die Enge getrieben und ihr die absolute Mehrheit in der Stadtvertretung entrissen – für die ÖVP resultierten 14 von 36 Mandaten, für die SPÖ 13. Grüne (5) sowie Freiheitliche (2) und die Liste „Bregenz denkt“ (2) lagen weit dahinter. Nach Ritschs Niederlage in der Bürgermeister-Stichwahl schien eine ÖVP-SPÖ-Koalition das wahrscheinlichste Szenario. Doch ließ Linhart das Bündnis kurz vor Abschluss platzen. Für die Grünen als Partner gaben laut Linhart letztlich „der Ton und die Qualität des Umgangs“ den Ausschlag.
Grüne Wähler halfen Ritsch bei der Stichwahl
Seitdem besetzten die Grünen in Bregenz die Position des Vizebürgermeisters, zunächst mit Gernot Kiermayr, seit dem Sommer 2013 mit Sandra Schoch. Als Juniorpartner der ÖVP kamen die Bregenzer Grünen jedoch nie recht vom Fleck. Letztlich waren es die unzufriedenen Grün-Wähler, die die Koalition platzen ließen, indem sie Ritsch 15 Jahre nach der ersten Stichwahl Linhart-Ritsch doch noch zum Bürgermeister wählten. Ohne viele grüne Stimmen wäre eine Mehrheit für Ritsch nicht möglich gewesen. Sie trotzten der Ankündigung von Linhart, als Bürgermeister Schwarz-Grün fortsetzen zu wollen. Lediglich die Grün-Funktionäre hätten Linhart gewählt, die Basis aber Ritsch, hieß es. Der Vizebürgermeistersessel dürfte wohl weg sein.
Mehrheitsverhältnisse in Bregenz
Nicht nur in Sachen Stichwahl, sondern auch in Sachen Mehrheitsverhältnisse hat sich die Geschichte wiederholt – in der Bregenzer Stadtvertretung sind die Kräfte ähnlich wie vor 15 Jahren verteilt. Stärkste Partei ist nach wie vor die ÖVP (15 Mandate), gefolgt von der SPÖ-Liste um Ritsch (11) und den Grünen (6). Freiheitliche und NEOS erreichten jeweils zwei Mandate. Für Mehrheiten muss Ritsch demnach eine breite Zusammenarbeit suchen. Beschlüsse mit nicht mehr als einem Partner gehen sich nur mit der Volkspartei aus. Rot-Grün hat keine Mehrheit.
Prüfstein Stadtentwicklung
Inhaltlich gemessen werden wird Ritsch vor allem an der Umsetzung seiner Pläne zur Stadtentwicklung. In Bregenz ist Grund und Boden noch viel mehr als in anderen Kommunen rares Gut – liegt die Stadt doch zwischen See und Berg (Pfänder) eingeklemmt. Durchzugsstraße und Bahngleise führen am Seeufer entlang, schon seit Jahrzehnten gibt es immer wieder Vorschläge und Initiativen, das zu ändern.
Die Wahl hat Ritsch nicht zuletzt deshalb gewonnen, weil er sich für die Bahn vehement für eine Unterflurvariante einsetzt. Auch die Gestaltung der Areale „Seequartier“ und „Seestadt“ – seit Jahrzehnten ein Parkplatz in bester Lage – soll nach vielen Jahren der Diskussion und der Planung in die Gänge kommen. Michael Ritsch: „Dieses Gebiet ist das ‚Herz‘ unserer Stadt. Wir möchten dieses Herz wieder zum Schlagen bringen.“