Rankweil am 12.9.2020  Gemeinderatswahl, Buergermeisterdirektwahl, im Bild: 
 Bisher sind die politischen Entscheidungsträger und -trägerinnen in Vorarlbergs Gemeinden überwiegend männlich, mittleren Alters und ÖVP-Mitglieder oder der Volkspartei zum
Mathis Fotografie
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Politik

Wahl: Alle Landesparteien sehen Positives

Die Vorarlberger Gemeindevertretungs- und Bürgermeister-Direktwahlen am Sonntag haben mit ÖVP-Verlusten in den Städten geendet und der SPÖ drei aussichtsreiche Stichwahlen beschert. Die Grünen und NEOS jubelten ebenfalls, während die FPÖ wie die ÖVP in manchen Kommunen starke Verluste hinnehmen musste. Das änderte aber nichts daran, dass fast alle Bürgermeister „schwarz“ blieben.

Alle Gemeindewahl-Ergebnisse im Detail.

Die Volkspartei tat sich bei den Gemeindevertretungswahlen speziell in den Städten und auch in den größeren Gemeinden schwer. In Hohenems und Hard am Bodensee etwa stürzte die Partei regelrecht ab und verlor im zweistelligen Prozentpunktebereich. In Lustenau ging die absolute Mehrheit verloren. In den Städten hatte die ÖVP schon vor fünf Jahren ihre absoluten Mehrheiten eingebüßt.

FPÖ verliert Bürgermeisterposten in Fußach

Schmerzliche Einbußen, trotz punktueller Erfolge, musste auch die FPÖ hinnehmen. Sie verlor einen Bürgermeisterposten (Fußach) und hat damit derzeit drei statt vier, schickt aber ebenfalls einen Bürgermeisterkandidaten in eine Stichwahl (Feldkirch).

Bei den Freiheitlichen stach der ehemalige Landesparteichef Dieter Egger heraus, der in Hohenems sein persönliches Resultat von 2015 und auch das seiner Partei verbesserte. Egger bleibt mit einem Wähleranteil von über 63 Prozent Bürgermeister. Bestätigt wurden Florian Kasseroler in Nenzing sowie Florian Küng in Vandans (beide Bezirk Bludenz). In Fußach (Bez. Bregenz) ging der FPÖ ein Bürgermeistersessel verloren, Ernst Blum trat nicht mehr an.

SPÖ hält ihre zwei Bürgermeister-Posten

Die SPÖ kann in Bludenz, Bregenz und Hard aufzeigen, wo ihre Kandidaten in die Bürgermeisterstichwahl kommen, bleibt ansonsten aber in gewohnter Stärke. Sie stellt weiterhin zwei Bürgermeister – in Bürs und St. Gallenkirch.

Bei der Bürgermeister-Direktwahl lieferte SPÖ-Landesparteivorsitzender Martin Staudinger die große Überraschung. Er schaffte es nicht nur in die Stichwahl in zwei Wochen, sondern überflügelte Amtsinhaberin Eva Maria Mair (ÖVP). Staudinger kam auf 35,40 Prozent Stimmenanteil, Mair auf 32,79 Prozent.

Sollte Staudinger am 27. September die Stichwahl in seiner Heimatgemeinde für sich entscheiden, würde er den Parteivorsitz bei den Sozialdemokraten zurücklegen. Ebenfalls Aussichten auf den Bürgermeistersessel haben die beiden SPÖ-Kandidaten Mario Leiter (in Bludenz) und Michael Ritsch (in Bregenz).

Grüne steigern ihre Mandate deutlich

Die Grünen haben in Summe deutlich mehr Mandate als zuvor und fahren das historisch beste Ergebnis in der Geschichte bei Vorarlberger Gemeindewahlen ein. Die Zahl der grünen Gemeinde- und Stadtvertreter und – vertreterinnen hat um 31 zugenommen – von 126 im Jahr 2015 auf 157. Allerdings stellen die Grünen nach wie vor keinen Bürgermeister im Land, was sich aber bei der Stichwahl am 27. September in Lochau noch ändern könnte.

NEOS in Mäder zweitstärkste Partei

NEOS hat in zehn der elf Gemeinden, in denen die Partei zur Wahl stand, den Einzug in die Gemeindeparlamente geschafft. In Mäder wird NEOS sogar zweitstärkste Partei.

Erstmals sechs Stichwahlen

Am 27. September werden in gleich sechs Kommunen Stichwahlen stattfinden, so viele wie noch nie. Der bisherige Rekord lag bei fünf. Auf großes Interesse stoßen wird dabei auch die Entscheidung in Lech am Arlberg. Im Nobelskiort könnte Langzeit-Bürgermeister Ludwig Mxuel (seit 1993) wegen Differenzen bezüglich der Gestaltung des neuen Gemeindezentrums abgewählt werden – mehr dazu in: Sechs Bürgermeister-Stichwahlen in Vorarlberg.

Landesparteichefs äußern sich zufrieden

Die Ergebnisse der Gemeindewahl sind also recht unterschiedlich ausgefallen, zum Teil mit größeren Überraschungen. Wenn man die Chefs der Landesparteien fragt, sehen sich aber alle überwiegend als Sieger.

Der Landessprecher der Grünen, Johannes Rauch, sieht das Ergebnis als schönen Wahlerfolg. Nach der Wahl vor fünf Jahren sei es neuerlich gelungen, die Basis in den Gemeinden zu erweitern. Damit wolle man auch einen Faktor spielen, wenn es darum gehe, Mehrheiten zu bilden. „Das gelingt zunehmend, das ist ein sehr, sehr schöner Wahlsonntag“, so Rauch.

Bitschi: „Bin sehr zufrieden“

FPÖ-Chef Christof Bitschi spricht von einem Wahlerfolg für seine Partei: „Wir haben in Hohenems und in Nenzing unsere Bürgermeister verteidigt, wir haben in Vandans mit Florian Küng mit 66 Prozent einen neuen freiheitlichen Bürgermeister und wir stehen mit Daniel Allgäuer in der Stichwahl in Feldkirch. Ich bin wirklich sehr zufrieden mit dieser Gemeinderatswahl.“

Zufrieden ist auch SPÖ-Parteichef Martin Staudinger. In Bürs und St. Gallenkirch konnte man den Bürgemeister-Sessel verteidigen. Staudinger erklärte, die Offenheit der Listen habe die SPÖ stärker gemacht. Er hofft, die Bürgermeister-Stichwahl in Hard zu gewinnen. „Die Harder wollen nach vielen Jahrzehnten eine andere Politik“, so Staudinger.

„Wir schlagen liberale Wurzeln"

Für NEOS-Landessprecherin Sabine Scheffknecht sind Zugewinne in zehn Gemeinden ebenfalls ein Erfolg. Besonders freut sie das Abschneiden in Mäder, dort wurde NEOS zweitstärkste Partei. „Wir schlagen liberale Wurzeln, wo wir angetreten sind.“

Sehr unterschiedlich sieht Landeshauptmann und ÖVP-Chef Markus Wallner die Ergebnisse seiner Partei. Zugewinne in einigen Gemeinden stehen Stichwahlen in den Städten Feldkirch, Bregenz und Bludenz gegenüber. Dass in mehreren Gemeinden die Wahlbeteiligung unter 50 Prozent liegt, macht Wallner Sorgen.

Landesparteichefs zur Gemeindewahl

Mit Markus Wallner (ÖVP), Johannes Rauch (Die Grünen), Christof Bitschi (FPÖ), Martin Staudinger (SPÖ) und Sabine Scheffknecht (NEOS).

Filzmaier: „Ergebnis nicht so einheitlich“

Politikwissenschaftler Peter Filzmaier bezeichnet die positiven Reaktionen als „übliches Phänomen der politischen Kommunikation“ der Landesparteichefs. „Jeder sucht sich die Erfolgsgemeinde raus“, so Filzmaier. Das zeige aber auch, dass das Ergebnis nicht so einheitlich ist.

Peter Filzmaier über Stichwahlen

Wahlen mit halbem Jahr Verspätung

Die Wahlen in den 96 Vorarlberger Kommunen fanden aufgrund der Corona-Pandemie mit einem halben Jahr „Verspätung“ (ursprünglicher Wahltermin: 15. März) und unter schärfsten Hygiene- und Sicherheitsbestimmungen statt. Die Wähler wurden dazu angehalten, die Wahllokale nur mit Mund-Nasen-Schutz zu betreten. Rund 17,2 Prozent der 301.572 Wahlberechtigten – 51.739 Personen – ließen sich eine Wahlkarte ausstellen. Das waren um rund 75 Prozent mehr als im Frühjahr.

Auszählung verzögert

Die Auszählung der Stimmzettel verzögerte sich stark, was einerseits der hohen Anzahl der Wahlkarten geschuldet war, andererseits wurde es auch darauf zurückgeführt, dass erstmals seit der Einführung der Bürgermeister-Direktwahl im Jahr 2000 mit zwei Stimmzetteln abgestimmt wurde. Die Wahlbeteiligung lag bei 53,40 Prozent (2015: 58,56 Prozent).