Wirtschaft

Inseratenschaltungen: Wirbel um Kessler

Der Vorarlberger Wirtschaftsbund-Direktor Jürgen Kessler sorgt für Wirbel in der Österreichischen Gesundheitskasse ÖGK in Wien. Ursache sind mehrere Inseratenschaltungen der ÖGK in der WKV-Zeitung „Die Wirtschaft“ im ersten Halbjahr 2020.

Die Inseratenabwicklung in diversen WKV-Zeitungen übernimmt seit Jahren die Agentur Media Team in Röthis, an der Jürgen Kessler über seine Firma 3L consult GmbH zu 49,9 Prozent beteiligt ist. Die weiteren Anteile an Media Team halten die Russmedia Verlag GmbH (40,1 Prozent) und Media Team-Geschäftsführer Markus Steurer (10 Prozent). Im ersten Halbjahr 2020 war Jürgen Kessler aber auch Vorsitzender der ÖGK-Landesstelle Vorarlberg als Vertreter der Arbeitgeberseite. Schaltet also die ÖGK ihre Inserate über das Media Team etwa in der WKV-Zeitung „Die Wirtschaft“, dann profitiert Kessler als Mitgesellschafter von den anfallenden Agenturprovisionen.

Der Vorarlberger Wirtschaftsbund-Direktor Jürgen Kessler
ORF Vorarlberg
Vorarlberger Wirtschaftsbund-Direktor Jürgen Kessler sieht sich dem Vorwurf der Bereicherung ausgesetzt

Parlamentarische Anfrage der NEOS

Den NEOS ist dieser Umstand ein Dorn im Auge. Deshalb hat NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker vor wenigen Tagen im Nationalrat eine Anfrage an das Gesundheits- und Sozialministerium gestellt betreffend den „Verdacht der Selbstbereicherung durch einen ÖGK-Funktionär.“ Es sei eigenartig, wenn die ÖGK während der Amtszeit von Jürgen Kessler über jene Agentur inseriert, in der er der größte Miteigentümer ist. Die Anfrage listet drei Inserate im Jänner, Februar und Mai 2020 (Großauflage) auf. Loacker verweist in seiner Fragestellung auch darauf, dass die ÖGK einen Kodex für Funktionäre beschlossen habe, dem die gewählte Vorgangsweise zuwiderläuft.

ÖGK-Obmann will Klärung der Vorwürfe

Die Wirtschaftspresseagentur.com hat den derzeitigen ÖGK-Obmann Andreas Huss zu der Angelegenheit befragt. Und allem Anschein nach gibt es eine weiter zurückreichende Vorgeschichte zu dieser nunmehrigen NEOS-Anfrage. So sei Huss bereits am 1. Juli 2020 darüber informiert worden, dass es hier möglicherweise Unvereinbarkeiten oder Unstimmigkeiten hinsichtlich der Doppelfunktion von Jürgen Kessler geben könnte, was diese Inserate betrifft. „Aus diesem Grund habe ich das Sozialministerium als unsere Aufsichtsbehörde darüber informiert und gebeten zu klären, ob hier ein möglicher Verstoß gegen unsere Compliance-Regeln vorliegt“, so Huss.

Verdacht der direkten persönlichen Einflussnahme

Darüber hinaus sei ihm in dem Zusammenhang von betroffener Seite zur Kenntnis gebracht worden, dass es eine „direkte persönliche Einflussnahme“ von Jürgen Kessler auf ÖGK-Landes- und Bundesebene gegeben habe in Bezug auf Inseratenschaltungen in der WKV-Zeitung. „Hier besteht ein konkreter Verdacht und ich hätte gerne geklärt, ob das so stimmt. Deshalb die Meldung an das Ministerium“, so Huss. Ein von ihm erbetener Versuch, dass ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer die Angelegenheit mit Jürgen Kessler direkt klärt, sei nicht erfolgreich gewesen. Auch eigene wpa-Nachfragen deuten übrigens in die Richtung direkter Einflussnahme von Kessler.

Kessler: „Es geht um ein Inserat für 1.960 Euro“

Kessler wiederum erklärte auf wpa-Anfrage, dass Media Team seit Jahrzehnten eine Geschäftsbeziehung mit der VGKK (jetzt ÖGK) habe. Bereits im November 2019, also noch vor seiner Vorsitz-Übernahme, habe die VGKK ihren Inseratenplan für 2020 für die WKV-Zeitungen „Die Wirtschaft“ und „Thema Vorarlberg“ zur ÖGK nach Wien geschickt. Die beiden erstgenannten Inserate im ersten Halbjahr 2020 seien jedoch nicht über das Media-Team verrechnet worden, sondern über den Wirtschaftsverlag. Das Inserat für die Großauflage von „Die Wirtschaft“ im Mai 2020 im Wert von 1.960 Euro netto sei von der ÖGK in Wien in Auftrag gegeben und über Media-Team abgewickelt worden.

Kessler weiter: „Klar ist, dass die ÖGK-Landesstelle in Fragen bezahlter Öffentlichkeitsarbeit seit 1. Jänner 2020 kein formales Mitspracherecht mehr hat, da die ÖGK jetzt ein bundesweiter Träger ist. Manfred Brunner und ich können in diesen Fragen gar nicht formal mitwirken“, so Kessler in einem Statement. Er sei froh, dass diese Anfrage jetzt gestellt wurde und die Beantwortung das dann auch klären werde.

„Habe nur nachgefragt“

Das formale Mitspracherecht ist die eine Seite, die gelebte Realität in politisch beeinflussten Organisationen die andere. Auf die Frage, ob er in irgendeiner Form in der ÖGK bezüglich Inseraten interveniert habe, sagte Kessler: „Unsere Rolle beschränkt sich jetzt auf das ‚Nachfragen‘.“