Eine Frau mit offenen Rechnungen hat viele Schulden. Arbeitslosigkeit und Privatkonkurs
Gina Sanders – stock.adobe.com
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Soziales

Verzweifelte Mieter suchen Hilfe

In der ersten Phase der Coronavirus-Pandemie waren Mieter von März bis Juni vor Delogierungen geschützt. Doch dieser Schutz ist seit Juli vorbei. Die finanzielle Situation vieler Mieter hat sich jedoch noch immer nicht gebessert. Jetzt müssen Stundungen abbezahlt werden mit 4 Prozent Verzugszinsen.

„Ich habe heute Morgen einen Anruf von einer verzweifelten Mieterin bekommen, die mit der Miete im Rückstand ist. Ihr hatte der Vermieter gestern Strom und Wasser abgesperrt“, berichtet Anette Fritsch von der Mietervereinigung Vorarlberg. Das komme jetzt wieder öfter vor, die Mieterin könne den Rückstand auch von sich aus nicht aufbringen.

Die Mietervereinigung erhält zurzeit besonders viele besorgte Anfragen von privaten Mietern, nicht selten sind es zehn Anrufe an einem Vormittag. „Es sind so viele, wie noch nie“, sagt Fritsch. Zwischen April und Juni gab es krisenbedingt keine Delogierungen, jetzt werden Mieter bei Zahlungsrückständen aber wieder vor die Tür gesetzt.

Anette Fritsch von der Mietervereinigung Vorarlberg nimmt einen Anruf entgegen
ORF
Bei Anette Fritsch von der Vorarlberger Mietervereinigung gehen zur Zeit so viele Anrufe ein wie noch nie

Problem Betriebskosten-Nachforderung

Mehr Probleme als sonst verursachen heuer die Betriebskosten-Abrechnungen: „Menschen, die in Kurzarbeit sind oder eben andere Einkommenseinbußen haben, tut das jetzt noch mehr weh als sonst. Die haben früher vielleicht ihr Urlaubsgeld hergenommen, um die Betriebskosten-Rückforderungen zu bezahlen, aber das ist jetzt alles weggefallen, sagt Fritsch. Man müsse sich vorstellen, dass es für diese Menschen schon eine Katastrophe sei, wenn die Waschmaschine kaputtgeht: „Und dann kommt eine Betriebskosten-Nachforderung von ein paar Hundert Euro – wie sollen die das machen?“

Zunehmende Mietsorgen

Die Regierung hat von März bis Juni Mieter vor Delogierungen geschützt. Diese Zeit ist jetzt vorbei. Seit Juli gibt es wieder Delogierungen. Die finanzielle Situation hat sich aber für viele Mieter noch immer nicht gebessert.

Wohnbaugesellschaften sind flexibler

Weniger Sorgen haben derzeit die Mieter in gemeinnützigen Wohnungen. Es gibt Mietstundungen und Ratenzahlungen, denn die sozialen Wohnbaugesellschaften sind flexibler. Gerade erst wurden alle Mieter mit Zahlungs-Rückständen angeschrieben, erklärt VoGeWoSi-Geschäftsführer Peter Lorenz: „Wir haben eine Umfrage gemacht unter ungefähr 2.000 Mietern, die einen Rückstand gehabt haben und angefragt, ob dieser Miete-Rückstand durch die Covid19-Pandemie bedingt ist.“ Mit denen, die das nachweisen konnten, habe man individuelle Vereinbarungen getroffen.

VoGeWoSi-Geschäftsführer Peter Lorenz im ORF-Interview
ORF
Die VoGeWoSi hat mit wegen Covid19 säumigen Mietern gesonderte Vereinbarungen getroffen, sagt Geschäftsführer Peter Lorenz

Seit Juli wieder Mahnlauf und Delogierungen

Von März bis Juni gab es laut Lorenz keine Kündigungen, Mahnungen und Delogierungen. Seit Juli gibt es aber auch bei der VoGeWoSi wieder vereinzelt Delogierungen, allerdings nur bei Mietrückständen, die noch aus der Zeit vor der Pandemie stammen.

Erst in der ersten Hälfte das Jahres 2021 werde sich zeigen, ob nicht tatsächlich doch mehr Räumen durchgeführt werden, so Lorenz: „Weil so ein Räumungsprozess ja eine gewisse Zeit dauert, das kann sich bis zu neun Monate hinausziehen. Und wir sehen dann, ob es wirklich mehr Räumungen sind, als in den vergangenen Jahren, wo wir im Regelfall so 20 bis 25 Räumungen pro Jahr hatten.“