Die Angeklagte beim Prozess in Feldkirch
ORF
ORF
Chronik

Prozess: „Angeklagte eingeschränkt zurechnungsfähig“

Der Prozess gegen eine 51-jährige Frau, die versucht haben soll, ihren 82-jährigen Vermieter mit einem Medikamenten-Cocktail zu vergiften, ist am Mittwoch fortgesetzt worden. Nach Zeugeneinvernahmen standen am Nachmittag die Erläuterungen von Gerichtspsychiater Reinhard Haller und Toxikologin Marion Pavlic auf dem Programm.

Gerichspsychiater Reinhard Haller sagte die Angeklagte, eine 51-jährige Niederländerin, war zurechnungsfähig, wenn auch eingeschränkt. Sie habe, trotz ihre Invalidität aufgrund eines schweren Arbeitsunfalls 2014, keine krankhaften Depression. Die Frage des vorsitzenden Richters ob die Frau suizidgefährdet war und ist, bejahte Haller allerdings.

Zum Thema Depression merkte Psychiater Haller noch an, dass wirklich depressive Menschen ein ganz niedriges Kriminalitätsrisiko darstellen. Sie hätten oftmals nicht den nötigen Antrieb oder die nötige Motivation kriminell zu agieren. Die 51-Jährige war medikamentenabhängig, sie nahm angstlösende Medikamente zu sich. Diese können auch die Angst vor einer Strafverfolgung hemmen, so Haller.

Toxikologisches Gutachten

Mit Spannung erwartet wurde auch das Gutachten der Toxikologin Marion Pavlic. Sie bestätigte am Mittwochnachmittag, dass im Körper des 82-Jährigen Schlaf- und Beruhigungsmittel sowie Schmerzmittel gefunden wurden und zwar in einer so hohen Dosierung, dass sie nicht medizinisch indiziert gewesen sein könne. Die Leberzellen des Mannes waren bereits geschädigt. Wegen einer Lungenentzündung, die möglicherweise entstand, weil Erbrochenes in die Lunge geraten war, sei der Mann in Lebensgefahr gewesen.

Angeklagte bekannte sich „nicht schuldig“

Die 51-jährige Frau, die sich wegen versuchten Mordes verantworten muss, bekannte sich zu Prozessbeginn „nicht schuldig“. Sie bestritt, dem Senior einen Medikamentencocktail verabreicht zu haben – mehr dazu in: Prozess: Opfer wäre an Vergiftung gestorben.

Die Frau lebt seit sechs Jahren in einem kleinen Haus, das auf dem Grundstück des 82-Jährigen direkt neben seinem Wohnhaus steht. Die seit Jahren arbeitsunfähige Frau und der 82-Jährige gingen einander im Alltag zur Hand. Der Mann, der zehn Hektar Grund und die beiden Häuser besitzt, hatte die 51-Jährige gegen den Willen seiner Angehörigen als Erbin eingesetzt.

Familie wollte Mann unter Sachwalterschaft stellen

Vor Gericht wurde auch die Schwester des Manns als Zeugin angehört. Zum Streit mit der Familie kam es offenbar auch deshalb, weil ihn die Familie seiner Schwester unter Sachwalterschaft stellen wollte. Zum anderen gab es bereits zuvor Auseinandersetzungen über die Rolle der 51-Jährigen, wie die Schwester vor Gericht ausführte. So soll der Mann der Schwester vorgeworfen haben, sie habe ihm Geld gestohlen – von seiner Bankomatkarte gingen mehrere hundert Euro weg. Tatsächlich wurde die Niederländerin deswegen wegen Betruges verurteilt. Das hielt der 82-Jährige allerdings für ein Fehlurteil.

Der 82-jährige Bregenzerwälder selbst wird vor Gericht nicht aussagen – um ihm eine Aussage zu ersparen, soll am Donnerstag die Einvernahme des Mannes gezeigt werden, die mittels Video aufgezeichnet worden ist.

Mit Überdosis an Schmerzmitteln ins Spital

Im vergangenen September wurde der 82-Jährige ins Krankenhaus Dornbirn eingeliefert, nachdem ein Bekannter aufgrund des besorgniserregenden Zustands des Mannes Alarm geschlagen und auf eine Untersuchung bestanden hatte. Dort wurde in seinem Blut eine Überdosis an Beruhigungs- und Schmerzmitteln festgestellt.

Sein Bewusstsein war hochgradig eingeschränkt, und er litt unter anderem an einer Lungenentzündung. „Das Opfer hat diese Vergiftung nur knapp überlebt“, stellte Staatsanwältin Sarah Maria Haugeneder in ihrem Eröffnungsplädoyer fest. Die Angeklagte habe das Geld des Pensionisten im Visier gehabt und ihre Erbschaft so schnell wie möglich antreten wollen.

Verteidiger: Keine Beweise für Verabreichung

Verteidiger Manuel Dietrich konterte: „Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie die Medikation den Mann erreicht haben könnte“, sagte er. Dass seine Mandantin die Medikamente verabreicht habe, lasse sich nicht beweisen. Die Angeklagte, die seit 16. Oktober in Untersuchungshaft sitzt, bezeichnete sich selbst als medikamentenabhängig. Dass sie – wie ihr die Staatsanwältin vorhielt – im Internet nach tödlichen Medikamenten gesucht habe, die nicht nachweisbar sind, begründete die Frau mit Suizidabsichten.

Sie komme mit ihrer Invalidität nicht zurecht, bei Suizid aber würde die Lebensversicherung nicht zahlen. Nicht erklären konnte die Frau allerdings, warum sie sich einerseits das Leben nehmen wollte, andererseits aber schon ihre Koffer gepackt hatte. Sie hatte die Absicht, zu ihrem Lebensgefährten nach Südafrika zu reisen, doch fehlte ihr das Geld dazu.

Prozess auf drei Tage angesetzt

Der Prozess unter dem Vorsitz von Richter Richard Gschwenter ist auf drei Tage angesetzt. Ein Urteil wird voraussichtlich am Donnerstagnachmittag ergehen.